Der Mann aus Rio. Axel Rudolph. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Axel Rudolph
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711445068
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wirklich eine reine Weste hat, oder aber, daß er ein ganz großer Gauner ist, der sich unbedingt sicher fühlt. Gehen Sie doch mal zur Fremdenpolizei rüber, Hedekranz. Ich lasse um den Anmeldezettel der letzten Woche vom Hotel d’Angleterre bitten.“

      Zehn Minuten später liegt ein Stoß von rosafarbenen Meldezetteln vor dem Kommissar, der sie aufmerksam durchblättert. „Aha, hier haben wir ihn ja! Peter Bruhn, geboren am 18. Dezember 1902, Beruf Kaufmann, Staatsangehörigkeit Deutschland, angekommen am 25. April aus — oho!“ Dr. Holk rückt sich unwillkürlich zurecht und furcht die Stirn. — „Aus Rio de Janeiro? Sieh da! Ausgerechnet aus Rio. Aus dieser gesegneten Stadt stammt ja auch der gute Mann, den wir suchen, dieser Alfredo Soliz alias Baron Korff alias Marquis d’Aubainville und wie er sich sonst noch alles genannt hat.“

      Hedekranz macht ein bedenkliches Gesicht. „Nun, er muß ja nicht gerade auch ein Verbrecher sein, nur weil er aus Rio de Janeiro kommt, Herr Kommissar.“

      „Hab’ ich das gesagt? Um Gottes willen, Hedekranz, reden Sie keinen Zinnober. Sonst beschwert sich morgen noch die brasilianische Gesandtschaft über mich! Aber ein wenig merkwürdig ist das Zusammentreffen doch. Hm. Er lehnt die freundliche Offerte unseres Fräuleins Vinge höflich dankend ab, obwohl ihr Bildchen doch wirklich direkt zum Anbeißen ist. Finden Sie nicht, Hedekranz? Sie brauchen deshalb nicht rot zu werden, Fräulein Vinge. Wenn ein alter Junggeselle wie ich das sagt, so dürfen Sie’s schon glauben. Ja, hm — also er will nicht. Das kann unter Umständen bedeuten, daß er bereits mit Ware reichlich versehen ist. Wäre kein Wunder, denn auf seine verlockende Annonce haben sich sicher Dutzende von hübschen jungen Mädels gemeldet. Um so notwendiger, daß wir ihm ein bißchen auf die Finger sehen. Also — lieber Hedekranz — veranlassen Sie, daß die Fremdenpolizei heute noch unauffällig eine kleine Kontrolle im Hotel d’Angleterre veranstaltet und dabei sich auch den Paß dieses Herrn Peter Bruhn ansieht. Sie aber, Fräulein Vinge, müssen jetzt erst recht die Bekanntschaft dieses Herrn zu machen suchen. Glücklicherweise wissen wir ja nun, wo er zu finden ist. Also: Sie haben heute nachmittag dienstfrei und werden bummeln gehen. Und zwar ins Hotel d’Angleterre. Fragen Sie nach Herrn Peter Bruhn, und sagen Sie ihm, daß Sie auf seinen Brief hin kommen. Sagen Sie — hm, ja, das wird am besten sein! — sagen Sie, daß Ihr Bild dem Brief nicht beigelegen hat, und daß Sie es gern zurückhaben möchten. Und dann wickeln Sie Ihren ganzen einundzwanzigjährigen Liebreiz aus und den Mann aus Rio de Janeiro ein.“

      „Ins Hotel d’Angleterre?“ Ellen Vinge tanzt aufgeregt auf ihren Zehenspitzen. „Herr Doktor, heute ist der Achtundzwanzigste!“

      „Na, und?“

      Ellen Vinge lacht etwas verlegen. „Ich meine, man könnte in die Verlegenheit kommen, in dem feinen Hotel irgendeine Kleinigkeit genießen zu müssen, eine Tasse Kaffee oder so ...“

      „Verstehe!“ Dr. Holk lacht. „Und Sie haben kein Geld am Monatsende. Na, das geht auf Staatskosten. Hier ist ein Zehnkronenschein. Gehen Sie sparsam um mit den öffentlichen Mitteln, Kindchen, und ... Herrgott noch mal!“ Dr. Holk klatscht sich plötzlich heftig mit der flachen Hand vor die Stirn. „Nun haben wir doch einen Blödsinn gemacht! Wenn der Mann wirklich der ist, den wir suchen, dann hat er sich natürlich vorsorglich nach den Opfern, an die er geschrieben hat, erkundigt, und dann hat er wahrscheinlich längst schon erfahren, daß die Briefschreiberin Ellen Vinge Stenotypistin im Polizeipräsidium ist. Daher auch vielleicht die Absage!“

      „Wieso?“ Ellen Vinge lacht unbekümmert. „Ich hab’ doch unter den Brief den Namen und die Adresse meiner Freundin Lisa gesetzt, die bei der Transozean-Companie arbeitet. Und der Lisa hab’ ich gesagt, daß ich aus Jux unter ihrem Namen auf ein Heiratsinserat geschrieben hab’!“

      „Alle Achtung! Das war gescheit von Ihnen! Also dann los ins Hotel d’Angleterre! Angst brauchen Sie nicht zu haben. Frau Kjär wird sich ganz in der Nähe des Hotels zur Verfügung halten. Sollte der Herr Südamerikaner unverschämt werden, so brauchen Sie nur — Ihre Tante zu rufen. Verstanden?“

      Kommissar Holk sieht dem Mädchen nach, das eifrig und in froher Erregung aus der Tür wirbelt.

