5.
Welches ist also der Ort und welches die Zeit, wo ich solche Reden geführt habe, wie sie der Ankläger mir zur Last legt? Oder in wessen Gegenwart habe ich so wahnsinnige Worte gesprochen, wie er sie mir in lügenhafter Weise unterschiebt? Oder was kann er gegen mich für einen Zeugen aufbringen? Denn was seine Augen gesehen haben, das muß er auch sagen, wie die heilige Schrift vorschreibt.7 Er nun wird keinen Zeugen für das finden, was nicht stattgefunden hat. Ich aber habe zum Zeugen, daß ich nicht lüge, ausser der Wahrheit auch Deine Gottesfurcht. Denn da ich weiß, daß Du ein sehr gutes Gedächtniß hast, so ersuche ich Dich an die Worte zu denken, die ich sprach, als Du mir die Ehre gewährtest, vor Deinen Augen erscheinen zu dürfen, zuerst in Viminacium,8 dann zu Cäsarea in Kappadocien, und drittens in Antiochia, ob ich, wenn ich von den Anhängern des Eusebius Dir gegenüber sprach, die mir arg mitspielten, irgend Einen von denen anschwärzte, welche mir Unrecht zufügten. Wenn ich aber nicht einmal die anschwärzte, gegen die ich mich erklären mußte, hätte ich nicht wahnsinnig sein müssen, um einen Kaiser bei einem Kaiser anzuschwärzen und Brüder an einander zu hetzen? Laß daher, ich bitte, entweder in meiner persönlichen Gegenwart mich überführen, oder verurtheile die Verleumdungen und ahme den David nach, welcher sagt: „Den, der heimlich über seinen Nebenmenschen Übles sagte, verfolgte ich.“9 Denn so weit es von ihnen abhing, haben sie gemordet; denn „ein lügnerischer Mund tödtet die Seele.“10 Aber Deine Geduld hat den Ausschlag gegeben und mir die Rechtfertigung gestattet, damit sie als zanksüchtige und verleumderische Menschen erkannt werden können. Dieß über Deinen gottesfürchtigen Bruder seligen Andenkens. Denn Du kannst vermöge der Dir von Gott verliehenen Weisheit aus diesem Wenigen schon Vieles abnehmen und die Anklage als Erfindung erkennen.
6.
Was die zweite Verleumdung anbelangt, daß ich an den Tyrannen11 geschrieben habe, — denn seinen Namen will ich gar nicht nennen, — so bitte ich, laß untersuchen und nachforschen, wie Du willst, und durch wen es Dir beliebt. Denn das Übermaß der Verleumdung erschüttert mich und stürzt mich in große Unsicherheit, und glaube mir, gottesfürchtiger Kaiser, da ich oft bei mir nachdachte, war es mir unglaublich, daß Jemand so wahnsinnig wäre, um auch das über mich zu lügen. Da aber auch das von den Arianern ausgesprengt wurde und sie sich rühmten, eine Abschrift des Briefes übergeben zu haben, entsetzte ich mich um so mehr, und indem ich schlaflose Nächte hinbrachte, kämpfte ich gegen die Verleumder, als ob sie anwesend wären, und ich erhob plötzlich ein heftiges Geschrei und betete zugleich unter Thränen und Seufzern, ich möchte bei Dir gnädiges Gehör finden. Aber selbst jetzt, da ich mit der Gnade des Herrn dieses gefunden habe, bin ich wieder in Verlegenheit, wie ich meine Vertheidigung beginnen soll. Denn so oft ich zu reden beginnen will, hält mich das Entsetzen ab, welches die Sache mir einflößt. Denn in Betreff Deines seligen Bruders hatten die Ränkeschmiede wenigstens einen scheinbaren Vorwand, weil uns die Ehre zu Theil wurde, ihn zu sehen, und er sich herabließ, in Betreff unserer Person an Dein brüderliches Herz zu schreiben, und er uns oft in unserer Anwesenheit seine Achtung bezeigte und, wenn wir abwesend waren, zu sich einlud. Den teuflischen Magnentius aber, der Herr ist mein Zeuge, und mein Zeuge sein Gesalbter, kenne ich weder, noch stand ich mit ihm überhaupt in Verkehr. In welcher Verbindung steht also der Unbekannte mit dem, der ihn nicht kennt? Welche Veranlassung hatte ich, an einen solchen Mann zu schreiben? Was hätte ich im Eingang des Briefes sagen können, wenn ich an ihn schrieb? Etwa: Du Hast gut gehandelt, daß Du den, der mich ehrte, dessen Wohlthaten ich nie vergessen werde, getödtet hast? Und ich lobe Dich, weil Du unsere guten Bekannten, welche Christen und ganz gläubige Männer waren, hast hinrichten lassen? Und ich lobe Dich, der Du die hingeschlachtet hast, die uns in Rom edelmüthig aufgenommen haben, Deine selige Tante, die ihren Namen Eutropium verdiente, und jenen edlen Abuterius und den ganz treuen Spirantius und manche andere treffliche Männer?
