Für mich gab's nur Jérôme - Katharina von Württemberg und Jérôme Bonaparte. Utta Keppler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Utta Keppler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711708552
Скачать книгу
>

      Utta Keppler

      Für mich gab’s nur Jérôme

      Katharina von Württemberg und Jérôme Bonaparte

      SAGA Egmont

      Für mich gab’s nur Jérôme - Katharina von Württemberg und Jérôme Bonaparte

      Copyright © 1985, 2017 Utta Keppler und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711708552

      1. Ebook-Auflage, 2017

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Abenteuer auf Haiti

      In den ersten Aprilwochen des Jahres 1802 brannte der Boden unter der bleiernen Luft, die Mauern der Forts und Gärten staubten ausgedörrt, und die Hibiskusstauden verloren in der Hitze ihre schrumpeligen Blüten. Ein penetranter Kampfergeruch dunstete aus den Eukalyptusbäumen in die unbewegte Atmosphäre. Ein paar Hafenarbeiter, deren schwarze Haut fleckig von den zerfetzten Hemden abstach, schauten stumpfsinnig auf die Wasserwüste hinaus, die sich um Port-au-Prince zog. Stumm und lethargisch lag das Meer, als brüte es etwas aus, einen jäh losbrechenden Regenguß, ein Tropengewitter, das Erde und Sträucher wegfegt.

      Am Himmel schoben sich grüne Streifen auseinander wie Jalousien, Orange und Rot brachen durch, die Abendsonne schoß unverhofft grelle Strahlenbündel in die monotone Fläche, zog Rillen, spiegelte Silber und Kupfer und zeichnete, hart aufleuchtend, ein Segel an den Rand des Horizonts.

      Die Schwarzen drehten sich jetzt um, hinter ihnen wurde die Gasse laut. Zwischen flachen maisstrohgedeckten Hütten lag ein gemauerter Bau, seine bläulich und gelb erleuchteten Fenster schienen auf wie gebleckte Zähne, und der verworrene Lärm von Stimmen und Blechmusik drang heraus. Vor dem breiten Tor standen Wachen, angeschienen von den Lichtbündeln, die aus der weitoffenen Tür quollen. In der hellen Bahn leuchteten bunte Waffenröcke, ein Trüppchen Offiziere schlenderte auf den Eingang zu, die Wachen salutierten.

      »Die Herren Franzosen«, murmelten die Leute am Kai in ihrem sonderbaren Gemisch aus Spanisch, Französisch und einer verschollenen Negersprache.

      Drinnen schloß ein eifriger Mulatte hinter den Offizieren die Tür, und um sie her ging sofort ein Höllenspektakel los. Alle schrien durcheinander, aus dem Dunst der Holländerpfeifen schimmerten Gesichter; durch das Geklapper aus der Küche, durch Klirren und Stühlescharren hörte man Rufe: »Bürger Bonaparte! Fähnrich zur See! Parbleu, wie sehen Sie denn aus!«

      Grölen und Lachen, ein langer Mensch stand auf: »Laß untersuchen! Eine neue Uniform aus Paris? Oder ein Papagei? Ein Indianerfürst?«

      Eine laute zitternde Stimme fuhr dazwischen: »Wer wagt’s, den Bruder des Ersten Konsuls zu beleidigen? Gustave? Ich werde dich melden, dich und dein laienhaftes Gerede! Mein Bruder …«

      Es wurde sofort still.

      »Jérôme, niemand will dich kränken! Wir haben doch nur über deinen Anzug gelacht, du siehst ja aus wie auf dem Maskenball! Laß dich anschauen! Ah, charmant, charmant!«

      »Wo hast du das her?« fragte ein anderer.

      Jérôme, schnell beruhigt, drehte sich geschmeichelt im Kreis und lachte. Er war ein bildhübscher Bursche, mit schmalen Hüften, die schlanken Beine in engen hellblauen Hosen, den knappen Dolman, eine Jacke ohne Schöße, reich mit Goldschnüren bestickt, den Samtumhang wie eine Tänzerin anmutig um die Schultern gewirbelt.

      Er wiegte sich. »Und steht es mir nicht?« Er warf die Lippen auf, blinzelte aus nah zusammenstehenden schwarzen Augen in den Dunst der Pfeifen und Kerzen, hinter dem er ein paar dunkle Mädchengesichter witterte.

