Jerry Cotton
Privatdetektiv Joe Barry
Der Teufel in der Stadt der Engel
SAGA Egmont
Privatdetektiv Joe Barry - Der Teufel in der Stadt der Engel
Copyright © 1962, 2017 Joe Barry Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711668740
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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1. Kapitel
Der weiße Chevrolet mit der Polizeinummer schob sich durch den abendlichen Vorortverkehr von Los Angeles. Er durchquerte den Stadteil New Haven und rollte dann am San-Louis-Obisko-River entlang in nördlicher Richtung. Hier waren Grünanlagen mit Picknickplätzen und Minigolf geschaffen. Etwas weiter nördlich wurde es einsamer. Die Landschaft glich immer weniger einem gepflegten Park.
Der Verkehr wurde schwächer. An der Stelle, wo der Fluß einen Knick nach Osten macht und die Straße gabelt, bog der Streifenwagen ab. Es war die Grenze des 31. Polizeibezirks, die hier mit der Stadtgrenze zusammenfiel.
Sergeant Sullivan steuerte jetzt einen schmalen Weg hinunter der zum Fluß führte. In den letzten Monaten hatten sich hier Landstreicher gezeigt. Tramps, die in den Uferanlagen kampierten. Wenn es etwas gab, was der Sergeant in seinem Revier nicht leiden konnte, waren es Tramps. Für ihn hatte alles auf der Welt seinen geordneten Platz. Für den Rest waren die sechs Zellen in seinem Revier da, und, wenn die nicht ausreichten, das Zentralgefängnis von Los Angeles.
Der Chevrolet fuhr jetzt dicht am Wasser entlang. Trockene Zweige knackten unter den Reifen. Im Funkgerät rauschte es, dann kam eine Durchsage für die Cops in der City.
Sullivan runzelte die Stirn, als er eine verkohlte Feuerstelle neben dem Wasser sah. Feuermachen war um diese Jahreszeit streng verboten. Bei der herrschenden Trockenheit bestand die Gefahr von Flächenbränden.
Dann sah er den Wagen.
Es war ein zerbeulter Plymouth, dessen rostiges Heck aus dem Gebüsch herausragte. Der Sergeant stoppte und stieg aus.
Am Steuer des Plymouth saß ein junger Mann, dunkelblond, schmächtig. Er schreckte hoch, als Sullivan neben ihm auftauchte.
„Es sieht so aus, als käme sie nicht mehr“, sagte Sullivan und lächelte breit.
Der Junge zuckte zusammen.
„Wer?“
„Nun, Ihre Freundin!“
„Ich erwarte niemanden!“
„Okay“, brummte der Sergeant, „Aber ich erwarte, daß Sie mir Ihre Papiere zeigen.“
Der Junge griff in seine Brusttasche. Das Weitere geschah blitzschnell.
Als er seine Faust wieder zum Vorschein brachte, schwang er eine dünne Lederrute, an deren Spitze eine lederüberzogene Bleikugel befestigt war. Er handhabte sein Instrument mit einer Geschicklichkeit, die auf lange Übung schließen ließ.
Sullivan kam nicht mehr dazu, eine Abwehrbewegung zu machen. Der Totschläger knallte ihm gegen das Kinn, bevor er auch nur den Revolvergriff erreicht hatte.
Der Sergeant ging in die Knie. Er verlor nicht die Besinnung, er hatte plötzlich das Gefühl, statt Blut zähen Kleister in den Adern zu haben.
Der Motor des Plymouth heulte auf. Der Wagen brach durch das Gebüsch, schlingerte am Wasser entlang und raste den Weg zurück. Als der Sergeant endlich seinen. Revolver herausbrachte, war der Plvmouth auf der breiten Ausfallstraße im Verkehrsstrom untergetaucht.
Sullivan schleppte sich zu seinem Wagen zurück, ließ sich in die Polster fallen und griff nach dem Mikrophon.
