»Sprich dich aus, Schwester des Meeres.« Durchaus interessiert hebt Triel die Augenbrauen. Sie ist gefährlich, man darf sie nicht unterschätzen. Mein ganzer Körper ist wachsam und angespannt.
»Lass deine Spielchen, Triel. Sie ist gerade nicht sie selbst und geschwächt. Sie ist durch einen Trank geblendet, ein fauler Zauber. Sie ist die meine, ich der ihre. Es besteht keine Hoffnung für dich, sich mit uns zu paaren. Heute nicht und an keinem anderen Tag.«
»Langweiliger Elb!« Sie schmollt, jedoch nicht lange. »Beschreibe den Trank!«
Ich schiebe Alice hinter mich, schütze sie mit meinem Körper. Auch wenn ich Triel kenne, Nixen sind nie harmlos und ihr neugieriger Blick behagt mir nicht. Ich bin vor geraumer Zeit dabei gewesen, als sie ihren Opfern die Haut vom Körper gerissen haben, mit ihren Zähnen bei lebendigem Leib. An ihren Fingern klebt mehr Blut als an meinem Schwert. Sie tötet aus purem Vergnügen, das unterscheidet uns. »Er blockierte Teile ihrer Erinnerung, lässt hingegen bereits nach. Wie du siehst, es gibt nichts für dich zu holen«, erläutere ich sachlich. »Was machst du hier, Triel, außer dich an unserem Leid zu laben?«
»So unfreundlich? Tsss … Spitzohrprinz … Lerne, dich zu beherrschen, oder ich lasse dich zurück und rette nur sie. Es wäre zwar eine Verschwendung, aber … Ich ziehe es in Erwägung.«
»Du willst uns retten? Zu welchem Preis?« Ich bin äußerst achtsam, Nixen leisten keine Gefälligkeiten. Niemals! Sie sind einzig auf ihr eigenes Wohl aus.
»Wir haben Alice ein Angebot zu machen, es würde selbst dich aus dieser misslichen Lage befreien.«
»Wie lautet das Angebot?« Ohne zu erfahren, wie hoch der Preis für diese Rettung ist, werden wir dem Handel nicht zustimmen. Ich beobachte mein Gegenüber genau, jede noch so kleine Regung ihres Gesichtes.
»Das, mein lieber Prinz, wird euch Jade erklären, denn sie wartet auf dich und deine kleine Halbnixe.« Wieder lächelt sie Alice an. Allerdings wirkt dieses Lächeln nicht echt, sondern aufgesetzt. Es verursacht mir eine Gänsehaut. Nein, Triel hat Pläne und hier läuft etwas im Hintergrund. Wir dürften diesem Handel nicht akzeptieren, das weiß ich ganz sicher. »Aber vorher will ich dir helfen, statt mich an deinem Leid zu erfreuen, Prinz der Elben. Ich habe heute einen großzügigen Tag.«
Alice greift nach meiner Hand, als Triel sich aus dem Wasser hebt, die lange Flosse wird dabei zu zwei langen schlanken Beinen. Das Wasser perlt an ihnen ab, tropft vor ihren Beinen auf den Stein. Ich stehe ebenfalls auf, überrage dabei die Nixe um mehr als einen guten Kopf, wie ich befriedigend feststelle und eisig auf sie hinabblicke. »Du kannst die Flossen einfach gegen Beine tauschen und laufen? Ich habe immer gedacht, es nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch, um dies zu können.« Ich bin beileibe überrascht. Das zeigt abermals, wie listig sie sind.
Sie legt den Finger auf ihren Lippen. »Psst … Es gibt Dinge, über die sollte man nicht sprechen. Geheimnisse gibt man nicht preis. Tarnung, Täuschung – auch du kennst das, Hoheit. Also schweige, sonst muss ich dich töten. Es bietet uns Schutz. Wir werden oft unterschätzt, da man denkt, wir sind nur im Wasser gefährlich. Dabei können wir ohne Probleme des Nachts euch die Kehle durchschneiden, wenn uns danach beliebt. Vergiss das nie, wenn du an einem Gewässer rastest. Ich offenbare mich auch nicht dir, Prinz, sondern ihr, meiner Schwester. Sie ist ein Teil von uns. Ihr steht es zu, dies zu wissen, ehe sie eine Wahl trifft.« Eine Wahl? Wovon redet sie? Meine Augen verengen sich zu Schlitzen. Sie schreitet auf Alice zu, reicht ihr die Hand. »Stehe auf, Tochter des Meeres! Ich werde dir helfen.«
»Ich …«, zögert Alice, schaut mich an. Sie traut Triel ebenso wenig wie ich. Unsicherheit blitzt in ihren Augen auf.
»Was hast du vor Triel? Was wird es uns kosten?«, verlange ich nochmals, zu erfahren. Alice steht mit zittrigen Beinen auf, ich stütze sie achtsam. Sie muss sich ausruhen, heilen. Das alles ist zu viel für ihren geschwächten Körper.
»Schweig, Elb! Dies geht nur uns Schwestern etwas an.« Sie legt den Kopf schief. In ihren nassen Haaren klimpern Muscheln, die dort eingearbeitet sind.
»Hüte deine Zunge, Nixe«, mahne ich sie, woraufhin sie erbost in meine Richtung faucht, ehe sie den Blick zu Alice richtet. Alice streicht sich ihr Haar aus dem Gesicht, während ich mich hinter sie stelle und meine Hand auf ihr Kreuz lege, damit sie weiß, dass ich da bin. Und nicht nur das, ich bin bereit, jederzeit einzuschreiten.
»Ich werde ihren Körper reinigen. Sie muss bei vollem Verstand sein, wenn sie sich für uns entscheidet«, teilt Triel mir kryptisch mit, was mir nicht gefällt, daher runzle ich Stirn provokativ.
»Keine falschen Spielchen, mein Schwert funktioniert einwandfrei«, lasse ich Triel trocken wissen, was sie mit einem Zischen und gefletschten Zähnen kommentiert. Soll mir dies Angst machen? Wenn ja, hat sie keinen Erfolg. Ihr Kopf würde schneller auf dem Grund des Meeres landen, als sie bis drei zählen kann.
»Du wagst es, Elb?«, knurrt sie aufgebracht. Das hinterfragt sie noch? Ich wäre durchaus gewillt, weitaus mehr zu riskieren, um Alice zu schützen, daher umgreife ich mein Schwertknauf herausfordernd und weiche Alice nicht von der Seite.
»Es ist okay, Crispin«, haucht Alice, strafft dabei ihre Schultern. Sie hat eine Entscheidung getroffen, die mir vermutlich nicht gefallen wird. »Meine Mutter, sie ist wie du gewesen, oder? Eine Nixe. Jedenfalls habe ich das gehört.«
Triel nickt. »Lass mich die Reste des Giftes, welches dich verwirrt, entfernen, Schwester. Danach offenbare ich dir, weshalb ich hier bin. Öffne deinen Mund.«
»Was …«, setze ich an, um etwas zu fragen, doch Triel hält die Hand hoch und verlangt offensichtlich, dass ich schweige. Sie beugt sich vor, bis ihr Mund genau vor Alice‘ Lippen verweilt.
Triel mustert sie. »Mund auf!« Zögernd kommt Alice ihrer Aufforderung nach. Triel legt ihre schlanken Hände, mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern, an ihre Wangen an und schließt die Augen. Das Meer um uns herum scheint kurz still zu stehen, ehe die Nixe tief einatmet. Alice verkrampft sich,