Noch nicht viele Jahre sind verstrichen, seit in Bologna ein trefflicher und fast in der ganzen Welt hochberühmter Arzt mit Namen Meister Alberto lebte, ja vielleicht lebt er heute noch. Dieser war von so edlem Geiste, daß er noch in seinem hohen Alter von fast siebzig Jahren, wo der Körper schon fast alle natürliche Wärme verloren hatte, den Flammen der Liebe den Eingang in sein Herz nicht verweigerte, als er auf einem Fest eine wunderschöne Witwe sah, die, wie einige berichten, Madonna Margherita de’ Ghisolieri hieß. In dem Wohlgefallen, das er an ihr fand, nahm er jene Glut nicht anders als ein Jüngling in die betagte Brust auf, so daß er keine Nacht ruhig schlafen zu können glaubte, wenn er am Tage das anmutige und zarte Gesicht der schönen Dame nicht gesehen hatte.
Aus diesem Grunde begann er sich, je nachdem es sich fügte, bald zu Pferde und bald zu Fuß vor dem Hause der Dame sehen zu lassen. Diese sowohl als mehrere andere Frauen wurden auf solche Weise gewahr, was ihn dort so häufig vorüberzukommen veranlaßte, und oft spotteten sie miteinander, daß ein an Jahren und Erfahrungen so reicher Mann verliebt sei, als ob nach ihrer Meinung die holde Leidenschaft der Liebe allein in den törichten Herzen der Jünglinge und sonst nirgendwo Raum finden und dort verweilen könne.
Meister Alberto fuhr indes fort, vor dem Hause der Dame vorüberzugehen, und so geschah es, daß an einem Feiertage, wo sie mit anderen Frauen vor der Tür saß, sie alle miteinander sich vornahmen, den Meister Alberto, den sie schon von weitem hatten kommen sehen, zum Verweilen einzuladen und ehrenvoll aufzunehmen, dann aber ihn wegen dieser seiner Liebe zu necken. So taten sie auch wirklich. Als er kam, standen sie alle auf, luden ihn zu sich ein und führten ihn in einen kühlen Hof, wo sie ihn mit feinen Weinen und Backwerk bewirteten. Zuletzt aber befragten sie ihn mit artigen und wohlgesetzten Worten, wie er sich in diese schöne Dame habe verlieben können, da er doch wisse, von wie vielen schönen, wohlgesitteten und adeligen jungen Männern sie geliebt werde.
Als der Meister sah, daß man ihn auf feine Weise aufziehen wollte, nahm er eine heitere Miene an und entgegnete: „Madonna, daß ich liebe, kann keinen Verständigen in Verwunderung setzen, und daß ich gerade Euch zum Gegenstand dieser Liebe erwählt habe, erst recht nicht, denn Ihr verdient es. Und obgleich nach dem Naturgesetz alten Männern die Kraft zum Liebesspiel schwindet, so fehlt es ihnen darum weder am guten Willen noch an der Fähigkeit zu unterscheiden, was der Liebe würdig ist. Vielmehr weiß das reife Alter dies um so viel besser zu erkennen als die Jugend, da es diese an Einsicht übertrifft. Die Hoffnung, um derentwillen ich in meinem Alter Euch, die Ihr von vielen Jünglingen geliebt werdet, zu lieben wage, ist diese: schon öfter bin ich dabei gewesen, wenn die Damen zum Vesperbrot Wolfsbohnen mit Lauch aßen. Ob nun gleich am ganzen Lauch nichts Gutes ist, so ist doch das am wenigsten Widerwärtige und dem Munde Wohlgefälligste der Kopf. Dennoch pflegt ihr alle, von verkehrter Lust geleitet, den Kopf in der Hand zu behalten und nur die Blätter zu essen, die nicht allein wertlos sind, sondern auch abscheulich schmecken. Wäre es nun nicht möglich, Madonna, daß Ihr in der Wahl Eurer Liebhaber ebenso verfahrt? Und wenn Ihr es tätet, wähltet Ihr mich, und die andern hätten das Nachsehen.“
Die Edeldame schämte sich ein wenig, ebenso ihre Gefährtinnen. Dann aber sagte sie: „Meister, Ihr habt unser übermütiges Beginnen treffend, aber höflich gezüchtigt. Glaubt aber, die Liebe eines so verständigen und ehrenwerten Mannes, wie Ihr seid, ist mir teuer. Deshalb gebietet, soweit sich das mit meinem guten Ruf vereinbaren läßt, über mich wie über Euer Eigentum.“ Der Meister und seine Begleiter erhoben sich, er dankte der Dame und ging, nachdem er sich unter Lachen und Freude empfohlen hatte.
