Da erkannten beide, dass sie aufeinander angewiesen waren. Der Lahme hatte plötzlich die Erkenntnis: „Der andere, der Blinde, kann ja laufen, und ich kann sehen!“ Sie vergaßen ihre Rivalität. In diesem kritischen Moment, als sie beide mit dem Tod konfrontiert waren, vergaßen sie ihre dumme Feindseligkeit.
Sie fanden zu einer großen Synthese. Sie einigten sich, dass der Blinde den Lahmen auf die Schultern nehmen sollte. So konnten sie als Einheit funktionieren: Der Lahme konnte sehen, und der Blinde konnte laufen. Das rettete ihnen das Leben. Und weil sie sich gegenseitig das Leben verdankten, wurden sie Freunde. Zum ersten Mal gaben sie ihre Feindschaft auf.
Sorbas ist blind – er kann nicht sehen, aber er kann tanzen, er kann singen, er kann genießen. Buddha kann sehen, aber nur sehen. Er ist ganz Auge, absoluter Durchblick und Klarheit – aber er kann nicht tanzen. Er ist verkrüppelt; er kann nicht singen und er kann nicht genießen.
Es ist höchste Zeit: Die Welt steht in Flammen, und unser aller Leben ist in Gefahr. Nur die Verbindung von Sorbas und Buddha kann die Menschheit retten. Ihr Zusammenkommen ist unsere einzige Hoffnung. Der Buddha kann seine Bewusstheit einbringen, seine Klarheit, seine Augen, die über das Diesseitige hinaus sehen und das nahezu Unsichtbare wahrnehmen können. Und der Sorbas kann zur Vision des Buddhas sein ganzes lebendiges Wesen beitragen und dafür sorgen, dass es keine trockene Vision bleibt, sondern zu einem Tanz voller Lebensfreude und ekstatischem Leben wird.
Ist diese Verbindung von Sorbas und Buddha eine reale Möglichkeit? Und wenn ja, warum sind nicht andere religiöse Führer schon darauf gekommen?
Zuerst muss man eines verstehen: Ich bin kein religiöser Führer. Ein religiöser Führer ist nicht imstande, über die Dinge so zu denken und die Dinge so zu sehen, wie ich es tue. Dazu hat er zu viel in seine Religion investiert. Das habe ich nicht.
Alle Religionen, ohne Ausnahme, spalten den Menschen und erzeugen einen Zwiespalt im menschlichen Geist. Das ist ihre Methode, wie sie euch ausbeuten. Wäret ihr heil und ganz, dann hätten sie keine Kontrolle über euch. In Bruchstücke gespalten, seid ihr all eurer Stärke beraubt. So nehmen sie euch all eure Kraft und Würde. Nur so ist es möglich, dass ihr Christen oder Hindus oder Muslime seid. Wenn ihr so sein dürftet, wie die Natur euch gemacht hat – ursprünglich und unberührt vom Einfluss eurer sogenannten religiösen Führer –, dann besäßet ihr große Freiheit, Unabhängigkeit, Integrität. Dann könnte niemand euch versklaven. Sämtliche alten Religionen tun aber nichts anderes, als euch zu versklaven.
Um einen Menschen zu versklaven, muss man nur einen Konflikt in seinem Inneren erzeugen. Dann fängt er an, gegen sich selbst zu kämpfen. Sobald du gegen dich selbst kämpfst, geschehen zwangsläufig zwei Dinge: Erstens, du bist unglücklich, weil kein Teil von dir je gewinnen kann. Du bist immer der Verlierer. Zweitens, es erzeugt Schuldgefühle in dir – das Gefühl, wertlos zu sein, kein echter, authentischer, integrer Mensch. Aber genau das wollen die religiösen Führer. Ein tiefes Gefühl von Wertlosigkeit in euch macht sie zu euren Führern. Ihr habt kein Selbstvertrauen, weil ihr wisst, dass ihr ohnmächtig seid. Ihr könnt nicht tun, was eure Natur von euch verlangt, weil die Religionen es euch verbieten. Ihr könnt aber auch nicht tun, was eure Religionen von euch verlangen, weil es gegen eure Natur geht. Dadurch befindet ihr euch in einer Situation, dass ihr gar nichts mehr tun könnt. Ihr braucht jemanden, der euch die Verantwortung abnimmt.
Euer physisches Alter nimmt zu, aber in eurem psychischen Alter seid ihr zurückgeblieben, etwa bei dreizehn Jahren. Zurückgebliebene Menschen haben ein großes Bedürfnis nach einem Führer, der ihnen sagt, wo es lang geht und wie sie das Ziel des Lebens, den Sinn des Lebens erreichen können. Allein sind sie dazu nicht fähig.
