Gesammelte Kindergeschichten & Romane von Agnes Sapper. Agnes Sapper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Agnes Sapper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027208784
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      »Glauben Sie nicht, daß ich solche Unarten unbestraft lasse,« sagte Herr Pfäffling zum Hausherrn. »Sie dürfen ja nur klagen, dann werden die Jungen bestraft. Kommt nur gleich her, ihr Schlingel,« rief der Vater und faßte den Kleinen, der ihm zunächst stand. »Wo sind denn aber die andern, sie waren doch eben noch da? Wegen dir allein ist mir’s gar nicht der Mühe wert anzufangen, schnell hole deine Brüder.« Der Frieder ging und rief mit weinerlichem Stimmchen die Brüder; von denen war aber nichts zu sehen und nichts zu hören, er kam allein zurück und sagte: »Sie sind alle fort.«

      Da lachte der Hausherr und sagte: »Die sind nicht so dumm wie du, spring doch nur auch davon, du brauchst nicht für die andern die Schläge zu kriegen, du bist ja gar nicht einmal dabei gewesen.« Und dann wandte der Hausherr sich zu Herrn Pfäffling: »Es ist nicht nur wegen der Kinder,« sagte er, »die sind ja gut in Zucht, aber ich kann’s meinen Verwandten nicht abschlagen, daß sie zu mir ins Haus ziehen.«

      Der Hausherr ging, die Eltern sahen sich bestürzt an. So billig wie sie hier seit zehn Jahren gewohnt hatten, würden sie jetzt nirgends unterkommen, und schon der Auszug kostet Geld. Herr Pfäffling ging mit langen Schritten hin und her und schalt bald über die Kinder, bald über den Hausherrn. »Wäre ich nur schon fort gewesen,« rief er endlich, »hätte ich nur meine Reise schon in Sicherheit gebracht, jetzt wird nichts mehr daraus oder meinst du, es ginge doch?« fragte er, hielt mit seinem raschen Gang inne vor seiner Frau, die ganz betroffen am Tisch stand und in Gedanken verloren auf die Karte niedersah.

      »Meinst du, es reicht vielleicht doch zur Reise?« wiederholte Herr Pfäffling. Sie sah ihn traurig an: »Wenn’s nur zum Leben reicht,« sagte sie, »wer weiß, wieviel Miete wir künftig zahlen müssen!« Da ging er wieder auf und ab, der Ärger wich und die Sorge kam; immer langsamer und nachdenklicher wanderte er durch das Zimmer und als er wieder am Tisch vorbeikam, faltete er sorgfältig die Karte vom Fichtelgebirge, reichte sie einem der Kinder und sagte traurig: »Tragt sie nur wieder in die Buchhandlung zurück und sagt, der Vater brauche keine Reisekarte.«

      * * *

      »An Wohnungen fehlt’s wenigstens nicht,« sagte Herr Pfäffling, als er am nächsten Tag den Anzeiger mit heimbrachte, in dem ganze Reihen Wohnungen zur Miete angeboten waren. Und er machte sich auf den Weg, um solche anzusehen, die ihm passend erschienen. In der Langenstraße waren zwei ausgeschrieben. Die erste war zu teuer, die zweite noch viel teurer. Unser Musiklehrer erschrak ordentlich. »Wenn ich so viel Miete zahlen müßte, dann bliebe uns kein Geld mehr übrig fürs tägliche Brot,« sagte er und wanderte weiter hinaus, der Vorstadt zu, eine endlose Straße entlang, bis er Nr. 80 erreicht hatte, wo eine Wohnung frei war. Ja, da war es nicht mehr so schrecklich teuer, da konnte man sich doch auf Unterhandlung einlassen. Der Hausherr führte ihn durch die Zimmer. Ein wenig klein waren diese. Herr Pfäffling stellte im Geist die Bettstellen und sprach so halblaut vor sich hin: »Hier mein Bett und das von meiner Frau, hier Karl, Wilhelm und Otto, hier Marianne, da Frieder –«

      »Ja, erlauben Sie einmal,« unterbrach ihn jetzt der Hausherr, »wieviel haben Sie eigentlich Kinder?«

      »Wir haben sieben.«

      »Sieben. Bei sieben tut’s mir leid, daß ich Ihnen sagen muß, sieben nehme ich nicht in meine Wohnung. Ich habe meist so Parteien mit einem Kind, auch zwei und drei lasse ich mir gefallen, aber vier sind mir schon zu viel und gar sieben, nein, da ist mir’s doch zu leid um meine neuen Fußböden, lieber lasse ich die Wohnung leerstehen.« »So,« entgegnete Herr Pfäffling, »dann will ich auch nicht länger auf Ihren kostbaren Fußböden herumtreten,« und ärgerlich verließ er das Haus.

      Nun hinaus in die Sonnenstraße, dort gibt es auch einfache Häuser. Ein großer, weißer Zettel am Fenster des dritten Stocks zeigte schon von weitem, daß hier etwas zu hoffen war. Der Werkmeister Schall war der Besitzer. Er stand unter der Haustüre und zeigte bereitwillig die Wohnung. Diesmal überlegte Pfäffling nur ganz in der Stille, wie sich die Betten stellen ließen. Von seinen sieben Kindern ließ er nichts verlauten. Die Wohnung gefiel ihm, der Preis war nicht zu hoch, jetzt nur gleich fest mieten. Dem Werkmeister war es auch recht, er holte einen Mietvertrag zum Unterschreiben, und während er Tinte und Feder bereitlegte, fragte er nach dem Namen seines Mieters.

