Adoptivkind Michaela. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия: Michaela
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711719572
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sich tief über ihren Tee und tat, als ob sie ihn nicht bemerkt hätte.

      »Hallo, Micky«, sagte Gregor.

      Michaela hob den Kopf. »Ach, du bist es.«

      Der junge Mann durchschaute ihr Theater sofort. »Nun sag bloß, du hast noch ein paar andere Herren herbestellt«, lächelte er und setzte sich neben sie.

      »Greg — etwas ganz Scheußliches ist passiert … Gestern abend haben mich meine Eltern erwischt.«

      »Oje! — wieso denn?«

      »Vielleicht war es blöd von mir — aber ich bin noch mal ’runtergegangen ins Wohnzimmer … Ich hatte das Gefühl, daß sie mein Wegbleiben bemerkt hatten.«

      »Und?«

      »Sie waren im Bilde.«

      Die beiden jungen Leute schwiegen, während die Serviererin den Tee für Gregor brachte.

      »Das schlimmste ist«, sagte Michaela, »meine Eltern sind gar nicht meine Eltern.«

      »Wie kommst du denn darauf? Haben sie dir das gesagt?«

      »Ich habe es ganz zufällig gehört. Bevor ich zu ihnen ins Zimmer ging.«

      »Hast du sie denn gefragt, und was haben sie dir erwidert?«

      »Sie tun so, als ob ich mich verhört hätte.«

      Gregor zündete sich eine Zigarette an. In seinen Augen stand freundlicher Spott.

      »Du glaubst mir nicht?«

      »Nein, das ist doch Irrsinn. Wenn sie wirklich nicht deine Eltern wären, warum sollen sie es dir dann nicht sagen?«

      »Ich weiß es nicht«, sagte sie zögernd.

      »Aber ich weiß es. Das ganze ist Quatsch … Hast du mich etwa nur herbestellt, um mir diesen Unsinn zu erzählen?«

      »Natürlich nicht — sie haben mir verboten, dich zu treffen. Sie tun so, als wäre es wegen der Schule. Aber in Wirklichkeit …« Sie stockte.

      »Na?«

      Michaela errötete. »Es ist deshalb, weil du schon zwanzig bist … Und kein Schüler mehr … Du weißt, was ich damit meine.«

      »Aber das ist doch Unsinn, daß wir — etwas miteinander haben.«

      »Red du es ihnen doch aus!«

      »Das werde ich auch.«

      »Sie glauben, wir treiben uns ’rum … Du darfst ihnen deshalb nicht sagen, daß wir im ›Rock ’n’ Roll‹ waren. Auch nicht, daß wir schon öfter zusammen aus waren. Ich wollte gar nicht lügen, aber sie waren so aufgeregt.«

      »Schade, du hättest ihnen alles erklären sollen.«

      »Zu spät. Jetzt müssen wir dabei bleiben.«

      Greg drückte seine Zigarette aus. »Dann geht es nicht.«

      »Wieso?«

      »Du glaubst doch nicht, daß ich deine Eltern anlügen werde?«

      »Warum denn nicht?«

      »Micky, nimm endlich Vernunft an … Ich kann nicht zu ihnen hingehen und sagen: ›Mir könnt Ihr Eure Tochter ruhig anvertrauen, ich werde schon auf sie aufpassen‹, wenn ich im gleichen Atemzug lüge?«

      »Eltern wollen es nicht anders, Greg. Glaub es mir.«

      »Egal. Ich kann es nicht.«

      »Greg«, sagte Michaela und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Hast du mich eigentlich lieb?«

      »Ja.«

      »Dann ist ja alles gut. Wir werden uns also weiter treffen. Ich muß in Zukunft bloß vorsichtiger sein.«

      »He«, erwiderte Greg, »so geht das nicht … Natürlich ist nichts dabei, wenn wir zusammen tanzen gehen. Im Grunde haben deine Eltern doch recht. Du bist noch zu jung für so was.«

      »Auf einmal?«

      »Gar nicht auf einmal. Ich habe mir das schon oft gedacht.«

      »Aber gesagt hast du es mir bisher noch nie. Du hast jetzt einfach Angst, sie könnten uns erwischen, und mein Vater würde zu deinem Alten gehen oder zu deiner Bank, oder was weiß ich. Das ist alles.«

