EUPHORIA Z. Luke Ahearn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Luke Ahearn
Издательство: Bookwire
Серия: Euphoria Z
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350489
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tun sollte. Während er ihre Hand hielt, schaute er auf die Wand hinter ihr, die rot bespritzt war. Fleischbrocken rutschten daran herunter. Er schlang die Arme um ihren Torso und schluchzte.

      So hielt Sal Maria über eine Stunde lang und wünschte sich, von diesem schrecklichen Albtraum aufzuwachen. Er wollte nicht von ihr ablassen, denn in dem Moment würde er diese Tragödie erfassen und der Tatsache ins Auge blicken müssen, fortan ohne sie zu leben. Er hatte keine Ahnung, was er machen sollte, wenn dieser Moment kam. Würde er losziehen, um jeden Soldaten zu töten, dem er begegnete? Vielleicht sich selbst? Oder würde er etwas tun, auf das er noch gar nicht kam?

      Als er endlich aufstand, schnappte er sich eine neue Flasche Rum und kehrte benommen zu seinem Sessel zurück. Nachdem er sich schwerfällig hingesetzt hatte, ließ er sie auf seinen Schoß fallen. Die alte Flasche, an der er nur genippt hatte, setzte er an und ließ sich den Inhalt die Kehle hinunterlaufen. So leerte er sie in einem schmerzhaften Zug, ehe er sie auf den Boden warf. Dann schraubte er den Verschluss der neuen Flasche ab – und gleich wieder zu. Er brauchte sie nicht. Der Alkohol breitete sich bereits in seinem Körper aus. Er verlor das Bewusstsein und hoffte, nie mehr aufzuwachen.

      - 3 -

      Cooper hielt ein paar Sekunden lang inne, um zu beobachten, wie sich die dichtgedrängte Menge nackter Leiber durch die zerbrochenen Scheiben drängte. Dicke, scharfe Dreiecke aus Glas schlitzten ihr Fleisch bis auf die Knochen auf, unnachgiebige Metallrahmen durchschnitten Haut und Muskeln. Es war entsetzlich, aber er konnte sich nicht abwenden. Ein Mann verlor seinen Penis, da er ihn fest gegen Scherben drückte, während die Menge von hinten schob, und ein weiterer langer Zacken weidete gleich mehrere Leiber hintereinander aus. Jede Person, die ins Haus trat, zog Gedärme hinter sich her. An einigen Körpern fehlten große Teile der Haut, sodass man blutiges Muskelgewebe sah. Dennoch zuckte niemand auch nur mit der Wimper.

      Ein paar der Ersten, die es in die Wohnung geschafft hatten, näherten sich ihm. Cooper musste sich zwingen, in die Gänge zu kommen. Zwar wollte er das Haus nicht verlassen, doch ihm war klar, dass es schlicht keine Alternative gab. So stellte sich nun die Frage, wie er das anstellen konnte: Wie sollte er fliehen?

      Er lief über den Flur und geduckt in sein Schlafzimmer, wo er die Tür hinter sich zuschlug. Er wusste, sie würden sich nicht lange aufhalten lassen, doch jetzt war jede Sekunde wertvoll. Da der Raum keine Fenster besaß, hoffte er, die Außenmauer durchbrechen zu können, um ins Freie zu gelangen. Er trat gegen Gipskartonplatten, die dabei in Stücke gingen. Das war der leichte Teil. Als er es bis zur äußeren Wand geschafft hatte, musste er dickes Sperrholz überwinden, nicht zu vergessen zwei Schichten stuckiertes Drahtgeflecht. Cooper sah ein, wie zwecklos dieses Unterfangen war, und gab es auf.

      Die Tür wölbte sich langsam nach innen, und er hörte, wie das Holz zusehends unter dem Gewicht der Masse auf dem Flur knirschte. Bald würden sie hereinbrechen. Ihm war nach Panik zumute, doch er zwang sich zur Ruhe. Während er sich im Zimmer umschaute, überlegte er, was er noch unternehmen konnte. Die Decke war zu hoch, um hinaufzugelangen, und obendrein genauso schwierig aufzubrechen wie die Gipsmauer. Cooper wusste keinen Rat mehr.

      Schließlich flog die Tür auf und knallte gegen die Wand. Cooper nahm sich vor, den letzten verfügbaren Rückzugspunkt aufzusuchen: seinen Wandschrank. Er trat mit einem langen Schritt hinein, drehte sich um und zog die Tür zu. Was er erblickte, erinnerte ihn an ein Video, das er gesehen hatte. Dort war eine Menge bemüht gewesen, aus einem brennenden Gebäude zu flüchten. Die Menschen hatten sich geradezu in der Tür gestapelt und verkeilt. Alle waren außerstande gewesen, sich zu bewegen, nicht einmal mithilfe von Feuerwehrmännern, so fest eingezwängt hatten sie dagestanden. Sie waren einer ausgewachsenen Panik verfallen – diejenigen, die noch gelebt hatten. So etwas zu sehen, war fürchterlich gewesen, selbst auf einem kleinen Bildschirm. Ebendies geschah nun in seinem Zimmer, doch sie alle lächelten, sogar die, deren Rippen so laut knackten, dass er es über ihr Grölen hinweg hörte.

