Gemäß dieser sozialen Trinitätsauffassung sieht Moltmann das monarchische Trinitätskonzept kritisch. Es wurde in der westlichen Kirche ausgebildet. Immer handelt Gott der Vater durch den Sohn im Geist. Der Vater ist der Schöpfer, er versöhnt und erlöst die Welt durch den Sohn Jesus in der Kraft des Geistes. Alle Aktivität geht vom Vater durch den Sohn aus. Das eigentlich handelnde Subjekt ist der Vater, allenfalls kann der Sohn noch als solches angesehen werden, nicht aber der Geist. Der Geist ist Gabe, und nicht Geber. Mit dem monarchischen Trinitätskonzept wurde folgerichtig auch das „filioque“ („und dem Sohn“) in das Nicänum Konstantinopoletanum eingefügt. Der Geist geht deshalb vom Vater „und vom Sohn“ aus, weil die ganze Heilsgeschichte vom Vater und vom Sohn funktional gedeutet wird.
Bereits bei Tertullian, Athanasius, Basilius, Ambrosius, Augustinus und weiteren Kirchenvätern gibt es Formulierungen, auf welche sich diese spätere Trinitätsauffassung und die Verwendung von Filioque-Formeln stützen konnte. Die Synode von Toledo (447 n. Chr.) billigt ein modifiziertes Glaubensbekenntnis. Entscheidend ist aber erst das 3. Konzil von Toledo (589 n. Chr.). Gegner ist der Arianismus, der die Ansicht vertrat, dass Jesus Christus weniger ist als Gott der Vater. Der Zusatz macht deutlich, dass Jesus Christus mit Gott dem Vater gleichberechtigt ist. Um den Arianismus zu überwinden, musste freilich nicht nur eine Formel verwendet, sondern eine systematische Trinitätstheologie ausgearbeitet werden. Mit dem „filioque“ wird nämlich der Heilige Geist ein für alle Mal an die dritte Stelle in der Trinität positioniert und dem Sohn nachgeordnet bzw. untergeordnet.
J. Moltmann betrachtet die Beseitigung des Filioque-Zusatzes aus dem Glaubensbekenntnis als notwendig, zumal es erheblich zum Bruch zwischen der West- und Ostkirche im Jahre 1056 n. Chr. beigetragen hat. Diese misslungene Interpretationsformel des „filioque“ sollte besser durch eine konsensfähige Interpretation ersetzt werden, dass der Heilige Geist vom Vater allein ausgeht, aber im Sohn ruht und leuchtet. So differenziert Moltmann zwischen der zeitlichen Sendung und dem Ursprung des Geistes.92 Das geschichtliche Trinitätskonzept hingegen schreibt die einzelnen Werke der Heilsgeschichte den einzelnen Personen zu. Die Schöpfung wird dem Vater zugeordnet, die Versöhnung dem Sohn und die Heiligung dem Heiligen Geist. Schon Joachim von Fiore (12. Jh.) sprach von drei unterschiedlichen Reichen, die zwar ineinander greifen, aber voneinander getrennt zu sehen sind; ebenso vertrat Thomas von Aquin (1225–1274) die Auffassung der verschiedenen heilsgeschichtlichen Epochen93. Eine modalistische Zuteilung der einzelnen Heilsepochen zu einer der trinitarischen Personen ordnet zwar dem Geist eine „eigene“ Heilszeit zu, macht jedoch ein gleichzeitiges Zusammenwirken der trinitarischen Personen in den verschiedenen Heilszeiten kaum theologisch darstellbar.
Das eucharistische Trinitätsmodell ist geradezu eine Umkehrung der monarchischen Ordnung. In der Eucharistie wird der Geist herabgerufen (Epiklese) und er ermöglicht die Verherrlichung des Vaters und des Sohnes. Der Heilige Geist wird hier als ein handelndes Subjekt verstanden, das für die Verherrlichung und die eschatologische Vereinigung Gottes mit der ganzen Schöpfung verantwortlich ist. Hier ist der Geist die handelnde Person, während dem Vater und dem Sohn eine geradezu passive Rolle in der Gegenwart zugeordnet wird.
