Für immer Deine
Rita xxxxxx
Tränen strömten über Maes Gesicht. Zuerst hatte der Mann, den sie liebte, sie verlassen, und jetzt war ihr Kind, ihr Fels, seinem Beispiel gefolgt. Die Schmerzen gingen in Zorn über. Ein stundenlanges Selbstgespräch mit einer Schimpftirade des Selbstmitleids setzte ein. „Mein einziges Kind ist von mir gegangen“, schrie sie hysterisch. Als sie Großmutter Gianfrancesco und Onkel Pete den Brief zeigte, schlossen sie sich Maes wildem Gebaren an und waren beide außer sich.
„Es war, als wäre ich gestorben“, erläuterte Mutter Angelica. „Man erzählte sich, dass man meine Mutter auf der ganzen Straßenzeile schreien hörte. Sie rannte die Straße hinunter und wollte den Pfarrer aufsuchen, weil sie vermutete, ich hätte von ihm den Taufschein und die Geburtsurkunde bekommen. Der Pfarrer bejahte dies, machte aber meiner Mutter verständlich, dass er es nicht als seine Aufgabe betrachtet hätte, meiner Mutter meinen Entschluss mitzuteilen.“
In den darauffolgenden Monaten kam bei Mae immer ein tiefes Gefühl der Enttäuschung und der Wut auf, wenn sie an Rita dachte. Freunden erzählte sie, dass Rita „undankbar“ gewesen sei und sie „mutterseelenallein“ zurückgelassen habe.
Eine äußerst strenge Lebensweise
Am Abend des 15. August 1944 schritt Rita von der Euclid Avenue in Cleveland in die Dunkelheit des Klosters St. Paul von der Ewigen Anbetung hinein. Innen wurde sie angewiesen, sich vor der riesigen Holztüre zur Klausur niederzuknien. Dann öffnete sich das Portal zu ihrem neuen Leben. Dort, auf dem dämmrigen Flur, der durch einige paar Glühbirnen beleuchtet war, standen sich Mutter Mary Agnes, Mutter Mary Clare und die anderen Ordensschwestern in zwei Reihen gegenüber. Die Schleier verdeckten die einzelnen Nonnen. Als Rita sich wieder erhoben hatte, wandten sich die Schwestern dem Innenbereich des Klosters zu und geleiteten sie singend zur Kapelle. Diese Zeremonie mit ihrer Feierlichkeit erschien Rita überirdisch und erfüllte sie mit Staunen. Sie war begeistert. Schon bald sollte sie zu einer Gefangenen der göttlichen Liebe werden, zu einer Franziskanerin vom Allerheiligsten Altarsakrament.
Der französische Orden der Armen Klarissen wurde 1854 von Pater Bonaventure Heurlaut und Joséphine Bouilleveaux (der späteren Mutter Marie de St. Claire) gegründet. Pater Bonaventure, ein eifriger Priester, stellte sich einen religiösen Orden vor, der sich der Anbetung Jesu Christi im Allerheiligsten Altarsakrament widmen sollte. (Gemäß der katholischen Glaubenslehre ist die konsekrierte Hostie, das Sakrament der Eucharistie, das auch „Allerheiligstes Altarsakrament“ oder einfach „Allerheiligstes“ genannt wird, kein Symbol, sondern tatsächlich Leib, Blut, Seele und Gottheit Christi). Pater Bonaventure fehlte jedoch noch eine weibliche Superiorin. Als er die älteste Tochter des Bürgermeisters von Maizières, Joséphine Bouilleveaux, kennenlernte, hatte er seine Gründerin gefunden.
