Frostsklave. Regina Mars. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969871799
Скачать книгу
Priester, der erst letzten Sonntag wieder die Helden gesegnet hatte, die gegen den Drachenbaron kämpften. Dem Unhold, der sich dem Herrn der Wölfe hingegeben hatte und mit abscheulichen Bestien belohnt worden war. Der Sünder, der selbst Kalte und Brandstifter an seiner Seite duldete. Der sie für sich kämpfen ließ und ihre unheilige Magie nutzte, um rechtschaffene Männer zu meucheln. Drachen hatte er auch. Zumindest erzählte man sich das.

      Oft fragte Gal sich, wie viel Wahrheit in dem steckte, das bis in ihr abgelegenes Kaff drang. Vermutlich trug der Drachenbaron nur zwei Eidechsen auf der Schulter. Vermutlich paarte sich niemand in den Straßen von Assunta und es war genau wie hier.

      »Junge.« Seine Mutter sah ihn an. »Hör auf zu träumen. Geh beim Erntefest zu Andon und bettle.«

      »Einen Scheiß mache ich.« Er spuckte aus. »Ich bettle ihn um nichts an und ich knie auch nicht nieder.«

      »Wieso denn nicht, du Hornochse?«

      »Weil er mein Freund ist.« Mist, das war ihm rausgerutscht. Aber es stimmte. Freunde nutzte man nicht aus. »Wenn Lukacs Arbeit für mich hätte, hätte der längst Bescheid gesagt.«

      Außerdem war er zu verdammt stolz, vor Lukacs auf die Knie zu sinken. Viel zu stolz.

      ***

      Nachts, als er sich auf den harten Brettern des Küchenbodens wälzte und so laut stöhnte, dass sein Bruder Laszlo ihm einen Fußtritt verpasste, träumte er davon, vor Lukacs Andon zu knien. Zu knien und die Kälte auf seinem Gesicht zu spüren.

      Es ist wie Schnee, hatte der gesagt und die Worte hatten sich in Gals Hirn gekrallt und nie wieder losgelassen. Zu den unpassendsten Zeiten suchten sie ihn heim.

      Hör auf, dachte er. Hör auf. Bitte, Ewiger. Hilf deinem Sohn.

      Doch der Ewige tat nichts und Gal wusste wieder einmal, wessen Sohn er wirklich war. Wer ihm die Hörner und die Blutaugen verpasst hatte. Der Herr der Wölfe grinste in den Schatten, wo immer er war. Und nun hatte er Lukacs Andon gewittert und pflanzte dunkle Ideen in Gals Schädel. In seinen Körper. In seine Hände, die Andon packen wollten, festhalten, sich an ihm laben, bis sein Hunger gestillt war.

      Nein, dachte Gal. Ich kann mich beherrschen. Der Ewige ist bei mir, auch wenn er sich nicht zeigt. Ich kann mich zusammenreißen. Für Lukacs.

      Doch das konnte er nicht.

      6. Ein Angebot

      Dass heute das Erntefest gefeiert wurde, war kein Grund, nicht um sechs Uhr morgens auf den Feldern zu stehen und die letzten Ähren zu sensen. Das war die Meinung seines Vaters und so standen Gal und seine Brüder mittags verschwitzt im prallen Sonnenschein und jagten die Sensen durch die letzten gelben Stängel. Mutter und die Schwestern gingen hinter ihnen, sammelten sie auf und banden sie.

      Das halbe Feld war schon abgeerntet. Es war das schlechteste, das immer am längsten brauchte. Selbst jetzt waren noch einige unreife Ähren unter den goldenen.

      So golden wie Lukacs' Haare, dachte Gal und mähte sie nieder. Sie glänzten in der Sonne und fielen.

      Alle Muskeln schmerzten, die Arme wollten aufgeben. Der Schweiß rann über seinen Rücken, Tropfen flogen durch die Luft, wenn er die Sense schwang. Er trug das Hemd um die Hüften und hätte sich am liebsten komplett ausgezogen, so drückend war die Hitze. Staub klebte auf seiner Haut.

      Er ertrug seinen eigenen Gestank kaum. Hoffentlich war noch Zeit, ein Bad im Fluss zu nehmen, bevor sie zum Fest aufbrachen. Zu seinem letzten Fest. Dort würde er Lukacs zum letzten Mal sehen. Er würde ihm ein Bier ausgeben und sich verabschieden. Und dann würde er mit den Anheurern gehen, in ihrem Pulk zum nächsten Ort ziehen, mehr Söhne sammeln. Wie Schäferhunde würden sie Schafe zusammentreiben, und er war eins davon.

      Sein großer Bruder Soos reckte sich, wischte sich über das Gesicht. Er nickte Gal zu.

