Das Erbe Teil I. Wolfgang Ziegler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolfgang Ziegler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955011499
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ominösen Herren vom Stein. Das ist mir alles unheimlich, weißt du das eigentlich. Ich habe Angst um dich“, regte sich Sabine auf. „Herren vom schwarzen Stein“, verbesserte Wolf. „Aber sind sicher keine unheimlichen Leute, die gar Böses im Schilde führen, meine Liebe, das weißt es doch eigentlich“, lachte er dann leise auf. Setzte sich dicht neben sie, nahm sie fest in den Arm und strich ihr liebevoll durch das rötlich schimmernde Haar. „Du brauchst überhaupt keine Angst zu haben. Man möchte doch nur, daß nicht alles weiter verkommt. Und nach dem Krieg soll das gute und fortschrittliche Erbe nicht völlig vergessen werden. Die Alliierten zerstörten vieles, doch quälen sie anscheinend noch immer gewisse Ängste. Und dafür könnten sie auch allen Grund haben. Denn dieser liegt in jenen Leuten, die noch immer im Verborgenen als die Bruderschaft der Herren vom Schwarzen Stein mit ihren geheimen Aktivitäten wirken. Diese setzen wohl ein uraltes Vermächtnis fort. Sie sind noch da und besitzen sicherlich auch bestimmte Machtmittel, die irgendwo ruhen. Und den Hauch einer Ahnung haben ihre Widersacher schon davon. Diese sind aber sehr vorsichtig geworden, lecken sich ihre Wunden, die ihnen im Verborgenen geschlagen wurden. Da bei versuchen sie aber weiter in die Organisation einzudringen, besonders ihrer Köpfe und der Geheimnisse habhaft zu werden.“

      Es war unterdessen vollends dunkel geworden im Raum. „Sei still, sei doch endlich still“, sagte Sabine leise, während sie ihn leidenschaftlich zu küssen begann und immer fester an sich zog. Der Duft ihrer weichen Haut und ihre so fraulich-runden Formen nahm Wolf schließlich vollends den Atem. Und bald schwanden ihrer beider Sinne im samtenen Licht ferner, nebelhafter Sterne.

      Es war dann mitten in der Nacht, als Sabine allein am breiten Fenster des Wohnraumes stand und nachdenklich in die dunkle Stille hinausschaute. Die helle Gestalt ihres Körpers hob sich vorm dunklen Hintergrund sanft ab. Ihre warmen Hände rangen miteinander, an Schlaf war nicht zu denken. Sie fürchtete für den Mann, der hinter ihr friedlich schlafend auf der breiten Couch ruhte. Noch nie hatte sie eine solche Angst um ihn verspürt. Sie hegte keinen Zweifel, daß er sein Vorhaben in die Tat umsetzen und in das ferne, gefährliche Gebirge zu den dort ruhenden Geheimnissen aufbrechen würde. Er war, so lange sie ihn kannte, schon immer eigensinnig gewesen. Was er sich in den Kopf setzte, mußte er ausführen. Auch auf die Gefahr hin, dabei zu verlieren. Sie konnte ihm kaum raten. Sein Entschluß stand wohl schon fest. Dass er eine geheimnisvolle Organisation für seine Ziele ausnutzen wollte, deren tieferer Sinn ihr sich noch nicht vollends offenbart hatte, störte sie weniger. Sie hatte schließlich auch eine ausgeprägte Ader für mystische Dinge, sah aber auch gern die Realitäten. Und die bestanden in den von ihren Eltern geerbten Land und dem kleinen Hof. Hier hatte sie auch Wolf kennen gelernt. Er war auf einer Fahrt zurück nach Frankfurt in der Nähe mit Reifenschaden liegengeblieben. Kein Mensch weit und breit. Dann kam sie und half ihm mit fehlendem Werkzeug aus. Ein plötzlicher Regenguß hatte sie dabei beide durchnäßt. Also bat sie den ihr sofort sympathischen Pechvogel ins Haus. Er strömte eine besondere Art von Wärme und Zutrauen aus, die sie schon sehr lange vermißte. Und ihr Wolf fuhr seit diesem Tag bald öfter zu dem kleinen Hof an den waldigen Höhenzügen. Es dauerte auch nicht lange und sein Auto blieb bis zum frühen Morgenlicht stehen. Hatte es ihm doch seine einstige Pannenhelferin inzwischen mehr als angetan. Und dies beruhte nun schon über ein Jahr auf wachsender gegenseitiger Sympathie.

       Eulengebirge

       Ein halbes Jahr später

      Die wilden, dunklen Wälder schoben sich dicht an die schmale Fahrstraße heran. Hoch oben zogen sich neblige Bergkämme über dem Tal dahin, das sich hier in vielen Windungen tief in das einsame Gebirge schlängelte. Der Weg war nicht gepflastert, aber die alte Splittdecke sorgte noch immer für ein recht sicheres Fahren. Der dunkle Personenwagen zog brummend weite Serpentinen hinauf, sich immer mehr einer bestimmten Gipfelregion nähernd. Mit Erleichterungen stellte Wolf fest, daß offenbar niemand sich in den Bergwäldern aufhielt. Jedenfalls weder Menschen noch Fahrzeuge waren ihm in der letzten dreiviertel Stunde begegnet. Er wollte sich vorerst einen Überblick verschaffen. Sein Ziel war die Gegend, wo sich der Zugang zu der Stollenanlage befinden mußte. Er machte sich keine Illusionen darüber, daß das Auffinden dieses Einganges wahrscheinlich das Schwierigste an dem ganzen Unterfangen sein könnte. Die Karte neben ihm auf dem Beifahrersitz, sorgsam abgedeckt gegen eventuelle unbefugte Blicke, wies ihm zwar in groben Zügen den Weg, aber das eigentliche Loch im Berg war auf ihr nicht detailliert angegeben. Hier mußte er die Handskizze Meurats zu Hilfe nehmen. Dieser hatte nach seiner Erinnerung ungefähr den Platz markiert.

