DONALD TRUMP UND DAS HAARTEIL DES GRAUENS. Greg Sisco. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greg Sisco
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352940
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      Kapitel 2

      »Und so«, sagte Michael Moore in einem düsteren, betrübten Tonfall in das Mikrofon seiner Tonkabine, »nach fast einer Stunde des Stillstands im Stadtverkehr, kam Jason Greene zwei Stunden zu spät zur Hochzeit seiner Tochter, weil einem Republikaner auf dem Freeway das Benzin ausgegangen war und er seinen Hummer auf der Mittelspur angehalten hatte.«

      »Sie müssen schneller sprechen«, sagte Ton-Typ. »Wir haben nur sechs Sekunden Bildmaterial zum Überlagern, bevor wir zu den Aufnahmen gehen, in denen Sie den Hummer-Verkäufer unter Druck setzen.«

      »Tja, dann brauchen wir mehr Material«, sagte Moore. »Wenn ich es in sechs Sekunden sage, klingt es nicht tragisch. Es wird klingen, als wäre eine miese Sache passiert. Und so ist das nun mal im Leben. Warum sollte sich irgendwer eine Sendung über so was ansehen wollen?«

      »Na ja, ich … ich weiß es nicht. Es ist Ihre Sendung.«

      »Vergiss es«, sagte Moore. »Hey, Schnitt-Typ. Schnitt-Typ …«

      »Ich heiße Frank«, sagte Schnitt-Typ.

      »Wir brauchen Archivaufnahmen von stillstehendem Verkehr, die wir reinschneiden können. Vielleicht was von dem Auffahrunfall mit den zwölf Autos in Vermont letzten Monat.«

      »Och, ich weiß nicht, ob mir das gefällt. Bei dem Unfall wurden Menschen schwer verletzt. Das war eine regelrechte Tragödie.«

      »Komm schon, Ton-Typ. Ist hier jeder gegen mich? Da draußen wachen jeden Tag Demokraten auf, in denen Wut brodelt, und sie brauchen einen Grund, um sie gegen die Republikaner zu richten. Was sollen wir denen erzählen? Dass wir diese Woche keinen Grund haben? Dass sie einfach mit einem dumpfen, betäubenden Pochen weiterhassen sollen?«

      »Ich weiß, das ist nicht mein Job«, sagte Kamera-Typ, »aber ich denke, Sie sollten den Satz ändern, in dem Sie sagen, dass er eine Stunde im Verkehr stecken blieb und zwei Stunden zu spät kam, weil … also … wäre er nicht sowieso eine Stunde zu spät gewesen?«

      »Ja! Ausgezeichnet!«, sagte Moore. »Ich sollte nicht eine Stunde sagen. Ich sollte sagen: Jahre. Ich sollte sagen: Äonen. Ich sollte sagen …«

      »Tage?«, fragte Ton-Typ.

      »Nein«, sagte Moore verächtlich. »Das ist nachweisbar nicht wahr. Ich sollte sagen …«

      »Eine Ewigkeit?«, fragte Kamera-Typ.

      »Ja! Eine Ewigkeit. Warum kann der Rest von euch nicht so sein wie Kamera-Typ?«

      »Phil«, sagte Kamera-Typ.

      »Was auch immer«, sagte Moore.

      Ton-Typ und Schnitt-Typ hatten natürlich recht, aber es gab einen Job zu erledigen. Der Übergang vom Film zum Fernsehen war sogar schlimmer gewesen, als Moore erwartet hatte. Die erste Staffel war noch nicht abgeschlossen und sie griffen schon nach Strohhalmen. 1001 Gründe, Amerika zu hassen stand kurz davor, abgesetzt zu werden.

      »Okay«, sagte Schnitt-Typ. »Dann schnappen wir uns also Archivmaterial von diesem schrecklichen Unfall, der ganze Familien zerstört hat, und ändern eine Stunde in eine Ewigkeit. Noch was?«

      Moore dachte nach. »Also, ich sammle hier nur Ideen, aber … der Kerl, der diesen anderen Auffahrunfall verursacht hat – wissen wir, welche politische Zugehörigkeit der hatte?«

      ***

      Wo ist Glenn Beck?, fragte das Graffito, das mit einem Messer in die Theke gekritzelt worden war.

      Michael Moore verdrehte die Augen.

