GUARDIANS - Der Verlust. Caledonia Fan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Caledonia Fan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9789403613871
Скачать книгу
zu machen. Das passte nicht zu La'ith. Er würde hier sein, wenn er könnte. Schließlich hatte er den Zeitpunkt selbst festgelegt, damit sie nicht in der Dunkelheit zurückfahren mussten.

      "GPS von Tiana!", verlangte sie von dem kleinen Gerät am Handgelenk und starrte ungeduldig auf das Display.

      Der blinkende, rote Punkt erschien sofort. Sie waren also im Dorf.

      Entschlossen verkündete sie Romaru, der neben ihr auf den Stufen hockte, dass sie nach ihren Freunden suchen würde.

      Der Junge nickte und sprang ebenfalls auf. "Ich helfe dir und ich hole noch jemand." Er drehte sich um und rannte davon.

      Durch den strömenden Regen eilte sie auf dem schlammigen Pfad entlang bis zu der Stelle, wo sie ihren Wagen zurück­gelassen hatten. Er stand mitten auf dem Dorfplatz, der das Herz der Siedlung war. Die Häuser, von denen manche eher die Bezeichnung Hütten verdienten, gruppierten sich lose um ihn herum, entlang von Wegen, die von ihm abzweigten, um irgendwann im Dschungel zu enden.

      Sie überquerte den Dorfmittelpunkt und lief am Wagen vorbei. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie etwas, was sie stehen bleiben und zurückschauen ließ.

      In der Heckscheibe des Toyota gähnte ein großes, gezacktes Loch. Scherben lagen neben der Stoßstange im Schlamm.

      Eine eiskalte Hand griff nach Tamiras Herz. Jemand war in das Auto eingebrochen. Die Rucksäcke, schoss es ihr durch den Kopf, die Papiere, das Geld!

      Ein Blick durch das Loch zeigte ihr sofort, dass das Satellitentelefon fehlte. Jemand hatte es gestohlen. Und das war nicht alles. Als sie zwischen den scharfzackigen Scherben hindurch ins Innere des Land Cruisers spähte, konnte sie die Rucksäcke nirgends entdecken. Der Dieb hatte alles mitgenommen. Sie besaßen weder Ausweise noch Geld.

      Während ihr Herz vor Schreck zu rasen begann, stieg ein unbändiger Zorn in ihr auf. Während sie versucht hatten, Romaru, einem der Dorfbewohner, zu helfen, waren sie von eben diesen unverschämt ausgeraubt worden.

      Sie winkte Romaru herbei, der mit seinen Freunden ein paar Schritte entfernt stand und sie mit bangem Blick beobachtete. "Hol den Dorfvorsteher!", befahl sie.

      Der Junge nickte hastig und stob davon. Zwei Minuten später stand er mit einem betreten blickenden Mann vor ihr, der seinen speckigen und triefenden Strohhut nervös in den Händen drehte. Er hörte sich ihre erboste Beschwerde an und versprach, im ganzen Dorf nach dem Dieb zu forschen. Es war ihm sichtbar peinlich, dass die Ausländer bestohlen worden waren. Tamiras Ankündigung, dass sie Anzeige erstatten und dann die Polizei hier auftauchen würde, versetzte ihn in helle Aufregung.

      Sie sah dem eilig Davoneilenden nach und erbat sich von Romaru eine Regenplane, mit der sie die zerschlagene Heckscheibe abdecken und das Innere des Mietwagens vor dem Regen schützen konnte.

      Nachdem sie mit Hilfe der Jungen das Loch zugehängt hatte, liefen sie gemeinsam weiter bis zu der Stelle, von der das GPS-Signal kam, das als roter Punkt auf dem Bildschirm blinkte. Es war ein großflächiger Holzlagerplatz am Ostrand des Dorfes.

      Doch sie konnten weder Tiana noch La'ith entdecken. Beide waren nirgends zu sehen und ihre Rufe verhallten ohne Antwort.

      Ein Junge kam auf sie zu und blieb in respektvollem Abstand stehen. Auf ihren Wink hin trat er näher und reichte ihr einen MFA.

      Ihre Hand krampfte sich darum, als sie das schlammver­schmierte kleine Gerät als Tianas erkannte und in die Tasche ihrer Cargohose schob.

      Wieso hat sie ihn abgenommen, fragte sie sich, und wo ist sie hingegangen?

      Als sie La'iths GPS anzeigen ließ und sich der Stelle nähern wollte, sank ihr der Mut. Der Holzlagerplatz ging abrupt in einen steilen Abhang über und die Abbruchkante zwang sie stehenzubleiben. Irgendwo weit da unten am Fuß eines Hanges war das Signal und bewegte sich nicht.

      "La'ith!", schrie sie und lauschte angespannt, "Tiana!" Doch nur das Echo hallte über die dampfende grüne Hölle zu ihren Füßen.