So wurde die Dame, weil sie nicht im Auge gehabt hatte, wen sie necke, besiegt, wo sie zu siegen glaubte. Wollt ihr nun klug sein, so werdet ihr euch vor dem gleichen Fehler hüten.
Schon hatte die Sonne sich gegen Abend geneigt und die größte Hitze war vorüber, als die Erzählungen der jungen Mädchen und der drei Jünglinge zu Ende gediehen waren. Da redete die Königin voller Anmut so zu ihnen: „Nichts, ihr lieben Gefährtinnen, bleibt unter meiner Regierung für den heutigen Tag zu tun übrig, als euch eine neue Königin zu geben, die nach ihrem Gutdünken für den folgenden Tag ihre und unsere Lebensweise zu geziemender Erheiterung bestimmen mag. Und obwohl es richtig ist, daß der Tag erst mit dem Einbruch der Nacht zu Ende geht, halte ich es doch für gut, daß die folgenden Tage zu dieser Stunde beginnen, weil niemand ohne einige Vorbereitungszeit gehörige Verfügungen für die Zukunft treffen kann, und damit alles besorgt werden könne, was die Königin für morgen dienlich erachten wird. So soll denn zur Ehre dessen, auf den alles Leben sich bezieht, und zu unserer Freude am folgenden Tag die verständige Filomena unser Reich regieren.“
Mit diesen Worten erhob sie sich, nahm den Lorbeerkranz von ihrem Haupte und setzte ihn jener ehrerbietig auf, die nun zuerst von ihr, dann von den übrigen Mädchen und zuletzt von den Jünglingen als Königin begrüßt wurde. Alle boten ihr bereitwillig ihre Dienste an. Filomena errötete zwar ein wenig, als sie sich zur Königin gekrönt sah, dann aber faßte sie, der von Pampinea eben erst gesprochenen Worte eingedenk, Mut. Um nicht unbeholfen zu scheinen, bestätigte sie zuerst alle von Pampinea bestimmten Ämter, verfügte, was am andern Morgen und Abend am selben Orte, wo sie eben verweilten, bereitet werden sollte, und begann dann also zu sprechen:
„Geliebte Gesellinnen, obgleich Pampinea ihrer Güte und nicht meinem Verdienst zufolge mich zu euer aller Königin ernannt hat, bin ich doch nicht gesonnen, unsere Lebensweise allein nach meiner Meinung, sondern auch nach der euren zu ordnen. Damit ihr nun im voraus wißt, was meiner Ansicht nach zu tun sei, und damit ihr alsdann nach eurem Gefallen etwas hinzufügen oder ablehnen könnt, will ich euch mit wenigen Worten meine Gedanken mitteilen.
Wenn meine Beobachtungen über das von Pampinea heute befolgte Verfahren mich nicht trügen, so hat es sich als ergötzlich und empfehlenswert erwiesen. Deshalb denke ich auch, nichts daran zu ändern, solange es uns nicht durch öftere Wiederholung oder aus einem anderen Grunde langweilig wird. Nachdem also bestimmt sein wird, wie wir das Begonnene fortsetzen wollen, werden wir uns erheben, eine Weile lustwandeln und wenn die Sonne untergehen will, im Kühlen speisen. Dann aber wird es nach einigen Liedern und anderer Kurzweil wohlgetan sein, schlafen zu gehen. Morgen früh wollen wir aufstehen, wenn es noch frisch ist, und jeder mag sich nach seiner Neigung vergnügen. Zur gehörigen Zeit aber wollen wir zurückkehren, zu Mittag speisen, alsdann tanzen, und endlich, nach der Mittagsruhe, werden wir nach dem heutigen Beispiel mit dem Geschichtenerzählen fortfahren, das, wie mir scheint, den wesentlichsten Bestandteil unserer Freude und Belehrung ausmacht. Außerdem will ich auch, was Pampinea nicht tun könnte, weil