Mit dem doxologischen Trinitätskonzept definiert J. Moltmann ein Modell, in dem der dreieinige Gott „um seiner selbst willen“ angebetet wird.94 Ausgehend vom Glaubensbekenntnis, demzufolge der Geist zugleich mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verehrt wird, führt diese Anbetung zu einer Begegnung mit dem Dreieinen, einem Versinken in die Betrachtung Gottes. J. Moltmann nennt diese Erfahrung „Ekstase“, sinnliche und augenblickliche Wahrnehmung der ewigen Gegenwart Gottes95. Erst durch eine derartige doxologische Trinitätserfahrung wird die Voraussetzung geschaffen, um das Wirken und Werk des Geistes in der Heilsgeschichte zu erkennen und zuzuordnen. Moltmanns scharfe Kritik an der westlichen Trinitätslehre bezieht sich auf ihre Neigung zu einer binitarischen Auffassung Gottes. Diese äußert sich darin, dass der Heilige Geist nicht als eine trinitarische Person anerkannt, sondern nur als eine Wesensart oder eine Energie der Trinität gedeutet wird. Derartige Züge einer Binität nimmt Moltmann bei Karl Rahner, Hendrikus Berkhof und auch bei Heribert Mühlen wahr. Die trinitarische Gemeinschaft als eine soziale Trinität zu beschreiben, bleibt sicher eine große Herausforderung. Es wird meiner Ansicht nach hier immer ein rationales Defizit bleiben. Die trinitarische Gemeinschaft wird weniger durch dogmatische Denkmodelle, als vielmehr in der Spiritualität, der Anbetung aufgespürt. Somit kann ich den doxologsichen Ansatz von Moltmann nur begrüßen in der Hoffnung, dass dieser weitergeführt werden kann.
Um das Miteinander und Ineinander trinitarischer Gemeinschaft und Einheit zu kennzeichnen, hat sich der Begriff der „Perichorese“ als hilfreich erwiesen. Dieser Begriff bringt die wechselseitige ewige Beziehung göttlicher Gemeinschaft zur Geltung. Perichorese bezeichnet die vollständige gegenseitige Durchdringung, die zu einer Einheit oder Verschmelzung führt. Der Begriff ist abgeleitet von dem griech. perichorein (wörtlich: „herumgehen, durchwandern“). Chorein bedeutet ursprünglich „schwingen“. Es ist eine dynamische Relation. In der Christologie bezeichnet die Perichorese die wechselseitige Durchdringung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus.
In der Trinitätslehre wurde der Begriff zunächst eingesetzt, um das statischruhende Ineinander-Sein der göttlichen Personen zu beschreiben. Erstmals gebrauchte Gregor von Nazianz das Verb perichorein in einem theologischen Kontext. Er bezeichnet damit die dynamische Einheit der drei Hypostasen. Weiterhin finden wir den Begriff bei Johannes von Damaskus, der damit die trinitarische Einheit wie eine Art Wohngemeinschaft beschreibt. Er kennzeichnet damit die Einheit, die über eine Ähnlichkeit hinausweist. In der griechisch-orthodoxen Tradition wird Perichorese schließlich auf das Verhältnis von Gott und Mensch ausgedehnt. Besonderen Einfluss bis in die Gegenwart kommt dabei der Lehre von Gregor Palamas zu: Durch die göttliche Gnade erfüllt das Licht den Menschen und es vollzieht sich dabei der Vorgang der Perichorese, der Verschmelzung und Durchdringung. Nur so ist für Palamas die Rede von dem Sein in Christus (Joh 15) nachvollziehbar. In der jüngeren Theologie hat Karl Barth den Begriff der Perichorese aufgenommen, die bewirkt, „dass die göttlichen Seinsweisen sich gegenseitig so vollkommen bedingen und durchdringen, dass eine auch immer in den beiden anderen wie die beiden anderen auch in ihr stattfinden“.96 Jürgen Moltmann stellt mit der Verwendung des Begriffs stark das dynamische Einheitsmotiv heraus. „In der Kraft ihrer ewigen Liebe existieren die göttlichen Personen so intim miteinander, füreinander und ineinander, dass sie sich selbst in ihrer einmaligen, unvergleichlichen und vollständigen Einheit konstituieren.“97 Diese perichoretische Einheit sei aber eine einladende, weltoffene Einheit. Sie bildet geradezu die göttliche DNA für die Gemeinschaft, wie sie sich im angebrochenen Reich Gottes darstellen kann und soll. In dieser Gemeinschaft achtet einer den anderen höher als sich selbst (Röm 12,10). Perichorese kennzeichnet eine Art von Existenz, die immer auch den anderen mit einbezieht, ohne ihn zu vereinnahmen. Sie ist wie ein Gegengewicht zu einem Individualismus, der sich selbst genügt. In ähnlicher Weise verwendet Hans Urs von Balthasar den Begriff. Das trinitarische Wesen Gottes ist in sich kein starrer Identitätsblock, sondern eine sich bewegende Relation.98 Gisbert Greshake sieht in dieser geradezu schwingenden und spielerischen Relation den Archetyp des Lebens als Gemeinschaft, in der „Einheit und Unterschiedlichkeit völlig und gleichzeitig zum Ausdruck kommen“.99 Ebenso proklamiert Richard Rohr100 dieses trinitarische Miteinander