Ende gut, alles gut. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711472934
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Zeit.

      „Ob sie einen Garten hätten? Und eine Ziege? Und gar ein Lamm? Kaninchen doch bestimmt? Und Hühner? Und wenn es gar eine Kuh sein könnte? Und ob in dem Wald auch Blaubeeren und Erdbeeren wachsen? — Wölfe gäbe es doch wohl nicht? — Und ob man da Holz sammeln könne, um im Winter den Ofen zu heizen, dass man nicht mehr so schrecklich frieren müsse? — Und ob es auch ein Dorf da gäbe, — mit Dorfkindern? Und einen Hund müssten sie doch auch haben? Was wohl für einen?“

      „Einen Spitz?“

      „Ach nein, ein Dackel ist drolliger!“

      „Oder einen so grossen Schäferhund, die so klug sein sollen!“

      „Wenn wir ein Schwein haben, schlachten wir doch auch?“

      „Und können Wurst und Schinken essen?“

      „Und die Kartoffeln wachsen auf dem Feld? — Nicht, wie Gretel glaubt, auf den Bäumen?“

      „Auf Bäumen?“

      „Ob es wohl einen Kirschbaum gibt?“

      „Ein Apfelbaum wäre noch schöner!“

      „Oder Pflaumen!“

      „Am besten von allem und jedem was!“

      „Nüsse wachsen doch im Wald?“

      „Ich habe mal eine Geschichte gelesen vom Hühnchen und Hähnchen auf dem Nussberg! Wenn wir auch solch einen Berg in der Nähe haben, dann gehen wir mit einem grossen Sack hin und sammeln tüchtig ein!“

      „Vivat! Dann haben wir aber für Weihnachten genug!“

      „Ein Junge in der Schule war als Ferienkind auf dem Land, der erzählte, sie hätten dort Euleneier und Kräheneier aus den Nestern geholt, die schmeckten so fein!“

      „Dann klettern wir auch auf die Bäume!“

      „Frieder kann ja so grossartig klettern!“

      „Und die Pilze, die im Wald wachsen, wie sie in dem Kolonialladen am Ecktor in Körbchen voriges Jahr ausstanden, und so teuer waren!“

      „Oh, die schmecken köstlich! Direktors haben ein paarmal welche gekauft! Nicht wahr, Michaela, du hast sie mal aus dem Einweckglas gekostet?“

      „Ja, ja, ach, wenn man die für uns alle kochen könnte!“

      „Warum nicht?“ Ebstorf richtete sich schmunzelnd in der Sofaecke empor und blickte nach der Schüssel voll Salat, welchen Frau Minchen, bebend vor Aufregung, aus der Küche herzutrug, derweil Michaela Teller und Gabel vor dem Hausherrn noch gefälliger zurecht rückte. „Im Kiefernwald wachsen viele Pilze, und ich kenne mich ganz gut auf sie aus. Während des Manövers in Schlesien hat man die Dinger würdigen gelernt, sie ersetzen ja vollkommen das Fleisch!“

      „Ach ja, auf dem Land wächst einem doch gar manches zu, was uns armen Leuten viel Geld erspart!“ seufzte die Hausfrau tief auf, und in ihren müden Augen glänzte es, wie ein Schimmer alter, vergangener Freude.

      „Nun wird erst gegessen, und dann erzähle ich alles Nähere!“

      „Dürfen wir dabei sein, Vater?“

      „Gewiss. Wenn die Eltern über die wichtigsten Lebensbedingungen verhandeln, so können die Kinder zuhören und daraus lernen und Nutzen ziehen.“

      „Ganz recht, lieber Mann! — Wenn sie erkennen und sich zu Herzen nehmen, wie viel ernste Sorgen es uns macht, so viel Mäuler zu stopfen und alle in Ehren durchzubringen, so nehmen sie wohl das Leben mit aller Arbeit, welche es in jetzigen Zeiten selbst für Kinder mit sich bringt, recht ernst.“

      Mit leuchtenden Augen sass man im Kreise und sprach dem einfachen Mahle zu.

      Die Mutter wusste alles so schmackhaft zu bereiten, dass auch das einfachste noch gut schmeckte.

      In einem Blumenkasten Schnittlauch und Petersilie lieferte schon manch gutes Gewürz und sparte die teuren Zwiebeln, und als gar Michaela auf den guten Gedanken kam, Kresse auszusäen, da gab es manch leckeres Kränzchen um den Kartoffelsalat und mundete allen noch einmal so gut.