      „Brauchbar! Sehr brauchbar, die kleine Vinge. Das Mädel hat schon allerhand bei uns gelernt!“

      3. Kapitel

      „Sie sind ein Kavalier, Herr Bruhn! Aber wollen Sie nicht das Angenehme mit dem noch Angenehmeren verbinden? Ich kann Ihnen die Bekanntschaft mit Damen vermitteln, die nicht nur allen Ihren Anforderungen in geradezu idealer Weise genügen, sondern noch dazu äußerst gut situiert sind. Da ist eine junge österreichische Dame, deren Eltern — Exzellenzen, Herr Bruhn! — hier im Exil leben, aber gottlob ihr großes Vermögen mit herübergerettet haben, eine amerikanische Millionärin, großjährig, über ihr Vermögen verfügungsberechtigt, eine entzückende junge Witwe aus unsern besten Kopenhagener Kreisen — nun, das kommt wohl für Sie nicht in Frage —, ein Bijou von einer kleinen französischen Komtesse, eine ...“

      Peter Bruhn sieht sich verzweifelt um. Drei Viertelstunden lang redet die würdige Dame nun schon im Vestibül des Hotels auf ihn ein. Und dabei kann man diese Frau von Gejerstramm doch nicht einfach stehen- oder sitzenlassen, denn diese Matrone sieht mit ihrem weißen Scheitel und dem würdigen, mütterlichgütigen Gesicht fast ehrfurchtgebietend aus. Peter Bruhn ist gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß diese distinguierte alte Dame, die ihn vorhin, als er durch die Halle kam, mit einem lächelnden „Herr Bruhn, nicht wahr?“ angesprochen hat, eine gewerbsmäßige Ehevermittlerin sein könnte.

      Zum fünften Mal macht Peter Bruhn einen Ansatz, sich zu erheben und das nutzlose Gespräch zu beenden. „Es hat wirklich keinen Sinn, gnädige Frau, daß wir ...“

      Die gepflegte, gutgeformte Hand der alten Dame legt sich vertraulich auf seinen Arm und zwingt ihn sitzenzubleiben. Ein freundliches Lächeln steht auf dem Matronengesicht. „Ich verstehe, lieber Herr Bruhn. Sie sind noch ein wenig befangen in den alten Vorurteilen, nicht wahr? Ehevermittlung, Heiratsbüro — fi donc! Unsere Kinderstube hat uns das so gelehrt. Ich begreife das vollkommen. Aber glauben Sie mir, es ist ein sehr törichtes Vorurteil. Sie haben selber, da Sie ohne Verbindungen hier sind, den Weg einer Zeitungsannonce beschritten. Ist es da nicht durchaus vernünftig, wenn Sie sich für die weitere Entwicklung einer erfahrenen und verbindungsreichen Frau anvertrauen? Ich hoffe, Sie trauen mir strengste Reellität und guten Willen zu. Ich will Sie ja nicht“ — die Matrone lächelt verzeihend — „unter die Haube bringen. Gott behüte! Ob sich ‚das Herz zum Herzen findet‘, das müssen Sie allein entscheiden. Meine Aufgabe ist nur, Ihnen die Bekanntschaft passender Partien zu vermitteln, diskret, taktvoll, ohne jede Verbindlichkeit. Es ist nicht anders, als ob Sie durch eine ältere Dame Ihrer Bekanntschaft auf einer Soiree oder bei einem Tanztee irgendeiner hübschen Frau vorgestellt werden. Nur haben Sie dabei den Vorteil, sofort über die Verhältnisse der Dame genau und wahrheitsgetreu informiert zu sein.“

      „Gewiß, aber ...“ Peter Bruhn sucht verzweifelt nach einer Wendung, um die Dame auf gute Manier loszuwerden. Aber Frau von Gejerstramm läßt ihm keine Zeit zum Nachdenken.

      „Sie haben keine Ahnung, lieber Herr Bruhn, wieviel Menschen auf diese Weise ihr Glück gefunden haben! Ich bin Partei in diesem Falle. Ich verlange nicht, daß Sie mir glauben sollen. Aber fragen Sie meine Klienten! Da ist zum Beispiel Graf Löwenclou, Premierleutnant bei der Garde, der seine junge Frau, die Tochter des Etatsrats Holgersen, durch mich kennengelernt hat. Oder die Baronin Rentz! Oder der junge, berühmte Bildhauer Leonhard! Fragen Sie nur die Herrschaften, und Ihre Vorurteile werden sofort schwinden. Sehen Sie da drüben die Dame in dem dunkelgrünen Tailormade? Dort in der Ecke neben dem Blumenarrangement! Wie gefällt sie Ihnen?“

      Bruhn läßt flüchtig seine Blicke hinüberwandern.

      „Eine sehr interessante Erscheinung, gnädige Frau, aber ...“

      „Achthunderttausend in bar! Dollar, mein Herr!“ sagt Frau von Gejerstramm andächtig. „Grande dame! Untadelhafte Vergangenheit! Nein, nein, ich will Sie nicht mit der Dame bekannt machen! Ich weiß, Sie suchen einen ganz anderen Typ. Wollte Ihnen nur eine meiner Klientinnen zeigen. Sie wird sich in allernächster Zeit glücklich verloben. Mit dem jungen Herrn, der neben