Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525. Rudolf Stratz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Stratz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711506974
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Euch, Schwager Berlichingen — und Euch, Selbitz!“

      „Von wo kommt Ihr?“ fragte der Götz verblüfft.

      „Vom Schweizerland. ‚Was Sporen trägt, muss sterben!‘ haben die Bauern allerwärts geschrieen. Bin ihnen aber doch entritten.“

      „Und werdet um einen Kopf kürzer gemacht!“ sprach der Götz. „Ihr seid doch landflüchtig, Lieber, wie die anderen Ritter, die vorm Jahre mit dem Sickingen wider die Fürsten und Bischöfe hielten!“

      „Und Trughof, Euer Burgstall am Neckar, ist ausgebrannt bis auf die Mauern!“ ergänzte der Selbitz. „Und in die Acht seid Ihr deklariert, Schwager, als offener, gemeiner Landfriedensbrecher?“

      „Freilich.“ Ein wildes Lächeln glitt über das Gesicht des Fremden. „Mir geht’s, wie’s Euch aller Tage gehen kann! Die Pöne des crimen laesae majestatis ist manchem widerfahren. Hat aber nicht viel gefehlt, so waren dem Sickingen vorm Jahr Kurhut und Kaiserkrone, und wir hätten, was uns not tut, ein einig Reich vom Adel!“

      „Die Fürsten sind stärker!“ Herr Götz wiegte nachdenklich das buschige Haupt. „Die vermaledeiten rheinischen Pfaffen. Mit der Mainzer Arkeley haben sie den grossen Sickingen zu Tod geschossen auf dem Landstuhl ...“

      Der fahrende Geselle nickte. „Ja,“ sagte er düster. „Ich war dabei, wie er ausgeatmet hat. Jetzt hab’ ich unten bei den Schweizern meinen Freund, den Ulrich Hutten begraben. Sie gehen hin. Einer nach dem andern.“

      „Wie soll sich ein ehrlicher Ritter halten?“ Götz von Berlichingen seufzte. „Unten muckt der Bauer mit seinem armen Konrad, oben druckt der Fürst mit dem schwäbischen Bund. Wir Freie vom Adel aber stecken dazwischen wie der Fuchs im Eisen. Gott besser’s!“

      „Es wird nicht besser!“ sagte der fremde Reitersmann. „Es geht zu Ende. Wir sind die letzten Ritter. Ein neues Wesen kommt in die Welt. Davor kann Sporn und Tartsche nicht bestehen. — ‚Es ist eine Lust, zu leben!‘ hat der Hutten gerufen und ist doch Todes verfahren. So geht’s uns allen. Unsere Sonne steht schon tief im Westen. Noch einmal blühen in unseren Zeitläuften die alten Geschlechter in Schwaben und Franken und tun sich freudig hervor. Aber die Nacht ist nah!“

      „Nein!“ Der Götz richtete sich hoffnungsvoll in den Bügeln auf. „Die grossen Hansen mögen manch alt ehrlich Geschlecht unterducken und an den Bettelstab richten, wie sie Euren Burgstall in Steine gelegt und Euer Land genommen haben — aber unser Reuterei und Gewerb werden sie mit all ihrem widerwärtigen Praktizieren nicht abtun. Müssen doch nach langer Furie ablassen und ist der Torheit ein Ende!“

      „Ach, Götz!“ sagte der andere. „Ihr wisst ja nicht, was ich meine. Es ist nicht mehr an dem, dass man aus einem liederlichen Schlösslein heraus sein Ärgernis und Reuterspiel treibt, sich die Kappen bis über die Nase zieht und vermummt hinter den Hecken reitet ...“

      Der von Berlichingen liess ihn nicht ausreden. „Doch, Schwager!“ rief er. „Es ist besser, hinter der Hecke handeln als davor! Ich hab’ Euren Vater noch gekannt. Der hat Euch als Säugling nach Frankenbrauch Kohlen und Würfel in die Wiege gelegt, auf dass Ihr ein abenteuerlicher deutscher Ritter würdet ...“

      „Das bin ich geworden!“ Der finstere Geselle lächelte. „... Bin auf und ab geritten, hab’ mehr vom Leder gewonnen und gehandelt als mir lieb ist, aber ich meine doch: es hat ein Ende mit unserer Ritterschaft und ich bin froh, dass ich meines Stammes und Namens letzter bin, Schild und Helm hinter mir vergraben werden und alles mannlich Geschlecht der Trugenhoffer mit mir dahingeht.“

      „Und wenn Ihr das meint, warum seid Ihr dann mit Gefahr Leibs und Lebens wieder hier?“

      „Ich will’s Euch nicht verhehlen,“ sprach Ritter Felix. „Zu Wesen am Walensee ... da hab’ ich einen verrittenen Bruder aus den Sickingenschen Händeln getroffen, Ihr kennt ihn: den Rennehart von Neudeck. Den hatten sie damals wie eine wilde Sau gefangen und nach Heilbronn in den Turm geschickt. War aber ausgekommen und zu den Eidgenossen geflohen. ‚Ei, Trugenhoffen, lebst du noch?‘ fragt er mich. ‚Dass dich Botz mag! Es geht die gemeine Rede, du seist längst tot. In einer schlechten Herberg’ zu Basel von den Reisläufern erstochen.‘“

      „Ich hab’s auch gehört!“ nickte der Götz.