7.
Aber ist es nicht Wahnsinn, daß der Ankläger auch nur so einen Verdacht schöpft? Was hätte mich denn auch verleitet, auf ihn ein Vertrauen zu setzen? Was sah ich in seiner Gesinnung, das mir hätte Zuversicht einflößen können? Daß er seinen Herrn tödtete, treulos gegen seine Freunde war, die Eide brach, keine Frömmigkeit gegen Gott zeigte, Beschwörer und Zauberer gegen das Gericht Gottes herbeizog? Mit welchem Bewußtsein hätte ich ihm meinen Gruß entboten, dessen Wahnsinn und Grausamkeit nicht mich allein, sondern unsern ganzen Erdkreis betrübt hat? Großen und reichlichen Dank war ich ihm wahrlich deßhalb schuldig, weil Dein seliger Bruder die Kirchen mit Weihgeschenken füllte, er aber ihn, der sie sendete, getödtet hat! Und weder flößte dieser Anblick dem Verruchten irgend eine Scheu ein, noch hat die dem Seligen durch die Taufe verliehene Gnade ihm Furcht eingeflößt. Vielmehr wüthete er gegen ihn wie ein verfolgender teuflischer Dämon. Den Seligen hat nun Dieß zum Martyrium geführt. Jener aber wurde gleich einem Gefangenen und wie Kain seufzend und zitternd verfolgt, um den Judas, indem er sein eigener Henker wurde, auch im Tode nachzuahmen12 und im bevorstehenden Gericht eine doppelte Strafe auf sich herabzuziehen.
8.
Daß ich also der Freund eines solchen Mannes geworden sei, glaubte der Verleumder, oder er hat es vielmehr nicht geglaubt, sondern als Feind erdichtete er es trotz aller Unwahrscheinlichkeit; denn er weiß ganz gut, daß er log. Ich wünschte aber nur, er möchte, wer er auch sein mag, anwesend sein, um ihn bei der Wahrheit selbst fragen zu können. Denn wenn wir Christen Etwas gleichsam in der Gegenwart Gottes aussprechen, so gilt das uns als beeidigte Aussage. Wer von uns Beiden hatte größere Freude am Leben des seligen Constans, und wer nahm daran größeren Antheil? Das zeigt die erste Verleumdung gegen mich,13 und es muß Jedermann klar sein. Wenn er aber selbst wohl weiß, daß Einer, der zu ihm in solchen Beziehungen stand und dem seligen Constans zugethan war nicht mit dem Freundschaft schloß, der gegen ihn sich erhob, so befürchte ich, wenn er in anderen Beziehungen zu ihm stand als wir, er möchte das, was er aus Haß gegen Jenen im Schilde geführt hat, uns fälschlich aufgebürdet haben.
9.
Ich bin nun hierüber so bestürzt, daß ich verlegen bin, was ich alles zu meiner Rechtfertigung sagen soll, und ich will mich bloß schuldig sprechen, tausendfachen Tod zu erleiden, wenn in dieser Beziehung mich überhaupt nur irgend ein Verdacht treffen kann. Vor Dir aber, wahrheitsliebender Kaiser, vertheidige ich mich vertrauensvoll und wiederhole meine Bitte: Untersuche, und ziehe zumal die Gesandten als Zeugen bei, die Jener einst an Dich abordnete. Es sind Dieß die Bischöfe Sarbatius und Maximus mit ihren Begleitern, ausserdem Clementius und Valens. Frage sie, ich bitte, ob sie mir einen Brief überbracht haben; denn ein solcher hätte auch mir eine Veranlassung gegeben, an ihn zu schreiben. Wenn er aber nicht an mich schrieb und mich nicht einmal kannte, wie konnte ich an ihn schreiben, da ich Nichts von ihm wußte? Frage sie, ob ich, als ich den Clementius erblickte, nicht des Mannes seligen Andenkens Erwähnung that und, wie geschrieben steht, meine Kleider mit Thränen benetzte14 in Erinnerung an seine Menschenfreundlichkeit und sein von Liebe zu Christus erfülltes Herz! Laß Dir von ihnen sagen, wie sehr ich besorgt war, als ich von der Grausamkeit des Ungeheuers hörte und wahrnahm, daß Valens durch Libyen reise, es möchte auch er ein Wagestück unternehmen und wie ein Räuber die morden, welche des Seligen in Liebe gedachten, von denen ich Keinem vor mir den Vorrang einräume.
10.
Diese Gesinnung fürchtete ich nun von Jenen, und ich hätte nicht vielmehr Deiner