Marie Louise Fischer
Ahoi, liebes Hausgespenst
Illustriert von brigitte smith
SAGA Egmont
Ahoi, liebes Hausgespenst
Ahoi, liebes Hausgespenst (Band 7)
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof A/S
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)
Originally published 1981 by F. Schneider, Germany
All rights reserved
ISBN: 9788711719695
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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Nächtlicher Zwischenfall
Monika erwachte mitten in der Nacht.
Das war für sie nichts Ungewöhnliches, denn allzuoft pflegte ihr Freund Amadeus sie aus dem Schlaf zu reißen. Sie war also nicht weiter erstaunt.
Aber heute war alles anders als sonst. Erstens lag sie nicht in ihrem eigenen Zimmer, sondern, wie sie feststellte, als sie sich die Augen gerieben hatte, in einer Kabine. Zweitens war sie nicht allein, denn im Bett auf der anderen Seite des kleinen Klapptisches schlief Ingrid, ihre beste Freundin. Durch das Bullauge fiel weißes Mondlicht und ließ Monika jede Einzelheit erkennen.
Schlagartig fiel ihr alles wieder ein. Sie hatte bei einem Preisausschreiben der Abendzeitung eine Kreuzfahrt für zwei Personen in die Karibik gewonnen. Da Ingrid ihr beim Lösen des Rätsels geholfen hatte, war es auch Ingrid, die sie mitgenommen hatte. Aber eigentlich war das nur ein Vorwand gewesen, denn sie hatte eben lieber mit Ingrid verreisen wollen als mit ihrer Mutter oder gar Liane, ihrer großen Schwester. Da sie doch nicht ganz allein fuhren – Norbert Stein, ihr Freund und Klassenkamerad, und seine Eltern waren mit von der Partie–, hatte Monika ihren Willen durchsetzen können.
Das einzige Problem war Amadeus gewesen. Amadeus war nämlich kein gewöhnlicher Junge, sondern ein Gespenst, das im Haus am Seerosenteich, das Monika mit ihren Eltern bewohnte, zu spuken pflegte. Als sie dort eingezogen waren, hatte er sich so wild gebärdet, soviel Krach und dumme Streiche gemacht, daß die Familie fast wahnsinnig geworden war. Besonders die Mutter, die sich morgens allein im Haus aufhielt, hatte geglaubt, es nicht länger aushalten zu können. Aber Monika war es gelungen, die Freundschaft des Gespenstes zu gewinnen und es zu bändigen.
Aber sie hatte nicht gewagt, Amadeus zu Hause zu lassen, während sie verreiste – wer wußte, was er bei der Gelegenheit wieder alles anstellen würde! So hatte sie ihn überredet, mitzukommen, und es war ihr auch gelungen, ihn in einem gut verschlossenen Katzenkörbchen, auf das sie und ihre Freunde mit unsichtbarer Tinte Hunderte von frommen Sprüchen angebracht hatten, aus dem Bannkreis des Hauses zu bringen.
Jetzt war Amadeus mit ihr hier auf dem Schiff.
Aber wo war er? In der Kabine sicher nicht, denn es war sehr heiß hier drinnen, und wo Amadeus auftauchte, pflegte es kühl Zu werden. Der Deckel des Katzenkorbes stand offen; er war leer.
Monika sah auf ihren kleinen Reisewecker; es war zwölf Uhr. Geisterstunde. Sie erschrak. Vielleicht war Amadeus gerade im Begriff, etwas Furchtbares anzustellen!
Aber sofort beruhigte sie sich wieder. Amadeus hatte sich bestimmt nicht so schnell an die veränderte Uhrzeit gewöhnt. Er wußte sicher gar nicht, daß es Mitternacht war.
Rasch rechnete sie nach. Zu Hause war es jetzt sechs Uhr früh. Deshalb war sie wahrscheinlich wach geworden. Sie war es gewohnt, um diese Zeit aufzustehen, um noch vor dem Frühstück Bodo, ihr altes Pferd, zu versorgen und Kaspar, den großen, bernhardinerartigen Hund, der eigentlich ihrem Bruder Peter gehörte.