      »Étonnant«, urteilte einer der jungen Leute, »setz dich und zeig die Berlocken am Gürtel her! Bezahlt die auch der Erste Konsul? Oder die Schwester Pauline und dein lieber Schwager Leclerc?«

      »Leclerc«, murrte Jérôme und setzte sich, vorsichtig den Prunkdegen neben sein linkes Bein plazierend, »wird sich wundern, er muß sich daran gewöhnen, daß sich ein Bonaparte nicht befehlen läßt, auch wenn er erst siebzehn Jahre zählt.«

      »Mag sein, wenn er Erster Konsul ist!« Das sagte ein älterer Offizier und griff neugierig nach dem glitzernden Gebaumel an Jérômes Hüfte. »Brillanten – im Ernst, Junge, wer bezahlt die?«

      »Ihr Spießer!« rief Jérôme lachend, »ihr faden Böcke, ihr …«

      Aus dem Dunst tauchte eine Gestalt auf, eine Ordonnanz in der blau-roten, bordierten Uniform der französischen Matrosen.

      Jérôme warf sich sofort in die entsprechende Pose – ihm kam Bewunderung zu, einem der glänzendsten Offiziere der Kolonialarmee, wenn auch noch nicht dem ranghöchsten; und was er vor aller Augen darstellte, das glaubte er zu sein.

      Man schwieg jetzt erwartungsvoll und insgeheim ein bißchen belustigt, aber jeder spürte, daß der gutmütige Spott nicht so weit gehen durfte, den Bruder des großen Mannes, den »lieben Kleinen«, wirklich zu verstimmen; und sein jungenhafter Charme machte das leicht.

      Der Bursche, der eben eingetreten war, sah allerdings wenig von solchem Glanz, er schaute ernsthaft auf den turbulenten Kreis und zog, als er nahe genug heran war, ein Schreiben aus der umgehängten Ledertasche.

      »An den Bürger Jérôme Bonaparte, Fähnrich zur See, unter dem Kommando des Generalkapitäns Leclerc …« Er drehte suchend den Kopf. »Wo finde …?«

      Jérôme trat vor. »Kennt Er mich nicht, Bürger?« fragte er scharf, und der Soldat wurde blaß, da er als Zivilist angeredet wurde. Er entschuldigte sich leise. Jérôme nickte gnädig, nahm den Brief entgegen und winkte abschließend. Der Bote stand stramm, drehte mit dem vorgeschriebenen Ruck um und stelzte zur Tür. Sofort fielen die Kameraden über den Jungen her.

      »Was ist los? Ein Befehl? Eine Rechnung? Ein Liebesbrief?«

      Jérôme wehrte sie ab und setzte sich. Er hatte das Siegel und die Pariser Zensurzeichen erkannt, die roten Streifen des Sonderkuriers auf dem Umschlag, und steckte das Kuvert ungeöffnet in die Hosentasche. Aber ein dünnbärtiger Leutnant, der ihm zunächst saß, packte sein Handgelenk und zog das Papier zurück. Eine Rauferei begann, bei der ein Stuhl umfiel und der Tisch wankte; der Wirt sprang zu und hielt die Flaschen fest, so gut es ging.

      »Vom großen Bruder!« schrien die Freunde, als einer das Papier hochhielt, und Jérôme, mit gespieltem Zorn, streckte die Hand danach aus. »Gib’s her, ich werd’s lesen!«

      »Laut! Ohne Abzug! Lies vor!« hieß es.

      Jérôme entfaltete die penibel geschriebenen Seiten – Napoleons Sekretäre waren dazu erzogen, rasch und doch deutlich zu schreiben.

      »Bürger Bonaparte!« las er. »Er könnte mich wohl mit meinem Rang anreden, er hat ihn mir selbst verliehen!« murrte er.

      »Weiter!« drängten die anderen. Er zögerte. Murmelnd hatte er das Folgende überflogen. »… ich erhielt soeben einen Mahnbrief des Bürgers Bourrienne, den Sie, Bruder, zu Ihrem Bankier ernannt zu haben scheinen. Dieser ehrliche Makler meldet mir das Ausbleiben Ihrer Wechsel, den Zinsverlust, die verzweifelten Klagen der nie bezahlten Lieferanten. Er berichtet mir, daß Sie ein Toilette-Necessaire im Wert von 16 000 Francs gekauft und diese kostbare Torheit – zwölf Stück aus Gold und Elfenbein – für mich auf Kredit genommen haben …«

      Jérôme vergaß, wo er war. »Das hat Bourrienne nie getan, er ist mir treu!« kreischte er aufgeregt, »das verdanke ich nur dem Juwelier Biennais in der Rue St. Honoré, keinem anderen … Der Hund! Der schäbige Hund …«