      »Denk, was du willst«, Gregor stand auf. »Machen wir uns doch nichts vor, die Kiste ist verfahren. Das Beste wird sein, wir lassen Gras darüber wachsen. In zwei Monaten oder drei sieht die Geschichte schon ganz anders aus.«

      »Drei Monate? Greg, das halte ich nicht aus.«

      »Du wirst, Micky«, lächelte er. »Wenn du dich richtig hinter deine Schularbeiten kniest, wirst du nicht einmal mehr Zeit haben, an mich zu denken.«

      »Du bist gemein, Gregor … Oh, bist du gemein. Wenn ich deine Freundin gewesen wäre — so richtig deine Freundin, hättest du sicherlich nicht so zu mir gesprochen.«

      Michaela stand hastig auf. Sie rannte zum Ausgang

      Sie verließ nicht nur das Lokal. Sie verließ Greg.

      Sie war fertig mit ihm …

      Als Michaela nach Hause kam, achtete sie nicht mehr darauf, ob die Haustür laut oder leise hinter ihr ins Schloß fiel. Sie war so verzweifelt, daß ihr alles gleichgültig geworden war. Sie erschrak nicht einmal, als sie in der Diele ihren Eltern, die zum Kaffeetrinken heruntergekommen waren, geradewegs in die Arme lief.

      Isabellas Augen wurden dunkel vor Enttäuschung, als sie ihre Tochter sah: »Michaela, du hast uns doch versprochen …« Erhard Schneider packte seine Tochter beim Handgelenk: »Wo bist du gewesen?«

      Michaela blickte an ihren Eltern vorbei, als wären sie Fremde. Nach einer kleinen Pause, in der sie sich bemühte, ihre Stimme in die Gewalt zu bekommen, sagte sie tonlos:

      »Ich habe mit Gregor Schluß gemacht.«

      Sofort ließ Erhard Schneider sie los.

      Isabella sagte erleichtert: »Michaela … Ich habe ja gewußt, daß du ein vernünftiges Mädchen bist.«

      Sie wollte ihre Tochter in die Arme schließen. Doch Michaela wich vor ihr zurück, wandte sich ab und ging schnell die Treppe hinauf. Die Eltern hörten, wie die Tür ihres Zimmers hinter ihr ins Schloß flog. Sie hörten, wie Michaela den Schlüssel zweimal umdrehte.

      »Michaela«, rief ihre Mutter und wollte ihr nach. »Laß das, Isa«, sagte Erhard Schneider und legte seinen Arm um ihre Schulter. »Du siehst doch, sie ist ganz durcheinander … Wir müssen ihr jetzt Zeit lassen. Glaub mir, es wird alles gut werden.«

      Noch nie in seinem Leben sollte sich Erhard Schneider so geirrt haben …

      Zwar sah es in den nächsten Tagen ganz so aus, als wenn alles wieder in Ordnung gekommen wäre. Schneiders richteten es so ein, daß wenigstens Isabella jeden Abend frühzeitig nach Hause kam, damit sie sich um ihre Tochter kümmern konnte.

      Michaela schien ganz verwandelt. Mit überraschender Energie stürzte sie sich in ihre Schulaufgaben. Das Benehmen den Eltern gegenüber war höflich, wenn auch etwas kühl. Sie schien Gregor vollständig vergessen zu haben.

      Wenn Isabella vorsichtig versuchte, dieses Thema zu berühren, wich sie sofort aus.

      »Das ist doch jetzt ganz uninteressant, Mutter.«

      Sie kam jeden Tag von der Schule ohne Umweg nach Hause. Und wenn sie angerufen wurde, waren es Klassenkameradinnen, die ihre Aufgaben mit Michaela besprechen wollten.

      Ihr Vater strahlte. Für ihn war die Schlacht bereits gewonnen, hatten seine Erziehungsmaßnahmen die besten Erfolge gezeitigt.

      Nur Isabella betrachtete das Betragen ihrer Tochter mit Besorgnis. Sie konnte ein Gefühl des Unbehagens nicht loswerden. Michaelas Verschlossenheit erschreckte sie. Ihre Freudlosigkeit tat ihr weh.

      Schließlich