      Der Efeu in den grünen Kästen auf Direktors Balkon war vertrocknet, und neuer sollte nicht angepflanzt werden; da überliess man die Holzkisten freundlich dem siechen Kind, welches stets so gefällig in der Küche half.

      Es gab so viel langweilige Arbeit, welche sich alle gut im Sitzen verrichten liess, und zu welcher die Grossen nicht sonderlich Lust verspürten. Mit Geld zahlte man nicht gern; da gab es als Lohn Essen und hier und da ein Geschenk, wie die Holzkästen oder ein altes Hemd oder einen Unterrock, aus welchen immerhin noch Flicken für andere Kleidungsstücke geschnitten werden konnten.

      Wer hätte das alles früher gedacht, wo sie selber so manch altes Röckchen und Kittelchen verschenkt hatten und gar nicht ahnten, wie weh der Hunger und die Kälte tun! —

      Früher hatten die Eltern ein so hübsches Geschäft.

      Alles, was sie auf Malakademie und in den oberen Schulklassen brauchen: Pinsel, Farben aller Art, Malleinwand, Gliederpuppen zum Aktzeichnen, Vorlagen in Gips und Karton, Kohle, Kreide und Sikkativ, Leinöl und Staffeleien.

      Da kamen die jungen Damen und Herrn täglich und kauften, und die Familie Ebstorf hatte ein reichliches Auskommen und lebte glücklich und sorgenfrei.

      Der böse, schreckliche Krieg schuf bald einen traurigen Wandel.

      Anfänglich schmolz die Zahl der Käufer sehr zusammen, weil viele, fast die meisten Malakademiker unter die Fahnen eilten und auch viele Künstlerinnen die Paletten und Pinsel aus der Hand legten, um als Krankenpflegerinnen oder in sonstigen Wohlfahrtsveranstaltungen tätig zu sein.

      Da merkte man den Ausfall früherer Einnahmen schon gewaltig; und als ja die bittertrübe Stunde kam, wo der liebe Vater einberufen und in das Feld hinausgeschickt ward, da hub die Not vollends an.

      Die Mutter verstand nichts von dem Geschäft. Die Hilfe, welche der Vater noch in Gestalt eines jungen Seminaristen genommen, erwies sich als sehr trügerisch, denn der junge Mann war nicht ehrlich, und die Fehlbeträge in der Kasse mehrten sich in so erschreckender Weise, dass Frau Ebstorf den Seminaristen schleunigst entlassen musste.

      Dazu kam, dass die Zahl der Käufer täglich mehr zusammenschrumpfte, je unerträglicher sich die Not der Kriegsjahre gestaltete.

      Die teure Ladenmiete konnte nicht mehr aufgebracht werden, die kleine Wohnung, welche sich daran schloss, musste ebenfalls aufgegeben werden, aber so bescheiden, wie die Familie auch ein Unterkommen, vier Treppen hoch, in dem Fabrikviertel gefunden, so reichten die wenigen Zinsen ihres kleinen Vermögens doch nicht mehr aus, die rasend anwachsenden Unkosten zu decken.

      Und anstatt besser, wurden die Zeiten immer schlimmer, so greulich, dass sie kaum noch zu ertragen waren.

      Die Revolution schaffte auch keinen Wandel zum Bessern, und als der Vater gar als Invalide aus dem Feld heimkam und nirgends Arbeit, nirgends eine bezahlte Beschäftigung fand, da schien die Not am grössten zu sein.

      Mit ihr aber auch Gottes Hilfe am nächsten. Wo sollte noch Kleidung, wo noch Essen und Trinken für die Eltern und die fünf heranwachsenden Kinder herkommen? Werke der Barmherzigkeit und Wohltätigkeit reichten nicht mehr aus, um so viel über Wasser zu halten.

      Bis zum Erfrieren, bis zum Verhungern schränkte man sich ein! —

      Wenn auch der letzte Rest des kleinen Vermögens, der Spargroschen, noch aufgezehrt war, dann blieb kein Trost und keine Hilfe mehr.

      Da kam’s dem Vater plötzlich in der Nacht wie ein Traum.

      Er war wieder Soldat zu Friedenszeiten und lag in einem hübschen, grossen Bauernhof im Quartier.

      Der Besitzer war ein freundlicher Mann, mit welchem er sich gut stand. Es war zur Erntezeit; ein aufziehendes Gewitter bedrohte die Nachmahd.

      Obwohl es Sonntag war und die Felddienstübungen der letzten Tage grosse Ansprüche an die Kräfte