»Wen nennt Ihr betrunken?« rief Benjamin, indem er sich mit einer Gebärde aufrichtete, als gedenke er auf Remarkable loszufahren. »Wollt Ihr da die Dame spielen – Ihr, die Ihr zu nichts auf der Welt seid als zum Brummen und Splitteraufsuchen? Wo zum Teufel hättet Ihr auch ein anständiges Benehmen und eine ordentliche Aussprache lernen sollen? In Eurer verdammten Staatsbai? Ha, ha!«
Damit fiel Benjamin wieder in seinen Stuhl zurück und machte sich bald in einigen ominösen Tönen Luft, die eine ziemlich große Ähnlichkeit mit dem Brummen seines Lieblingstieres, des Bären, hatten Ehe er jedoch ganz – um mich eines Ausdruckes zu bedienen, der dem Della-crusca-Sentiment gewisser edlen Seelen unserer Tage behagen würde – ›von Morpheus’ Armen umschlungen war‹, ließ er laut unter abgemessenen Pausen die ausdrucksvollen Worte ›Affe‹, ›Papagei‹, ›Pic-nic‹, ›Teertopf‹ und ›Sprachmeisterin‹ vernehmen.
Wir wollen es nicht versuchen, die Bedeutung dieser Worte zu erklären oder dieselben in einen Zusammenhang zu bringen; der Leser muß sich schon mit unserer Mitteilung begnügen, daß sie mit all der kalten Verachtung ausgesprochen wurden, die ein Mensch möglicherweise gegen einen Affen empfinden kann
Der Majordomo mochte ungefähr zwei Stunden schlafend verbracht haben, als er durch den geräuschvollen Eintritt Richards, Major Hartmanns und des Hausherrn geweckt wurde. Benjamin sammelte seine verwirrten Geisteskräfte so weit, um die beiden ersteren nach ihren Gemächern zu begleiten, worauf er jedoch selbst unsichtbar wurde und das Geschäft, das Haus zu schließen, dem überließ, dem an einer solchen Sicherung am meisten gelegen war. Schlösser und Riegel waren in jener frühen Zeit der Ansiedlung nur wenig in Gebrauch, und sobald Marmaduke nach den ungeheuren Feuerstellen seiner Wohnung gesehen hatte, verfügte er sich gleichfalls nach seinem Schlafgemach. Wir folgen dem Beispiel unserer Helden und schließen, nachdem wir Feuer und Licht verwahrt haben, die erste Nacht unserer Erzählung.
XVI
Wache (beiseite). Verrat, ihr Herren, –
Doch bleibt beisammen.
Viel Lärm um nichts
Es war ein Glück für mehr als einen der Zechgenossen, welche in der letzten Nacht den ›Kühnen Dragoner‹ verlassen hatten, daß die strenge Kälte der Jahreszeit rasch an Gefährlichkeit verlor, während sie durch die verschiedenen Irrgewinde der Schneehaufen ihren Weg nach dem heimischen Herd suchten. Dünne Wolken begannen gegen Morgen den Himmel zu überziehen, und der Mond versteckte sich hinter einer Dunstmasse, die unter dem Einfluß einer milderen, vom fernen Ozean herwehenden Luft rasch gen Norden getrieben wurde. Die aufgehende Sonne wurde durch dichte, sich stets mehrende Wolkenmassen verdunkelt, während der Südwind, der talaufwärts fegte, die untrüglichen Zeichen des Tauwetters mit sich führte.
Erst spät am Morgen, als Elisabeth die schwache Glut gewahrte, welche, nachdem das Licht der Sonne bereits das entgegengesetzte Gebirge berührt hatte, über den östlichen Bergen zum Vorschein kam, wagte es die Tochter des Richters, das Haus zu verlassen, um durch eine Musterung seiner Umgebung ihre Neugierde zu befriedigen, ehe noch die Nachtschwärmer des Weihnachtsabends beim Frühstück erschienen. Sie zog die Falten ihres Pelzmantels dichter zusammen, um sich gegen die Kälte, die trotz ihrer schnellen Abnahme immer noch streng genug war, zu schirmen, und war eben im Begriff, durch die Tür einer Einzäunung zu treten, welche hinter dem Hause zu einem kleinen Dickicht von niederen Fichten führte, wo vor nicht gar langer Zeit Bäume von weit gewaltigerem Wuchs gestanden hatten, als sie durch Herrn Jones’ Stimme überrascht wurde.