      Seit Glenn Beck aus der Fernsehlandschaft verschwunden war, war alles mit diesem Satz vollgekleistert. Er war Teil des Lexikons, eine unbeantwortbare Frage anstelle von »na dann« oder »dumm gelaufen«. »Die Welt ist ein schrecklicher Ort«, schien er zu sagen. »Ich vermute, sie wird einfach zunehmend schlechter werden. Der Schaden ist irreparabel. Man kann nichts anderes mehr tun, als mit dem sinkenden Schiff unterzugehen.«

      »Ich glaube, jemand hat das letzte Nacht da eingeritzt«, sagte der Barkeeper. »Die Leute sagen das in letzter Zeit andauernd.«

      »Ich weiß«, meinte Moore. »Ich hasse das.«

      »Ja ja, Menschen können schon ziemlich scheiße sein.«

      »Nein, ich meine, ich hasse den Grundgedanken. Ich hasse diese Zufriedenheit mit dem Chaos. Ich meine, alles fällt auseinander und wir können nichts dagegen tun. Als ob es nicht mal den Versuch wert wäre, irgendwas zu verbessern. Wenn wir nur die Republikaner aus den Ämtern kriegen würden …« Er nahm einen großen Schluck von seinem Bier. »Ich weiß auch nicht. Was ist deine Politik, Barkeeper? Woran glaubst du?«

      »Ich glaube an Alkohol«, sagte der Barkeeper.

      »Ja?« Moore lachte. »Glaubst du, wenn wir alle die ganze Zeit betrunken wären, liefe alles gut?«

      »Oh, scheiße, nein. Aber wenigstens wäre es uns egal.«

      Sie lachten gemeinsam und Moore hob sein Glas. Der Barkeeper schenkte sich selbst ein Schlückchen ein und sie tranken gemeinsam.

      »Aber wie können wir es wieder in Ordnung bringen? Wie kriegen wir alles wieder ans Laufen?«

      »Wo ist Glenn Beck?«, fragte der Barkeeper mit einem Grinsen.

      »Ja, ja …«, sagte Moore.

      Er trank sein Glas aus und tippte auf den Rand, um einen neuen Drink zu bestellen. Der Barkeeper füllte sein Glas auf.

      »Es wird einfach immer schwerer«, sagte Moore. »Früher war es so: Wann immer es eine Tragödie gab, egal welche, war ich zur Stelle, um eine schnelle Mark zu machen und einem Republikaner die Schuld zuzuschieben. Es war egal, was passiert war. Ich fand einen Weg, es zurechtzubiegen. Dann hab ich versucht, positiv zu sein. Ich hab versucht, proaktiv zu sein und optimistisch, und die Menschen dazu zu bewegen, sich mir anzuschließen, sich für Prinzipien einzusetzen, und sie … sie haben aufgehört, mir Beachtung zu schenken. Es ist so, als wollten sie nur, dass ich ihnen was liefere, über das sie sich beschweren können. Jetzt versuche ich wieder, ihnen was zu liefern, über das sie sich beschweren können, und … sie interessieren sich nicht mal mehr für mich. Manchmal bin ich nicht sicher, ob sie überhaupt wollen, dass die Dinge besser werden. Manchmal glaube ich …« Er schüttelte den Kopf und tippte mit einem Finger auf das Graffito. »Manchmal glaube ich, das ist alles, was sie wollen.«

      Barkeeper vergewisserte sich, dass keiner der anderen Gäste etwas bestellen wollte, und beugte sich dann über die Theke zu Moore.

      »Ich will Ihnen mal was sagen. Mindestens ein halbes Dutzend Leute sind jeden Tag in dieser Bar. Jeden Tag, wenn wir öffnen, jeden Tag, wenn wir schließen. Das ist ihr Leben. Ohne kommen sie nicht durch den Tag. Also, manchmal beschließt einer von denen: Das war's. Kein Alkohol mehr. Er will versuchen, was anderes zu machen. Also hört er auf. Vielleicht seh ich ihn ein paar Tage nicht. Und dann kommt er vielleicht her und sitzt bei seinen Freunden, aber er trinkt nur Wasser oder Softdrinks. Dann, eines Tages bald darauf, wird ein Bier zu zehn und alles geht wieder seinen alten Gang. Warum, glauben Sie, ist das so?«

      »Weil sie Alkoholiker sind.«

      »Ja. Genau. Weil sie Alkoholiker sind. Das ist ihr Leben. Und eine Veränderung ist schwer auszuhalten. Selbst wenn man es will, ist es schwer, die ganze Zeit diese Mühe zu investieren. Also nennt man es hoffnungslos. Man sagt, es ist unmöglich. Und man fällt in das zurück, was man schon immer getan hat, selbst wenn man es nicht besonders mag. Man gibt auf.«

      »Worauf willst du hinaus?«

      »Die Hoffnungslosigkeit ist komfortabel.«

      Moore nickte. Er fuhr mit dem Finger über die Schnitzereien in der Theke. »Ja. Ja, vielleicht.«

      Der Barkeeper schnalzte mit der Zunge und ging, um nach anderer Menschen Getränke zu sehen. Michael Moore starrte das Graffito auf der Theke an