      »Pfäffling.«

      »Und der Stand, wenn ich bitten darf, der Beruf?«

      »Musiklehrer.«

      »So, das ist freilich sozusagen ein lebhafter Beruf.«

      »Stört in unserem Fall nicht viel,« sagte Herr Pfäffling, »ich gebe viel Unterricht außer Haus.«

      »Das ist gut, denn ich muß Ihnen gleich sagen, im untern Stock wohnt eine Dame, eine feine Dame, die leidet an Kopfweh und braucht Ruhe. Aber wenn die Stunden alle außer Haus sind, ist’s schon gut.«

      »Alle habe ich nicht gesagt, aber die meisten.«

      »Und Ihre eigene Familie ist doch nicht etwa sehr groß?«

      »Sehr groß?« sagte Pfäffling, »was heißt das, es gibt noch viel größere, und übrigens kommt alles darauf an, ob Kinder streng gehalten werden; die meinigen dürfen keinen Unfug treiben. Schreiben wir nur den Vertrag, ich habe nicht viel Zeit.«

      Aber der Hausherr war hartnäckig. »Wissen möchte ich doch, wieviel Personen ins Haus kommen und was für welche,« sagte er, »wieviel Kinder, bitte? Sind’s Knaben oder Mädchen?« Nun half nichts mehr, Herr Pfäffling mußte bekennen: »Vier Buben sind’s, und dann noch so ein paar kleine Mädels, die merkt man nicht viel.«

      Der Werkmeister legte die Feder wieder weg. »Es geht nicht,« sagte er, »es ist unmöglich, Musikstunden sind schon schlimm, dazu aber noch ein halbes Dutzend Kinder, nein, was zu viel ist, ist zu viel!«

      »Aber Mensch,« rief Pfäffling außer sich, »wir müssen doch auch wohnen, was sollen wir denn tun, wenn uns niemand hereinläßt!«

      In diesem Augenblick erschienen zwei ältere Damen unter der Türe, sie wollten die Wohnung besehen. Der Hausherr begrüßte sie höflich – für unsern armen Musiklehrer hatte er keinen Blick mehr, der konnte gehen.

      Am Torweg war auch eine Wohnung frei. Die Hausfrau hängte eben im Vorgärtchen Wäsche auf; als sie hörte was Pfäfflings Begehr war, holte sie ihren großen Schlüsselbund und schickte sich an, mit ihm hinaufzusteigen in den vierten Stock. Herr Pfäffling dachte bei sich: »Eigentlich ist’s ganz unnötig, daß ich die Wohnung ansehe, ich nehme sie ja doch, mag sie sein wie sie will, aber ob die Frau uns nimmt, das ist die Frage!« Er sagte aber nichts und ging voraus, die Treppe zum ersten Stock hinauf. Langsam folgte ihm die Hausfrau, die wohlbeleibt war und schwer atmete. Pfäffling wurde ein wenig ungeduldig, er war schon so lang unterwegs und ihm war es ganz gleichgültig, wie die Zimmer aussahen. Auf dem ersten Treppenabsatz mußte die Frau ein wenig ausschnaufen. Jetzt konnte er sich nicht mehr zurückhalten. »Ich will Ihnen lieber gleich mitteilen, daß ich Musiklehrer bin,« sagte er, »wenn Sie also keinen wollen, dann verlieren wir weiter keine Zeit.«

      Sie stutzte einen Augenblick, dann sagte sie gnädig: »Steigen Sie nur weiter hinauf.« Im Nu war Pfäffling die zweite Treppe droben, die Hausfrau keuchte nach. Auf dem zweiten Treppenabsatz wieder Pause zum Atemholen und Pfäffling: »Ich will Ihnen nur gleich sagen, daß wir sieben Kinder haben.«

      »Um Himmels willen,« rief die Frau, »haben Sie denn für jedes Stockwerk so eine Hiobspost? Bis wir in den vierten Stock hinaufkommen, spielen Sie die Regimentstrommel und haben noch ein Dutzend Buben in der Kost! Ich tu’ aber nicht mehr mit!« Und die schwerfällige Frau machte Kehrt, hörte gar nicht mehr auf die guten Worte, die ihr Pfäffling gab, und brummte noch vor sich hin: »Gott bewahre mich vor so einer Gesellschaft!«

      Unser Musiklehrer rannte zum Haus hinaus und spornstreichs heim – für heute hatte er’s satt!

      Als er bei Tisch erzählte, wie es ihm ergangen war, fühlten sich die Kinder ordentlich beschämt, daß die Eltern ihretwegen nirgends aufgenommen wurden, und nach Tisch, wo sie sonst alle im Hof herumtollten, standen sie ganz bescheiden in einem Eckchen beisammen und besprachen die Wohnungsnot. »Wir Großen können