Bouilleveaux war bekannt für ihren starken Willen. Wie auch Pater Bonaventure hörte sie Stimmen und empfing Botschaften von Gott. Gemeinsam gründeten sie am 8. Dezember 1854 in einer Pariser Wohnung den Orden der Schwestern der Unbefleckten Empfängnis. Der Orden verdankt seinen Namen dem Dogma der Unbefleckten Empfängnis, das genau am selben Tag von Papst Pius IX. verkündet worden war. Dieses Dogma legt fest, dass die Jungfrau Maria von der Empfängnis an von jedem Makel und von jeder Sünde bewahrt blieb. Zur Ehre der Jungfrau Maria nannte sich Bouilleveaux jetzt Schwester Marie de St. Claire und weihte sich und alle ihre zukünftigen Töchter der Gottesmutter. Sie bestimmte, dass fortan jede Nonne des Ordens den Namen Maria annehmen sollte.
Schließlich zogen die Schwestern nach Troyes in Frankreich um. Unter dem Patronat des Ortsbischofs errichteten sie dort ein festes Kloster und bezeichneten sich nun als Franziskanerinnen vom Allerheiligsten Altarsakrament. In der Tradition des hl. Franziskus und der hl. Klara von Assisi pflegte der Orden einen starken Glauben und ein kindliches Vertrauen auf Gott in allen Dingen.
Unter der Oberin Mutter Marie de St. Claire bestand die Mission des Ordens in der immerwährenden Danksagung und Anbetung des Allerheiligsten Altarsakraments, um für die Undankbarkeit der Menschheit Gott gegenüber Wiedergutmachung zu leisten. Ein Schritt, der noch eine besonders große Bedeutung für Mutter Angelica bekommen sollte, war die Erhebung des Ordens zu einem Päpstlichen Institut durch Papst Pius IX. am 15. September 1868. Seit dieser Zeit war dieser religiöse Orden nur noch dem Heiligen Stuhl in Rom unterstellt.
Vom Mutterhaus in Frankreich aus wurde von Mutter Marie vom Kreuz ein neues Kloster in Polen und später in Wien in Österreich aufgebaut. Mutter Marie vom Kreuz starb 1906, kurz nachdem sie an der Feier teilgenommen hatte, bei der eine österreichische Nonne namens Schwester Maria Agnes die ewigen Gelübde abgelegt hatte. 1921 überquerte diese Nonne den Ozean und begründete den ersten amerikanischen Zweig des Ordens in Cleveland in Ohio.
Es war dieselbe Nonne, nunmehr Mutter Mary Agnes genannt, die in der Kapelle in Cleveland, deren Decke aus Mahagonibalken gefertigt war, im Sommer 1944 Ritas Versprechen, den Franziskanerinnen beizutreten, entgegennahm.
Im Anschluss an die Zeremonie führte Schwester Veronica, die Novizenmeisterin, die so leise sprach, als würden Engel ihre Gespräche belauschen, Rita in das im zweiten Stockwerk gelegene Noviziat. Hier sollte Rita, abgeschlossen von der größeren Gemeinschaft, als Postulantin herausfinden, ob das klösterliche Leben für sie das Richtige wäre.
Traditionsgemäß war eine Frau in einem Orden sechs Monate lang Postulantin. Nach dieser Zeit wurde sie Novizin, wurde eingekleidet und bekam einen neuen Namen. Noch später, wenn feststand, dass sie das Leben aushielt, erlaubte man der Schwester, die zeitlichen Gelübde abzulegen. Mit Zustimmung der Nonnen, die ihre ewigen Gelübde bereits feierlich abgelegt hatten, wurden die Gelübde dann drei Jahre lang jedes Jahr durch die Anwärterin erneuert. Dann konnten die Schwestern nach sechs Jahren ihre ewigen Gelübde ablegen. Ein solcher Prozess war anstrengend. Rita hatte damit von Anfang an Probleme.
Der normale Alltag im Kloster St. Paul erlaubte nur wenig Abwechslung. Die Nonnen hielten einen strengen Zeitplan ein, um die täglichen Chorgebete zu verrichten. Diese wurden viermal täglich gesungen, zwei