An die Verbindung von Sorbas und Buddha hätten die religiösen Führer niemals denken können, denn das würde das Ende ihrer Führung bedeuten, das Ende ihrer sogenannten Religionen. Sorbas der Buddha bedeutet das Ende aller Religionen. Es ist der Anfang einer neuen Art von Religiosität, die keiner Attribute bedarf – weder christlich noch jüdisch noch buddhistisch …
Du genießt einfach dein Dasein und erfreust dich an diesem unendlichen Universum. Du tanzt mit den Bäumen, spielst mit den Wellen am Strand, sammelst Muscheln – einfach aus reiner Freude daran. Die salzige Luft, der kühle Sand, die aufgehende Sonne, ein schneller Lauf – was willst du mehr? Das ist für mich Religion – die Luft zu genießen, das Meer, den Sand, die Sonne. Weil es keinen anderen Gott gibt als die Schöpfung selbst.
Einerseits bedeutet Sorbas der Buddha das Ende des alten Menschen – der alten Religionen, der Politik, der Nationen, der Rassendiskriminierung und aller möglichen unsinnigen Dinge. Andererseits bedeutet Sorbas der Buddha den Anfang eines neuen Menschen – absolut frei, er selbst zu sein und seine wahre Natur zum Blühen zu bringen. Zwischen Sorbas und Buddha gibt es keinen Konflikt. Der Konflikt wurde nur von den sogenannten Religionen geschaffen. Gibt es etwa einen Konflikt zwischen deinem Körper und deiner Seele? Gibt es einen Konflikt zwischen deinem Leben und deinem Bewusstsein? Gibt es einen Konflikt zwischen deiner rechten und deiner linken Hand? Sie sind alle eins, eine organische Einheit.
Dein Körper ist nicht etwas, das verdammt werden müsste, sondern etwas, für das du dankbar sein kannst – er ist die großartigste Sache in dieser Schöpfung, das größte Wunder. Seine Funktionsweise ist einfach unglaublich. Sämtliche Teile deines Körpers spielen zusammen, wie ein Orchester. Deine Augen, deine Hände, deine Beine – alles funktioniert in einem inneren Einklang. Es ist nicht so, dass deine Augen nach Osten gehen wollen und deine Beine nach Westen laufen. Oder du bist hungrig, und dein Mund lehnt es ab zu essen: „Der Hunger kommt vom Magen. Was hat das denn mit mir zu tun?“, und der Mund streikt – nein. Der Körper kennt keine Konflikte. Er folgt einer inneren Synchronizität; alles ist immer zusammen. Und deine Seele ist deinem Körper nicht Feind. Der Körper ist das Haus und die Seele der Gast. Es ist unnötig, dass Gast und Gastgeber ständig im Streit miteinander liegen. Aber ohne diesen inneren Konflikt im Menschen könnten die Religionen nicht existieren.
Meine Betonung eurer organischen Ganzheit, in der Materialismus und Spiritualität sich nicht gegenseitig ausschließen, hat zum Ziel, alle organisierten Religionen dieser Welt zum Verschwinden zu bringen. Wenn Körper und Seele in Harmonie kommen und miteinander zu tanzen beginnen, wirst du Sorbas der Buddha. Dann kannst du das ganze Leben genießen – alles was es an äußeren und inneren Freuden bringt.
Tatsächlich wirken das Innere und das Äußere in völlig verschiedenen Dimensionen; sie kommen gar nicht miteinander in Konflikt. Nur diese jahrtausendealte Konditionierung, die besagt, dass man dem Äußeren entsagen muss, wenn man das Innere erlangen will … Diese Konditionierung ist so tief in euch verwurzelt. Dabei ist dieser Gedanke wirklich absurd. Wenn ihr das Innere genießen dürft, wo liegt das Problem, auch das Äußere zu genießen? Die Freude des Genießens ist die gleiche. Diese Freude ist das Bindeglied zwischen dem Inneren und dem Äußeren.
Wenn du schöne Musik hörst, ein wunderbares Gemälde betrachtest oder einem Tänzer wie Nijinsky zuschaust – das ist alles außerhalb von dir, aber es schränkt deine innere Freude in keiner Weise ein! Im Gegenteil, es ist eine große Hilfe. Der Tanz eines Nijinsky vermag eine Qualität deiner Seele in dir zu erwecken, die sie zum Tanzen bringt. Die Musik eines Ravi Shankar vermag die Saiten deines Herzens in dir zum Schwingen zu bringen. Außen und innen sind nicht getrennt. Es ist eine Energie – die zwei Aspekte ein und derselben Existenz.
Ein Sorbas kann leichter zu einem Buddha werden als jeder Papst. Ein Papst hat keine Chance, eure sogenannten Heiligen haben keine Chance, wirklich spirituell zu werden. Da sie nicht einmal die Freuden des Körpers kennen, wie sollten sie jemals die subtilen Freuden der Seele kennen? Der Körper ist die Schule, in der du lernst, im seichten Wasser zu schwimmen. Wenn du erst einmal schwimmen gelernt hast, spielt es keine Rolle, wie tief das Wasser ist. Dann kannst du es auch an der tiefsten Stelle des Sees; es macht keinen Unterschied.
Ich