      Was tat er da so ganz allein? Oder war Tiana bei ihm und hatte nur den MFA hier verloren? Das Herz schlug ihr vor Sorge hart gegen die Rippen, während ihr Blick nach einer Möglichkeit suchte, ohne abzurutschen zum unteren Ende des Steilhangs zu gelangen. Aber es gab keinen Pfad, geschweige denn einen richtigen Weg.

      Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf den Abhang und wäre fast abgeglitten auf dem glitschigen Gras.

      Romaru packte sie am Arm. "Wo willst du hin?", fragte er alarmiert und besorgt zugleich.

      "Ich muss da hinunter." Sie wies mit dem ausgestreckten Finger auf das grüne Dickicht zu ihren Füßen.

      Der Junge schüttelte mit weit aufgerissenen Augen den Kopf. "Du kannst nicht allein in den Wald!" Er überlegte einen Augenblick. "Warte hier", stieß er hervor, dann rannte er mit den drei anderen davon.

      Nur Minuten später hatte sich eine Gruppe Männer um sie versammelt. Nachdem sie hastig erklärt hatte, was sie vorhatte, und warum sie da hinab wollte, zogen sie bedenkliche Gesichter und brachten viele Argumente an, die sie zurückhalten sollten.

      Sie wischte sie alle mit einer ungeduldigen Handbewegung weg. Doch erst als sie verkündete, dass sie den Abstieg notfalls ohne Hilfe wagen würde, erklärten sie sich bereit, mit ihr dort hinunterzusteigen. Doch nicht über den Abhang, sondern außen herum. Ein zeitaufwändiger Umweg, der nicht zu vermeiden war.

      Tamira war der Zeitverzug nicht recht, aber ihr blieb keine Wahl. Die Männer kannten diesen Ort besser als sie.

      Bald darauf hatten sie das Dorf hinter sich gelassen und wanderten bei strömendem Regen im Gänsemarsch durch den Dschungel, um den vom roten Punkt markierten Ort zu erreichen. Er verharrte an derselben Stelle, La'ith hatte sich kein einziges Mal bewegt. Immer wieder rief einer der Männer laut seinen Namen, doch es kam keine Antwort. Nur der Regen rauschte ununterbrochen herab und prasselte auf die breiten Blätter der Pflanzen.

      Inzwischen war Tamira überzeugt, dass sowohl Tiana als auch La'ith etwas zugestoßen war. Und ganz zaghaft meldete sich der Gedanke, dass sie auch nur La'iths MFA und nicht ihn selbst finden würden. Das gestohlene Satellitentelefon und die verschwundenen Rucksäcke hingen mit Sicherheit mit dem Verschwinden der Freunde zusammen.

      Es geht viel zu langsam vorwärts, dachte sie ungeduldig, wir müssen uns mehr beeilen! Am liebsten wäre sie vornweg gerannt, um rascher bei ihm zu sein. Doch einer der Männer aus dem Dorf hatte sie vorhin am Arm gepackt und zurückgerissen. Erst im Schein der Fackel war die züngelnde Schlange am Boden vor ihr sichtbar geworden. Danach lief sie folgsam, aber nicht weniger ungeduldig in der Mitte der Gruppe.

      Kurz bevor sie die angezeigte Stelle erreichten, wurde der Wald dichter und sie kamen nur noch im Schneckentempo voran. Scharfe Macheten fuhren zischend durch saftiges Grün und sehnige, braune Arme zerrten die abgetrennten Pflanzenteile beiseite. Immer wieder schreckten sie Schlangen und Spinnen auf. Inzwischen war es finster geworden und die Männer hatten mitgebrachte Fackeln entzündet. Der Dschungel war fast undurchdringlich. Doch Tamiras MFA lieferte die Koordinaten und so kamen sie der Stelle näher.

      Bis der rot leuchtende Punkt plötzlich verschwand.

      Sekundenlang starrte Tamira fassungslos auf den winzigen Bildschirm an ihrem Handgelenk, dann presste sie verzweifelt die Lider zusammen. Ohne diese Anzeige hatten sie keine Chance, La'ith zu finden, wenn er sich nicht bemerkbar machen konnte. Noch einmal riefen sie mit vereinter Stimme nach ihm und schwiegen dann, um zu horchen. Doch es blieb still.

      Die Männer wollten zurückgehen.

      Alles in ihr sträubte sich dagegen, die Gefährten irgendwo im Dschungel zurückzulassen, aber ihr Widerspruch perlte an der Vernunft ihrer Begleiter ab wie das Regenwasser an den dickfleischigen grünen Blättern. Es sei sinnlos, im Dunkeln weiterzusuchen, beschied man ihr. Also kehrten sie um und gingen auf demselben Weg ins Dorf zurück.

      Wo bist du, La'ith, schrie sie in Gedanken, während sie hinter den Männern her stolperte, Tiana, La'ith, wo seid ihr? Verzweifelt und niedergeschlagen setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie wieder auf dem Dorfplatz