Ein polierter Eichenholztisch in der Mitte nahm den Großteil des Raums ein. Er war für elf Personen vorbereitet, einschließlich Schreibtischunterlagen, Getränken, Stiften, Papier, Aschenbechern und der Tagesordnung.
Blofeld begab sich ans Kopfende des Tisches, während die anderen zu ihren Plätzen gingen, die allesamt mit Namenskärtchen versehen waren. Sie setzten sich erst hin, nachdem sich der Boss niedergelassen hatte.
»Diesen Monat ist die Tagesordnung kurz«, begann Blofeld. »Es gibt nur drei Punkte: das Budget, das kürzliche Debakel an Bord von Flug BA 12 und die Operation, die wir HOUND nennen. Nun denn, Mr El Ahadi, das Budget bitte.«
Der Herr aus Kairo stand auf. Er war ein großer dunkelhäutiger Mann mit sehr attraktiven Gesichtszügen und einer honigsüßen Stimme, die einst viele junge Frauen bezaubert hatte. »Ich freue mich, verkünden zu können«, sagte er, »dass unsere Bankkonten in der Schweiz, in London und in New York selbst ohne die erhofften Einkünfte von Flug BA 12 jeweils vierhundert Millionen Dollar, fünfzig Millionen Pfund Sterling und einhundertfünfzig Milliarden Dollar enthalten. Die Gesamtsumme wird unseren Berechnungen zufolge für unsere derzeitigen Zwecke ausreichen. Und wenn die Operationen unserem Budget entsprechend erfolgreich sind – wie unser Boss es voraussagt –, können wir davon ausgehen, dass sich der Betrag innerhalb eines Jahres verdoppelt. Wie vereinbart werden sämtliche Gewinne, die über unsere ursprüngliche Investition hinausgehen, gleichmäßig aufgeteilt.« Er schenkte den Anwesenden sein charmantestes Lächeln, und die versammelte Gesellschaft lehnte sich entspannt zurück.
Blofelds Hand landete hart auf dem Tisch. »Sehr gut.« Ein kratzender Unterton hatte sich in die Stimme geschlichen. »Aber der Fehlschlag unseres Überfalls auf Flug 12 ist unentschuldbar. Vor allem nach einer so gründlichen Vorbereitung Ihrerseits, Herr Treiben.« Blofeld warf dem deutschen Abgesandten einen angewiderten Blick zu. »Wie Sie wissen, Herr Treiben, haben andere Vorstandsmitglieder von SPECTRE unter ähnlichen Umständen den ultimativen Preis bezahlt.«
Treiben, ein dicklicher und rosiger Mann, einer der Bandenchefs der westdeutschen Unterwelt, wurde schlagartig blass.
»Allerdings«, fuhr Blofeld fort, »haben wir einen anderen Sündenbock. Es mag Ihnen nicht bekannt sein, Treiben, aber wir haben endlich Ihren Mr de Luntz erwischt.«
»Ah?« Treiben rieb sich die Hände und erwiderte, er habe ebenfalls nach Mr de Luntz Ausschau gehalten. All seine besten Männer hätten erfolglos nach de Luntz gesucht.
»Ja, wir haben ihn gefunden.« Blofeld strahlte und klatschte so laut in die Hände, dass es wie ein Pistolenschuss klang. »Und da wir ihn gefunden haben, denke ich, dass er sich nun zu seinen Freunden gesellen sollte.« Die Vorhänge vor den großen Fenstern glitten lautlos auf. Gleichzeitig wurden die Lichter im Raum gedimmt. Draußen vor dem Fenster wirkte die unmittelbare Umgebung taghell. »Ein Infrarotgerät«, erklärte Blofeld, »damit sich die Wächter dieses Hauses nicht vor dem Licht fürchten. Ah, hier kommt auch schon Ihr Mr de Luntz.«
Ein kahlköpfiger, ängstlich wirkender Mann in einem schmutzigen, zerknitterten Anzug wurde direkt vor das Fenster geführt. Seine Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden und seine Füße waren ebenfalls gefesselt, sodass er in Critons Griff vorwärtsschlurfte. Seine Augen zuckten wild hin und her, als würde er die Dunkelheit nach einem Ausweg vor etwas Undefiniertem, aber offensichtlich Schrecklichem absuchen.
Criton führte den Mann zu einem Metallpfahl, der sich nur ein paar Meter von dem massiven Glasfenster entfernt befand. Im Inneren des Hauses konnten die Beobachter nun sehen, dass von den Fesseln an de Luntz’ Handgelenken ein kurzes Stück Seil hing. Criton befestigte das Seil am Pfahl, drehte sich um, lächelte in Richtung des Fensters und verschwand dann außer Sichtweite.