„Zentrale“, keuchte er. „Der Fahrer eines Plymouth mit der Nummer BH-21-4718 widersetzte sich der Überprüfung und floh in südlicher Richtung auf der San-Louis-Avenue. Er muß sich jetzt der Brücke über den Obisko nähern.“
„Verstanden! Riegeln Sie die San-Louis-Avenue von Norden her ab. Wir kommen von Süden her!“
Die Jagd begann. Sullivan massierte sich sein Kinn und steuerte dann seinen Chevy auf die Avenue hinaus. Die San-Louis-Avenue war eine der großen Ausfallstraßen, die laufend von Polizei überwacht wurde. Der Plymouth hatte keine Chance, diesem dichtgeknüpften Netz zu entkommen. Von allen Seiten tauchten jetzt Streifenwagen und Polizeipatrouillen auf Motorrädern auf. Sie näherten sich sternförmig der Obisko-Bridge.
Es war nur eine kurze Brücke, und der Fluß war an dieser Stelle sehr schmal. Dafür hatte er sich tief in den felsigen Boden eingegraben.
Die Brücke diente nur dem Zubringerverkehr zur San-Louis-Avenue. Sie hatte ein niedriges Eisengeländer, dem der Rost von fünfzig Jahren zugesetzt hatte. Bis zu diesem Abend hatte jedoch niemand die Haltbarkeit des Geländers ausprobiert.
Der Plymouth erreichte die Abzweigung ungefähr zwanzig Sekunden vor dem ersten Polizeiwagen. Diese zwanzig Sekunden genügten dem Fahrer. Er riß die Tür auf und ließ sich seitlich aus dem Wagen fallen. Dreimal überschlug er sich, dann rutschte er auf dem Bauch den Abhang herunter, der zum Wasser führte. Niemand hatte gesehen, daß er ausstieg. Dafür sahen eine Menge Leute, was der Plymouth tat.
Der führerlose Wagen raste in spitzem Winkel auf die Brücke zu. Es gab beträchtliche Panik bei einigen entgegenkommenden Wagen. Die Leute waren alle viel zu aufgeregt, als daß sie gesehen hätten, daß niemand am Steuer saß.
Der linke Kotflügel rasierte am Geländer entlang. Mit einem Ruck schleuderte es den Wagen herum. Das Heck stieg senkrecht empor. Dann wurde das Geländer weggeknickt wie das Gewissen eines Börsenmaklers beim Sommerschlußverkauf.
Das zerbeulte Wrack klatschte in das Wasser des Flusses und bohrte sich in Sekundenschnelle auf den Grund. Zeuge dieses letzten Bildes waren die Besatzungen von drei Streifenwagen, darunter Sergeant Sullivan.
Die Männer nahmen an, was sie annehmen mußten. Der Fahrer hatte die Kontrolle über den Wagen verloren und war mit ihm in den Fluß gestürzt. So war es logisch, daß niemand auf den schmächtigen jungen Mann achtete, der sich seitwärts in die Büsche schlug. Die Leute starrten vielmehr auf die Stelle im Wasser, wo der Plymouth verschwunden war.
Eine Überprüfung der Zentrale hatte inzwischen ergeben, daß der Wagen gestohlen war. Somit war alles klar. Ein Kranwagen erschien und zog das Wrack noch vor Einbruch der Dunkelheit aus dem Wasser.
Die Experten machten lange Gesichter, als sie sahen, daß es leer war. Sie stellten eine Theorie auf, wonach der Fahrer aus dem Wagen geschleudert und mit der Strömung abgetrieben war. Sie gingen daran, den Fluß mit Stangen abzusuchen.
Sergeant Sullivan dagegen erlebte eine Überraschung. Er wurde über Funk ins Headquarter gerufen.
Dort erwartete ihn in seinem Dienstzimmer Captain Ballister, der Chef der Mordkommission im Zimmer waren außerdem noch der District Attorney MacLean und zwei Leute, die der Sergeant nicht kannte, die aber gewaltig nach FBI aussahen. Sullivan hatte einen Riecher dafür.
Der Captain hielt keine langen Reden. Er hielt Sullivan ein Foto hin.
„Kennen Sie dieses Gesicht. Sergeant?“
„Natürlich“, rief Sullivan überrascht. „Das ist der Bursche, der heute mit einem gestohlenen Wagen in den Fluß gestürzt ist.“
„Sind Sie absolut sicher?“
„Natürlich.