Als sie sich vorstellte, daß in Oberbayern, ihrer Heimat, jetzt schon die Sonne aufgegangen war und die Vögel um das Haus zwitscherten, hielt sie es nicht länger im Bett. Sie warf die dünne Decke ab, stand auf und überschritt die hohe Schwelle zum Waschraum, um sich frisch zu machen. Die Gummibänder, mit denen sie nachts ihr glattes rotes Haar bändigte, damit es sich nicht zu sehr verwirrte, löste sie und kämmte das Haar durch. Es fiel ihr bis auf die Schultern. Sie schlüpfte in ihre Jeans und einen Pulli und verließ lautlos und barfuß die Kabine.
Wenn sie gedacht hatte, daß alle auf der Wassermann, so hieß der Kreuzer, schon schliefen. – außer den Wachhabenden natürlich –, so hatte sie sich geirrt. Der Speisesaal lag zwar im Dunklen, aber aus dem Bauch des Schiffes klang Musik und Gelächter herauf. Dort lag die Diskothek, in der es anscheinend hoch herging.
Monika aber lief nach oben. Auch im sogenannten Constellation-Room, dem großen, eleganten Aufenthaltsraum, saßen noch Gäste und ließen sich von den Stewards bedienen. Allerdings hatte die Kapelle, die hier abends aufspielte, ihre Instrumente schon eingepackt. Wer nach zehn Uhr noch tanzen wollte, erfuhr Monika in den nächsten Tagen, mußte sich hinunter in die Diskothek begeben.
Die meisten Passagiere, teils elegant, teils salopp gekleidet, drängten sich auf dem Patio, einem zum Deck mit dem Schwimmbecken weit geöffneten Raum. Monika fiel ein, daß hier jetzt das Mitternachtsbüfett geöffnet war. Sie schlüpfte an den Erwachsenen vorbei, schnappte sich eine gebratene Hühnerkeule und kletterte weiter zum Oberdeck hinauf. Ganz vorn am Bug, neben der Brücke, das wußte sie, würde sie die schönste Aussicht haben.
So war es auch. Das Meer, der Atlantische Ozean, dehnte sich endlos weit vor ihr aus. Die Wellen waren so regelmäßig, daß sie im Mondlicht wie gegossenes Metall wirkten. Noch nie hatte sie die Sterne so groß und nah gesehen.
Das Gefühl der Freude und der Freiheit war so stark, daß es fast schmerzhaft war. Sie fürchtete, es könnte ihr die Brust sprengen.
Als jemand sie von der Seite ansprach, schrak sie zusammen. Sie hatte geglaubt, allein zu sein – bis auf den Zweiten Kapitän und einen Matrosen, die auf der verglasten Brücke navigierten, natürlich.
Neben Monika stand ein großer Junge, dessen Gesicht im Mondlicht sehr weiß wirkte; seine Augen und sein Haar waren schwarz. „Don’t you understand?“ fragte er.
„Nein!“ Monika warf ihr abgenagtes Hühnerbein über Bord. „Ich kriege erst nächstes Jahr Englisch.“
„Macht nichts, dann sprechen wir eben Deutsch.“
„Wenn du Deutsch kannst, warum hast du mich dann auf englisch angequatscht?“
„Ich dachte, du wärst Irin. Du siehst nämlich so aus.“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich bin Ire.“
„Und woher sprichst du dann Deutsch?“
„Ich gehe auf ein deutsches Internat.“
„Und warum? Warum nicht auf ein englisches College? Die sollen doch so gut sein.“
„Mein Vater mag die Engländer nicht besonders.“
„Ach so.“
„Ich heiße übrigens Brian!“ Als er es aussprach, klang es wie „Breien“, er fügte aber gleich hinzu: „Wird Brian buchstabiert.“
„Ich heiße Monika.“
„Nett, dich zu treffen. Ich dachte schon, es wären lauter alte Leute