      »Sauber«, sagte er und deutete auf die Schneise, die Gal in das Feld geschlagen hatte. »Wird schwer nächstes Jahr. Ohne dich.«

      »Ja.« Gal packte seine Sense fester. »Aber ihr schafft das.«

      Und sie würden wieder mehr Gemüse verkaufen, zu besseren Preisen. Die Nachbarn würden öfter vorbeikommen, wenn der Verfluchte nicht mehr im Haus war.

      »Eh.« Soos war groß, breit und dumm wie ein Baumstamm. Er grinste. »Hast du gehört? Kata hat Ja gesagt. Im Oktober wird geheiratet.«

      »Hat sie dann schon 'nen dicken Bauch?«, fragte Gal.

      Soos' Gesicht wurde noch röter. »W-was?«, stotterte er.

      »Weil sie heute Nacht vom Hof geschlichen ist. Ich konnt nicht schlafen, da hab ich sie gesehen.«

      Soos sah sich nervös um und Gal brummte beschwichtigend.

      »Ich sag nichts. Und morgen bin ich weg.«

      »Gut.« Soos räusperte sich. »Also, nicht gut, dass du gehst.«

      »Danke.«

      »Die Ernte nächstes Jahr. Das wird zum Kotzen. Vater kann kaum noch sensen, so krumm ist der. Das bleibt dann alles an mir hängen.« Er kniff die Augen zusammen und sah aus wie ein blinzelndes Ferkel. »He, da kommt wer. Ist das Bürgermeister Andons Sohn?«

      Angenehme Schauer rannen über Gals Haut. Seine nasse, stinkende Haut. Betont langsam atmete er ein und wandte sich um.

      Lukacs starrte ihn an. Er war noch ein Stück entfernt, so weit den geschlängelten Feldweg hinunter, dass er kaum größer als Gals Hand wirkte. Und doch konnte Gal sein Starren erkennen. Wie ein Prinz ritt Lukacs auf einem Apfelschimmel durch die abgeernteten Felder, auf einem Hengst, der tänzelte und Fesseln hatte, die schlanker als die von Gals kleiner Schwester waren.

      Lukacs, dachte er und sein Herz trommelte einen ungeduldigen Rhythmus. Seine Brust weitete sich und er fuhr sich schnell durch die Haare, als wäre bei dem Gestrüpp auf seinem Kopf irgendwas zu retten. Die Handkante streifte ein raues Horn. Kaum hatte er die Arme gehoben, malträtierte sein Achselgeruch seine Nase.

      Mist, Mist, Mist. Er stank wie ein … ein Bauer. Er schluckte. Fühlte sich grob und eklig neben Lukacs, der sauber und frisch daherkam wie immer. Dessen hellbraune Lederweste seine Augen noch mehr wie Kastanien aussehen ließen.

      »Andon!«, rief Gal und schaffte es, seine Stimme nicht brechen zu lassen. Sie war nur ein wenig rauer als sonst. »Was machst du hier?«

      »Ich wollte dich abholen!«, rief Lukacs zurück. Sein Blick war auf Gals bloßen Oberkörper gerichtet, die Wangen von der Hitze gerötet. »Aber am Hof war nur deine Schwester. Ich wusste nicht, dass ihr noch arbeitet.«

      »Muss sein«, sagte Gal. Er stiefelte zu Lukacs hinüber. An seiner Schwester Hora vorbei, die Lukacs anstarrte, als wäre er eine brutzelnde Schweinshaxe. Gal starrte vermutlich ganz ähnlich. Seltsamerweise schaute Lukacs ebenfalls irgendwie, na, hungrig.

      »Äh.« Lukacs blinzelte. Sein Pferd schnaubte nervös und er musste es zügeln. Es drehte sich einmal um sich selbst. »Ah ja. Natürlich.«

      Was hatte dem jetzt die Sprache verschlagen? Gal kratzte seinen nackten Bauch und versuchte, nicht wie ein schäbiger Bauer auszusehen, obwohl Halme und Staub an ihm klebten.

      »Schöner Gaul«, sagte er, um etwas zu sagen. Wie konnte es sein, dass Lukacs noch besser aussah als sonst? Vielleicht, weil er nicht wie sonst vom Schatten und Mief der Stadt umgeben war. Hier, vor den grünen Hügeln, im warmen Sonnenlicht, strahlte er noch heller.

      »Ja. Ist mein Lieblingspferd.« Lukacs räusperte sich. »Also. Ich wollte dich zum Erntefest abholen. Und etwas mit dir besprechen. Aber du hast zu tun, hm?«

      »Ja.« Ein Bienenschwarm summte in Gals Bauch. Lukacs wollte ihn abholen. Ihn! »Tut mir leid.«

      »Geh ruhig.« Seine Mutter war unbemerkt an ihn herangetreten. »Wir machen das allein zu Ende. Hallo, Herr Andon.« Sie lächelte