Sobald Criton fort war, erklang von der anderen Seite des Fensters ein dumpfes Pochen, und der Gefangene wurde von einem Metallgitter aus Wirbelsturmschutzzäunen umschlossen, die an einem schweren Gerüst befestigt waren. Das Gitter bildete drei Seiten und ein Dach, wodurch es wie ein kleines quadratisches Eishockeytor aussah. Die offene Vorderseite befand sich fast am Rand des Wassers, das etwa drei Meter vom Fenster entfernt ans Ufer schwappte.
»Was hat er getan?«, fragte einer der Amerikaner. Es war Mascro, der weißhaarige, onkelhafte Mann aus Los Angeles.
»Er war die Unterstützung für BA 12. Er hat seinen Kameraden nicht geholfen«, höhnte Treiben.
»Mr Mascro«, Blofeld hob eine Hand, »de Luntz hat uns genau erzählt, was passiert ist. Wie die anderen zu Tode kamen und wer dafür verantwortlich war. Ah, einer der Wächter hat Mr de Luntz entdeckt. Ich wollte schon immer mal sehen, ob eine Riesenpython einen Mann komplett verschlingen kann.«
Die Vorstandsmitglieder von SPECTRE standen am Fenster und beobachteten das Schauspiel mit Faszination und Entsetzen. Die Infrarotvorrichtung gewährte ihnen ein klares, taghelles Bild. Außerdem konnten sie hören, wie das unglückliche Opfer zu schreien begann, als es das Reptil entdeckte, das von den hohen Schilfrohren in der Nähe des sumpfigen Ufers aus auf es zukroch.
Die Python war riesig, mindestens neun Meter lang, mit einem fetten, festen Körper und einem gewaltigen dreieckigen Kopf. De Luntz, der am Pfahl festgebunden war, begann sich zu winden. Er wollte sich befreien, doch plötzlich schoss die Python vor und wickelte sich um ihn.
Die Kreatur bewegte sich mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit und umschloss de Luntz’ Körper wie eine gewaltige Kletterranke. Es schien nur noch eine Frage von Sekunden zu sein, bis der Kopf der Python auf einer Höhe mit dem seines Opfers sein würde – die beiden eng umschlungenen Gestalten schwankten hin und her, als befänden sie sich in einem obszönen Todestanz. De Luntz’ Schreie wurden immer gequälter, während die Python ihren Kopf auf eine Höhe mit dem Gesicht des Mannes brachte. Das zahnbewährte Maul schnappte in wütender Erregung. Das Reptil und seine Beute schauten sich ein paar Sekunden lang in die Augen. Die Zuschauer konnten deutlich erkennen, wie der Würgegriff der Python um den Körper des Mannes immer enger wurde.
Dann wurde de Luntz schlaff und das Paar fiel zu Boden. Einer der Zuschauer, der sich mit den anderen sicher hinter dem Fenster befand, keuchte laut auf. Die riesige Schlange löste sich mit drei schnellen Bewegungen ihres langen Körpers von dem Mann und begutachtete nun ihre Mahlzeit. Zuerst schnappten die Kiefer nach dem Seil und zerrten es los. Dann bewegte sich die Schlange auf die Füße des Opfers zu.
»Das ist wirklich erstaunlich.« Blofeld stand sehr nah am Fenster. »Sehen Sie nur, wie die Schlange seine Schuhe abzieht.«
Nun drehte sich die Python herum, bis ihr Kopf auf einer Linie mit den Füßen des Mannes war. Das Reptil zog sich zusammen, bevor es seine Kiefer unglaublich weit öffnete und sie um die Knöchel der Leiche schloss.
Der gesamte Vorgang dauerte fast eine Stunde, doch die Gruppe im Haus blieb fasziniert stehen und beobachtete alles wie hypnotisiert. Die Python schluckte ein paar Mal ruckartig und hielt nach jeder Anstrengung reglos inne, bis auch die letzten Überreste von de Luntz verschwunden waren. Dann lag die von dieser Anstrengung völlig erschöpfte Schlange ruhig da. Ihr langer Körper war enorm aufgebläht, sodass die Zuschauer deutlich die Umrisse des zerdrückten menschlichen Körpers ausmachen konnten, der sich nun im Inneren der Schlage befand.
»Eine interessante Lektion für uns alle.« Blofeld klatschte erneut in die Hände. Die Vorhänge glitten wieder zu und die Lichter gingen an. Nachdenklich kehrte die Gruppe an den Tisch zurück. Ein paar der Anwesenden waren blass und angesichts dessen, was sie soeben beobachtet hatten, sichtlich erschüttert.
Der Deutsche, Treiben –