      „Frag’ ich: wer lässt das Geschrei ausgehen? — spricht er: Die Heerdegen von Hirnsheim. Ist’s so?“

      „Ja. Die drei Heerdegen wollen Euch nicht wohl, Felix, die wollen Euch übel.“

      „Sommer die Feifel ja!“ knurrte der Selbitz. „Ihr habt sie hart verdrossen und es ihrer Schwester, der Madlene, wie ein Nigromanta mit schwarzen Künsten angetan! War in dem armen kleinen Haus Hirnsheim Aufreitens und Heimwesens genug von Grafen und Herren. Die hätten aber lieber des Wasenmeisters Gäste sein können. Und wer die Madlene um Bescheid anging, hat sie sich vernehmen lassen: ‚Herr! Ihr habt schöne Rosse. Lasst sie mich auch mal von hinten schauen!‘“

      „Das heisst,“ ergänzte der Götz, „wie der karge Abt von Ursperg spricht:

      ‚Der Mist und die Gäst’

      Sind im Feld zum best’.‘“

      „Da haben die Brüder sich endlich in die Handlung geschlagen, haben eine sichere Botschaft vorgewiesen, Ihr seiet des Tods vergangen, zum alten Haufen hingefahren und davon. Sprach die Madlene: ‚So lasst mich in ein Kloster gehen. Da drin will ich bleiben! ...‘“

      „Sie haben’s aber nicht gelitten?“ fragte der fahrende Ritter rasch ... „... wie ich berichtet bin!“

      „Beim lausigen Wams von Dornheim — nein! Sie haben’s nicht gelitten. Haben die Madlene in die Ehe gegeben, dem Wolframsteiner. Dem hält sie seit einem Vierteljahr Haus. Der könnt’ ihr Vater sein.“

      „Und hat sie doch genommen?“

      „Ein alter, böser Kriegsmann!“ Selbitz nickte anerkennend. „Ein bescheiter, listiger und geschwinder Herr, riesengross und stark wie ein rechter Schwab, viel umgetrieben in allen Ländern und Meeren. Wenn solch ein reicher aufrechter Freiherr mit seinem ganzen lustigen Ritterzeug recht freundlich und popularis vor einem verfallenen Waldhaus aufreitet, wo sie des Sonntags frisch Wasser zu Brot und Rüben trinken, da hat er bald die Braut hinter sich im Sattel. Da haben sich ihre Brüder, die Heerdegen, nicht zweimal fragen lassen.“

      „Was hat er denn gefragt?“

      „Er hat gesagt: ‚Unter zweiundzwanzig Gräfinnen hab’ ich die Wahl; aber ihrer fürbindigen Schöne wegen und über alle Massen guten Zucht und Gebärden bitt’ ich von Euch Jungfer Madlene, Eure Schwester, zur Hausfrau. Die hat mir so gut gefallen, dass ich sie ohne alles Heiratsgut übernehmen, ihr auch alle Kleidung geben will. Des zum Zeichen sollt Ihr sie mir in einem langen Hemd überantworten.‘ So ist’s dann auch geschehen, wie er’s selbst begehrt hat!“

      „Und ich bin also recht berichtet gewesen!“ sagte Ritter Felix. „Ich dank’ Euch, Schwager Hans!“

      „Da seid Ihr der Madlene wegen gekommen?“

      „Ihres Hausherrn wegen!“ Der fahrende Geselle lachte hart auf. „Wenn sie nicht mein ist, soll sie keines andern sein! Den Wolframsteiner will ich bestehen, nicht im Schimpf, sondern im Ernst, und es ihm und dem Heerdegen nicht für gut halten, dass sie uns so geäfft haben. Wann die Läufte wieder stiller geworden, scheidet er von der Erd’ ab oder ich. Auf den Tag gehört er mir zu und soll mir den Vortanz lassen. Und sollt’ ich auch mein Leben darum darzustrecken und verlieren!“

      Der Götz lachte bei dem Gedanken an eine Fehde zwischen dem irrenden Reiter und dem reichen Herrn. Hans Selbitz aber wurde ärgerlich. „Es ist genug gegackert!“ schrie er und zügelte, volle Ungeduld auf dem braungebeizten Geiergesicht, sein tänzelndes Pferd. „Mach voran, Götz! Die Nacht fällt ein, die Rosse sind müd’; wir haben noch lange Reise bis zum Hornberg!“

      „Kommt Ihr mit auf mein Haus, Schwager Felix?“

      „Nein!“

      „Alsdann