»Sicher«, sagte Leo und wischte mit dem Finger über das Reader-Display, als könnte er nicht uninteressierter sein. »Machen wir eine Liste der Verdächtigen. Wer könnte deine T-Shirts tragen?«
»Na ja, ich«, erklärte Ridge. »Und Danny, aber Gott weiß, dass er sowieso keine Shirts trägt.« Danny schnaubte. »Wes vielleicht.« Er sah mich an. »Aber der hat nicht meinen Geschmack. Oder überhaupt Geschmack. Und dann ist da noch, hm …« Er sah Breck an und verengte die Augen.
»Anstatt es ›stehlen‹ zu nennen«, sagte Breck und leckte sich die Lippen, »was wirklich ein harsches Wort ist, würde es dir vielleicht helfen, wenn du es als ›Befreiung‹ betrachtest?«
»Du hast meine T-Shirts gestohlen!«, brüllte Ridge. »Gütiger Gott. Mein eigener Bruder?«
»Na ja, ich hatte meine eigenen ja eine Zeit lang nicht, weil meine Sachen in D. C. waren, und dann … äh … kam ich wohl zu dem Schluss, dass mir deine besser gefallen?« Breck grinste einnehmend.
»Du konntest dir keine Shirts von deinem Freund borgen?«
»Nein. Ich meine … hast du meinen Freund gesehen?« Breck strich über Steeles breite Brust, während der selbstgefällige Mistkerl grinste.
»Du bist ein Scheißkerl, Breck Mason Pfeiffer«, verkündete Ridge. »Ich erwarte, dass sich meine Shirts innerhalb einer Stunde wieder in meinem Besitz befinden, sonst wird eine Schreckensherrschaft beginnen, wie du sie noch nie erlebt hast.«
Breck streckte ihm die Zunge raus.
»Seht ihr, das alles wäre kein Problem, wenn ihr Jungs euch einfach der Nacktheit verschreiben würdet«, sagte Danny schläfrig. »Befreit die Brustmuskeln.«
Ich schnaubte unterdrückt, aber natürlich hatte Danny mich gehört und hob den Kopf, um mich böse anzusehen.
Himmel. Da sage ich ein Mal etwas Dummes, weil sich ein Typ prostituiert hat, und schon fährt er mich jedes Mal an, wenn ich auch nur ausatme, und reißt mir Tag und Nacht den Arsch auf.
Aber nicht auf die gute Art und Weise.
Es gab Momente, in denen ich wirklich nicht verstand, was zum Teufel ich hier machte. Ich meine, ja, sicher, Charlie hatte etwas gegen mich in der Hand, das ich wirklich nicht öffentlich machen wollte. Aber im Gegensatz zum Rest der Jungs glaubte ich, dass ich auch etwas gegen Charlie in der Hand hatte. Er war Informationshändler gewesen, aber ich hatte mich darauf spezialisiert, Informationen zu beschaffen. Ich könnte schmutzige Details über Charlies Firmen finden – oder erfinden, wenn es sein musste –, die alles zunichtemachen würden, was er über mich hatte. Ich konnte genug Beweise platzieren, um Miranda als hoch gehandelte Zuhälterin festnehmen zu lassen, bevor sie mich den Behörden übergeben konnte. Und um ehrlich zu sein, war die Vorstellung unglaublich lustig. Himmel, ich könnte jeden dieser Typen hier hinter Gitter bringen, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten.
Und obwohl ich sie jetzt besser leiden konnte als noch zu Beginn, war es manchmal schwer, mich daran zu erinnern, warum ich mein gemütliches kleines Heim aufgegeben hatte, um auf die Insel der absonderlichen Kriminellen zu kommen.
Ich war schon immer ein Einzelgänger gewesen.
»Postausgabe!«, rief Josie, als sie auf die Terrasse kam.
Wie immer drehten sich beim Klang von Josies Stimme alle um, weil sie uns hauptsächlich leckeres Essen oder alkoholische Getränke zu bringen schien. Nach ein paar Wochen hatte sie uns schon gut konditioniert.
Heute trug Josie einen kurzen weißen Rock, weiße Plateaustiefel und einen Schal mit Blumenmuster. Wurde in der Nähe ein Austin-Powers-Sequel gedreht? Ich hätte ihr zugetraut, bei so etwas mitzuspielen.
»Post?«, fragte ich. »Jemand hat tatsächlich Post hierher bekommen? Die Leute verschicken Dinge tatsächlich noch mit der Post?«
»Nur Ridge«, antwortete sie grinsend. »Aber ich wollte schon immer mal ›Postausgabe‹ sagen.«
Ich erwiderte ihr Lächeln. Es war unmöglich, Josie nicht zu mögen.