      Bald sollte neben der Straße der Verlauf der ehemaligen Schmalspurbahn auftauchen, die damals angelegt worden war und die sich wie eine Bergbahn zur Gipfelregion des Komplexes „Steinberg“ schlängelte. Eine Umladestation zwischen Straße und Bahntrasse hätte hier existiert, wo die Gleise kurzzeitig parallel zum Fahrweg verliefen. Dieses laut Karte langgezogene Hochtal, mit einem rauschenden Wildbach, müßte er gleich erreicht haben. Und tatsächlich glitzerte da auch schon unter dichten Tannen am Weg das Wasser eines Wildbaches. Der Nebel des frühen Morgens hing dicht über den waldigen Höhenzügen, und der frische Duft von Tannengrün und nassem Moos drang immer stärker durch das spaltbreit geöffnete Fahrerfenster ins Innere des alten Wagens. Aufmerksam steuert Wolf ihn nun in den sich endlich hier öffnenden Talgrund hinein.

      Nochmals verglich er die Karte mit der Örtlichkeit und fuhr langsam weiter. Das leise Brummen des Motors wurde vom Morgendunst der dichten Waldungen zu beiden Talseiten gedämpft. Und das namenlose Wildwasser rauschte zudem angenehm laut über die uralten und dick bemoosten Felsbrocken in seinem Bett.

      Langsam schälte sich der ehemalige Umschlagplatz zwischen Bergbahn und Gebirgsstraße aus den grauen Schleiern heraus. Ein paar alte Schuppenreste, ein kleineres gemauertes Gebäude und ein rostiger Wasserhochbehälter standen neben dem ehemaligen Bahndamm. Wolf fuhr den betagten Opel in die Deckung der ruinenartigen Bauten, stieg aus und sah sich vorsichtig um. Allenthalben lagen überall noch die Reste verschiedenster Baumaterialien herum. Hier eine Ladung längst zu Stein erstarrter Zementsäcke, dort ein Haufen rostiger Rohre, an anderer Stelle wiederum Stapel inzwischen vermodernden Bauholzes. Die feuchte Witterung des Gebirgstales sorgte für den schnellen Verschleiß dieser lange zurückgebliebenen Dinge. Und schon zogen auch die grünen Walddickichte sich wieder enger um den verlassenen Platz einstiger menschlicher Aktivitäten. Etwas Unheimliches hatte der menschenleere Ort schon an sich. Fröstelnd zog Wolf die Schultern zusammen und schritt über knirschenden Bausand zu dem Gebäude unmittelbar an der schmalen Bahntrasse.

      Wie sich herausstellte, war es eine Art kleiner Güterschuppen mit angebautem Aufsichtsraum. Das Innere des Lagergebäudes zeigte sich dunkel und leer, nachdem Wolf vorsichtig die marode Schiebetür quietschend aufgezogen hatte. Der ehemalige Aufsichtsraum bot ein noch traurigeres Bild. Blinde Fensterscheiben verbreiteten in dem wüsten, kleinen Büro mit dem rostigen Kanonenofen ebenfalls nicht gerade viel Helligkeit. Hier war gründlich geplündert worden. Zerschlagen der massive Schreibtisch, die Türen der alten Blechspinde aufgebrochen, auch ansonsten bedeckte nur Unrat den Boden. Sich schüttelnd verließ der einsame Besucher wieder den verwilderten Bau. Draußen begann sich der Nebel nun endlich etwas zu lichten. Feuchtigkeit schlug sich an den rostroten Schienen nieder, die hier in Fragmenten noch vorhanden waren. In den tief dunkelgrünen Waldungen um den Platz rief plötzlich ein Eichelhäher laut in die Stille. Wolf zuckte ungewollt zusammen und suchte automatisch Schutz hinter einem Haufen Schrott, der neben einer maroden Hochzisterne lag.

      Er bereute plötzlich, allein gefahren zu sein. Pawlek, aus dem Dorf am Fuß des Gebirges, hatte seine Begleitung angeboten. Er war der Mann, dessen Adresse Wolf noch kurz vor seiner Abreise ins Eulengebirge überraschend von Meurat bekommen hatte. Der Anwalt teilte ihm mit, daß Pawlek ihm sozusagen als Verbindungsmann zur Verfügung stünde. Der gebürtige Pole sei früher eine Art Adjutant gewesen, spreche fließend Deutsch und kenne sich in der Gegend gut aus. Er würde daher stets verläßlich schweigen, um dieses Geheimnis zu wahren, von dem in seinem heimatlichen Umfeld niemand wußte, so die knappen Auskünfte Meurats.

      Doch Wolf war dennoch mißtrauisch. Seinen ersten Gang in die Berge wollte er unbedingt allein unternehmen. Da brauchte er keinen Aufpasser. Und der alte Pole zeigte sich sehr wortkarg und war keineswegs begeistert, als Wolf bei ihm auftauchte. Es war in der Abenddämmerung