»Frohe Weihnachten! frohe Weihnachten, Bäschen Elisabeth!« schrie er. »Aha, ich sehe, du bist früh auf den Beinen; aber ich wußte es ja, daß ich dir zuvorkommen würde. Ich war noch nie in einem Hause, wo ich nicht der ganzen Bewohnerschaft, Mann, Weib oder Kind, groß oder klein, schwarz, weiß oder gelb, den ersten Christfestgruß abgewann. Aber warte einen Augenblick, bis ich in meinen Rock geschlüpft bin. Ich sehe, du willst dir die Verschönerungen betrachten, und die kann dir niemand so gut erklären wie ich, da alles nach meinem Plan angelegt worden ist. Es wird wohl noch eine Stunde dauern, bis Duke und der Major Frau Hollisters verwünschte Destillate hinausgeschlafen haben; so will ich denn hinunterkommen und dich begleiten.«
Elisabeth wandte sich um und sah den Kopf ihres Vetters in der Nachtmütze unter dem Fenster seines Schlafgemaches; denn der Eifer, sich die Ehre der ersten Begrüßung zuzueignen, hatte Herrn Jones die Kälte ganz vergessen lassen. Sie lachte und trat mit dem Versprechen, auf ihn zu warten, wieder in das Haus. Nach einer Weile kam sie mit einem Paket in der Hand, das mit mehreren großen Siegeln versehen war, wieder zum Vorschein, und zwar gerade zur rechten Zeit, um mit ihrem Vetter zusammenzutreffen.
»Komm, Beß, komm«, rief er, indem er einen ihrer Arme durch den seinen zog, »der Schnee fängt an weich zu werden, aber uns wird er schon noch tragen. Riechst du nicht das alte Pennsylvanien in diesem Winde? Wir haben hier ein schlimmes Klima, Mädchen. Gestern abend bei Sonnenuntergang war es kalt genug, um den Eifer eines Mannes zum Gefrieren zu bringen, und das ist für mich soviel, wie wenn das Thermometer auf Null steht; um neun oder zehn Uhr begann die Kälte zu brechen; um Mittemacht wurde es ganz mild, und die ganze übrige Nacht durch war es mir so heiß, daß ich die Wolldecke meines Bettes wegwerfen mußte. – Holla, Aggy! frohe Weihnachten, Aggy! – Hörst du, was ich sage, du schwarzer Schlingel? Da ist ein Dollar für dich: und wenn die Herren aufstehen, ehe ich zurückkehre, so kommst du heraus und läßt es mich wissen. So lieb dir dein Kopf ist, sorge dafür, daß mir Duke nicht zuvorkommt.«
Der Schwarze nahm das Geld vom Schnee auf, versprach gehörige Wachsamkeit, warf sodann den Dollar wohl zwanzig Fuß in die Höhe, fing ihn im Herabfallen mit der Handfläche wieder auf und verfügte sich nach der Küche, um mit ebenso leichtem Herzen wie glücklichem Gesicht sein Geschenk vorzuzeigen.
»Nicht so laut, lieber Vetter«, sagte die junge Dame: »Ich habe bereits nach dem Vater gesehen, der wohl noch eine Stunde schlafen wird; du brauchst daher nur die gehörige Vorsicht anzuwenden, um alle Ehren des Tages für dich zu retten.«
»Wohl! Duke ist dein Vater, Elisabeth, aber ich muß doch sagen, daß er überall, sogar in Kleinigkeiten, der Vorderste sein will. Was mich anbelangt, so mache ich mir nichts aus derlei Dingen, wenn es nicht gerade gilt, einem den Vorrang abzulaufen. Etwas an und für sich Unbedeutendes kann auf dem Weg der Konkurrenz zu etwas Wichtigem werden. So ist es mit deinem Vater, – er hat’ s gern, der Erste zu sein; aber da stehe dann ich als Mitbewerber an seiner Seite.«
»Das leuchtet mir wohl ein, Vetter«, versetzte Elisabeth. »Du würdest dir nichts aus der Auszeichnung machen, wenn du allein auf der Welt ständest; da es aber zufälligerweise noch gar viele andere gibt, – nun, so mußt du mit ihnen allen kämpfen – auf dem Weg der Konkurrenz.«
»Ganz richtig, ich sehe, du bist ein gescheites Mädchen, Beß, das seiner Erziehung Ehre macht. Du hast’s übrigens nur mir zu danken, daß du in jene Anstalt geschickt wurdest; denn als dein Vater die Sache zur Sprache brachte, fragte ich einen umsichtigen Freund in der Stadt brieflich um Rat, welcher gerade die Schule empfahl, in welche du gebracht wurdest. Duke war, wie gewöhnlich, anfangs etwas störrisch; aber als ich ihm reinen Wein einschenkte, sah er sich endlich doch genötigt, dich hinzusenden.«
»Still, still, von Dukes Schwächen. Er ist mein Vater, und wenn du wüßtest, was er für dich getan hat, während wir in Albany waren, so würdest du dich glimpflicher über seinen Charakter ausdrücken.«
»Für mich?« rief Richard, indem er einen Augenblick seinen Spaziergang unterbrach, um nachzudenken. »Ah, ich vermute, er hat mir den Plan des neuen holländischen Bethauses mitgebracht? Aber daraus mache ich mir wenig: denn ein Mann, der Talent besitzt, läßt sich nicht gerne durch die Ansichten anderer leiten; sein eigenes Gehirn ist der beste Baukünstler.«
»Nichts der Art«, fuhr Elisabeth mit einer schalkhaft herausfordernden Miene fort.
»Nicht? Nun,