Sie reichte Ridge eine Zeitschrift, die er schnell zusammenrollte und hinten in seinen Hosenbund steckte. Wurde er rot?
»Und für den zweiten Teil der Postausgabe darf ich euch die einzig wahre Miraaaanda Bosley präsentieren!« Josie breitete die Arme aus wie der Moderator einer Gameshow und wackelte mit den Fingern.
Miranda trat in einem blauen, ärmellosen Kleid auf die Veranda. In einer Hand hielt sie eine Aktentasche, in der anderen eine Flasche Wasser. »Sehr dezent, Josie. Danke.«
»Gern geschehen!«, flötete Josie. »Also, im Kühlschrank sind allerlei Snacks, und auch Steaks, wenn ihr sie grillen wollt, aber ich habe in einer halben Stunde einen Kurs für Unterwassersprengung und bin spät dran. Ihr seid auf euch allein gestellt, Jungs … und Miranda.«
Ridge runzelte die Stirn. »Du nimmst an einem Kurs für Unterwassersprengung teil?«
»Was? Nein!« Josie lachte. »Gott! Das wäre ja was. Wenn ich in meinem Alter noch etwas über Unterwassersprengung lernen würde.« Sie schüttelte den Kopf, als wäre Ridge zum Schreien komisch.
»Aber du hast gesagt …«
»Ich unterrichte, Ridge, Liebling. Ich leite den Kurs.«
Ridge starrte Josie an, als wäre sie ein Einhorn. Hauptsächlich, weil sie das auch war.
Mein Handy vibrierte in meiner Hand.
Eine neue Mail von Jane mit einem süßen kleinen Anhang und einem lächelnden Smiley.
Wenn es einen größeren Rausch als diesen gab, hatte ich ihn noch nicht gefunden, und ich war mir sicher, dass er mit legalen Mitteln nicht zu erreichen war. Ich liebte es, den Ton anzugeben, ich liebte es, die Kontrolle zu haben. Ich liebte es, zu wissen, dass ich nie wieder machtlos sein würde. Und ich liebte, dass dieses High mit dem zusätzlichen Bonus kam, anderen Menschen tatsächlich zu helfen.
Natürlich war das heutige Projekt nicht wirklich eine Schlagzeile wert. Informationen aus einer lästigen kleinen Presseerklärung zu bekommen – Informationen, die in ein paar Tagen sowieso öffentlich gemacht werden würden –, war nicht dasselbe, wie meine Bot-Armee zu benutzen, um Schwachstellen in einem Server anzugreifen, aber ich tat es nicht, um jemanden zu beeindrucken. Und außerdem zog ich die Kunst der sozialen Manipulation einem Hau-drauf-Diebstahl jederzeit vor. Besorg dir ein paar Insider-Informationen, investiere klug, profitiere davon, und sorg dafür, dass auch andere davon profitieren.
Ich betrachtete es eher als Umverteilung von Reichtum und nicht als Diebstahl. Oder, wie Breck sagte, ich befreite das Geld von den Megareichen, damit ich es bei einer Wohltätigkeitsorganisation aussetzen konnte, die unterprivilegierten Kindern in Chicago half … oder vielleicht Hurrikanopfern unten in Puerto Rico.
»Bond?«
Ich hob den Blick und war überrascht, dass Miranda direkt vor mir stand. Ich war von der Vorstellung abgelenkt gewesen, wie viel Gutes ich tun könnte, und hatte nicht gehört, wie sie auf mich zugekommen war. Warum schauten mich alle an, als … Oh, verdammt. Mein Blick richtete sich auf den braunen Briefumschlag in Mirandas Hand. Ich kannte diesen Umschlag. Er sah genauso aus wie der, den Steele vor ein paar Wochen geöffnet und der uns dazu gebracht hatte, gegen John Harlan zu ermitteln.
Anscheinend war ich jetzt an der Reihe.
»Die andere Hälfte der Postausgabe, hm?«, fragte ich und nahm den Umschlag.
»Eigenhändig zugestellt. Für Sie nur das Beste«, sagte Miranda gedehnt. Sie nahm ihre Aktentasche. »Tja. Viel Glück, Jungs.«
»Moment, was? Bleiben Sie nicht, während ich ihn öffne?«
Sie schüttelte den Kopf. »Genau wie beim letzten Mal. Glaubhafte Bestreitbarkeit. Sie haben Ihre unbegrenzten Kreditkarten, Charlies Ressourcen und Josie. Aber wenn Sie in der Klemme stecken, können Sie mich anrufen.«
»Und