      Nachdem Cooper die Tür zugemacht hatte, setzte er sich in seinem dunklen Schrank auf den Boden und hielt sie geschlossen. Er wagte es nicht, sich zu bewegen, und zwar mehrere Stunden lang, bis er die abgestandene Luft nicht mehr ertragen konnte. Sein Körper war verkrampft und tat weh, aber im Haus blieb es nun still. Mit der Zeit hatte das Grunzen, Stöhnen und dumpfe Pochen der Menschen nachgelassen, während sie gestorben waren. Übrig blieben seines Wissens nach nur einige wenige, die es in den Raum geschafft hatten, doch die verhielten sich ziemlich ruhig. Niemand war versucht, den Schrank zu öffnen, seit er sich darin eingeschlossen hatte. Das erleichterte ihn, obwohl er immer noch im Haus gefangen war.

      Er ließ den Knauf los, um sich auf eine Seite zu legen und unter der Tür durchzuschauen. Alles, was er sehen konnte, waren ein paar Füße, die sich hin und her bewegten. Es schien so, als hielten sich drei Personen im Raum auf, alle an der gegenüberliegenden Wand.

      Cooper versuchte, sich zu vergegenwärtigen, was in seinem Schrank steckte. Klamotten, Sportsachen – viel mehr fiel ihm nicht ein, und er wollte nicht stöbern, denn das hätte Geräusche verursacht. Als er den Boden ringsum abtastete, bekam er grobes Leinen zu fassen. Das war sein Rucksack, der sich zwar leer anfühlte, aber er schob seine Hand trotzdem in mehrere Fächer. Darin stieß er auf einen Gegenstand, den er sofort identifizieren konnte: sein Taschenmesser.

      Ihm kam der Gedanke, sich von hier aus durch den Gips nach nebenan zu arbeiten, doch auch das wäre zu laut geworden. Die Personen im Zimmer hätten die ungeschützte Tür geöffnet, lange bevor er durch die Wand gestoßen wäre. Jetzt aber hatte er die Chance dazu.

      Cooper nahm behutsam eine Position ein, aus der er sich gegen das Messer stemmen konnte. Er wollte es mehrmals in den Gips stechen, bis er sich durchschneiden konnte. Es dauerte lange, doch dann schaffte er es endlich, ein Loch zu schneiden, das er für breit genug hielt, um sich hineinzwängen zu können. Dahinter tat sich noch eine Wand auf, die er ebenfalls mit dem Messer bearbeiten musste. Gerade als er das Messer ansetzte, ging die Tür mit einem Klick auf. Er streckte sich nach hinten aus, um sie zuzuziehen. Wer auch immer versuchte, sie zu öffnen, ließ nicht locker, legte sich aber auch nicht großartig ins Zeug. Als Cooper mit seiner freien Hand nach oben langte, fand er einen Gürtel. Diesen wickelte er um den Knauf, sodass er die Tür einhändig geschlossen halten konnte, während er anfing, gegen die Wand im hinteren Teil des Schranks zu treten. Lärm war jetzt kein Problem mehr, und er durchstieß die Wand mühelos. Blieb nur zu hoffen, dass sich niemand im Nebenraum aufhielt.

      Er ließ den Gürtel los und machte einen Satz durch die Öffnung. Zwar war er sich nicht sicher, ob die Schranktür aufgehen würde, aber das spielte auch keine Rolle: Er hatte die Wand überwunden und steckte jetzt im Schrank des Gästezimmers. Zum Glück war es leer. Die Tür erzitterte zwar ebenfalls im Rahmen, weil sich die Menschen auf dem Flur dagegen warfen, es sah aber so aus, als würde sie halten.

      In diesem Zimmer gab es ein Fenster, das er sofort öffnete, um hinauszuschauen. Auf der Straße war es ruhig. Anscheinend war die Party im Laufe der letzten Stunden weitergezogen. Cooper kletterte hinaus und ging fort, ohne Pläne oder Proviant.

      Jetzt wandelte er inmitten der Nachwehen des Wahnsinns. Nach jener Orgie von Tausenden war auf dem Boden, so weit das Auge reichte, ein dicker, abstoßender Wust zurückgeblieben: Es handelte sich um eine Collage aus Pfützen geronnenen Blutes, zerrissenen Kleidern und Schuhen, Schmuck und Körperteilen, breiten Lachen von Erbrochenem, Handfeuerwaffen, leeren Flaschen und Dosen, einem Sofa sowie mehreren Leichen. Gallertartiger Brei, entstanden aus den aufgewühlten Abfallprodukten des massiven Exzesses, bedeckte die Straße.

      Cooper schritt vorsichtig zwischen Kleiderhaufen, Blutlachen und größeren Glasscherben einher. Die Kotze und die Toten mied er, so gut er konnte. Ihm war, als erkenne er eine alte Lady von weiter unten auf der Straße in einem weißen Fleischberg wieder. Ein Mann, den er aber noch nie gesehen hatte, lag auf seinem Rücken im Rinnstein und starrte mit einem gruseligen Grinsen in die Luft. Eingeweide quollen aus einem Riss in seiner Seite hervor. Vermutlich war er von einem Auto angefahren worden. Alle anderen Leichname waren aus diesem oder jenen Grund nicht identifizierbar. Einige Häuser weiter wurde der Bodenbelag noch grausiger. Weite Teile der Stadt schienen komplett ausgestorben zu sein. Cooper legte eine gute Strecke zurück, bis er sich dem Zentrum näherte. Dort irrten wieder mehr Menschen herum. Er begann,