Messi. Luca Caioli. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Luca Caioli
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783895337956
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war. Dort hatte er zunächst beim FC Barcelona gespielt, war dann zum SSC Neapel gewechselt und hatte zuletzt beim FC Sevilla angeheuert. Von Diego abgesehen verbinden sich mit Newell’s noch weitere klangvolle Namen: Gabriel Batistuta und Jorge Valdano, Abel Balbo und Maxi Rodríguez, Sergio Almirón und Mauricio Pochettino, Juan Simón und Roberto Sensini, Jorge Griffa und Walter Samuel, Américo Gallego und „Tata“ Martino. Und dann ist da noch der Spitzname der Fans: die Aussätzigen. Unglaublich, aber wahr. Zunächst ein Schimpfname, wird die Bezeichnung heute voller Respekt verwendet. Wie Newell’s zu diesem doch recht außergewöhnlichen Spitznamen kam, erklärt die Webseite eines Fans, die sich der Geschichte des Vereins widmet:

      „Nach allem, was unsere Großeltern uns erzählt haben – und in Übereinstimmung mit der gängigen Legende –, wollte der Wohltätigkeitsausschuss der Frauen des Carrasco-Krankenhauses vor vielen Jahren ein Benefizspiel zugunsten der Lepra-Hilfe organisieren. Bei dem Spiel sollten die beiden größten Vereine Rosarios gegeneinander antreten. Also trat man an die Funktionäre beider Klubs heran, damit sie grünes Licht für das Match gaben. Während Newell’s die Einladung ohne zu zögern annahm, lehnte die Mannschaft von Central sie unumwunden ab. Dieses historische Ereignis war das erste Anzeichen für den kommenden Zoff mit den Gelb-Blauen, die nun zu lokalen Schurken wurden, was die Rot-Schwarzen wiederum dazu veranlasste, den altehrwürdigen Rivalen zu verspotten. Central hielt dem entgegen, dass man bei Newell’s wohl selbst aussätzig sein müsse, wenn man so viel Wert auf dieses eine Spiel lege. Von da an waren die Fans von Newell’s als ,die Aussätzigen‘ und die des Rivalen Central als ,die Schurken‘ bekannt. Dies ist die am weitesten verbreitete Variante der Geschichte. Einige Angehörige der älteren Generation Rosarios erinnern sich aber auch noch an eine andere Erklärung für den Spitznamen ,die Aussätzigen‘. Dieser Version zufolge geht der Name noch bis in die Zeit vor Gründung des Klubs zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, als Newell’s lediglich eine Lehranstalt in Rosario war. Zu jener Zeit waren dicke, hohe Mauern in den Vierteln Rosarios sehr ungewöhnlich. Die Leute konnten sich problemlos mit ihren Nachbarn unterhalten, indem sie sich einfach auf die Zehenspitzen oder eine Bank vor der jeweiligen Mauer stellten. Damals litten große Teile der Bevölkerung an Lepra, auch Rosario blieb davon nicht verschont. Zu dieser Seuche, die sich bis in biblische Zeiten zurückverfolgen lässt, gehörte es stets, dass die daran Leidenden von ihrer Außenwelt getrennt und unter Quarantäne gestellt wurden, und das ganz unabhängig von ihrer Herkunft. Vielleicht verleiteten die riesigen und anscheinend unüberwindlichen Mauern, die das Anwesen der Schule Isaac Newells umgaben, die vorbeigehenden Menschen zu der Feststellung, dass dahinter gewiss Leprakranke außer Sichtweite gebracht und unter Quarantäne gestellt worden seien. Und so soll der Spitzname ,die Aussätzigen‘ entstanden sein.“

      Eben dieser Spitzname wird auch im Zusammenhang mit Lionels erstem Interview, das er Rosarios Tageszeitung La Capital geben wird, wieder auftauchen. Doch bis dahin sollen noch sechs Jahre in sechs weiteren unterklassigen Ligen, in denen er fast 500 Tore schießen wird, vergehen. Erst dann wird Messi die Ehre zuteil, in der Lokalpresse Erwähnung zu finden.

      Verblassende Wandgemälde in Rot-Schwarz. „Die Aussätzigen sind die Macht“ steht in einer Faust, die von Hooligans auf einen Zaun gemalt wurde. Über dem Gitter hängt ein Transparent: „Escuela de Fútbol Malvinas Newell’s Old Boys“. Der Platz befindet sich in desolatem Zustand, was die darauf spielenden Kinder allerdings kaum wahrnehmen. Die Vereinstrainer haben beschlossen, Prüfungen abzuhalten, und die Kinder müssen sich um jeden Preis beweisen. Neben den Umkleidekabinen liegt verlassen in einer Ecke ein verrostetes Bett. Auf der anderen Seite, an der Vera Mujica, befinden sich zwei weitere, genauso verwahrloste Plätze. Jemand lässt die Bemerkung fallen, dass die Einkünfte aus Tages- und Dauerkarten und insbesondere die Erlöse aus Spielerverkäufen an Klubs im Ausland wohl nicht hier investiert worden seien – zumindest nicht in die Schule, in der der Nachwuchs trainiert wird. Das ist ziemlich offensichtlich der Fall, auch wenn man der Wahrheit halber sagen muss, dass es zu Zeiten der ersten Saison von Lionel Messi im rot-schwarzen Trikot nicht viel anders war. Möglicherweise war damals die Begeisterung einfach größer, und vielleicht gab es mehr hart arbeitende Menschen und weniger Geld, das in die Taschen der Vorstandsmitglieder floss. Aber lassen wir das beiseite und widmen uns nun jenem Jahr, das so verheißungsvoll begann und mit einer 0:3-Niederlage gegen Tiro Suizo endete. Die Jungen verloren damals den Titelkampf, aber sie lernten aus ihren Fehlern. In den darauffolgenden vier Spielzeiten mussten sie nur noch gerade mal eine Niederlage hinnehmen – dieses Mal gegen ihre Trainingskameraden aus Newell’s C-Mannschaft. Dank ihres nicht aufzuhaltenden Laufs erarbeitete sich die Mannschaft den ruhmreichen, wohl in Anlehnung an die berühmte Máquina von River Plate aus den 1940er Jahren entstandenen Namen La Máquina del ’87, „Die 87er Maschine“. Leos größter Triumph war dabei ein Delfin, genauer: ein Pokal, den seine Mannschaft 1996 beim internationalen Turnier der peruanischen Fußballschule Cantolao in Lima gewann. An dem Wettbewerb nahmen mehr als 25 Mannschaften aus Argentinien, Chile, Ecuador und Kolumbien teil. Am Ende aber ging Newell’s als Sieger vom Platz. Und der kleine Messi erregte durch seine Tricks mit dem Ball die Aufmerksamkeit der Sportmedien. Während des Trainings und vor Spielen jonglierte er zur eigenen Erheiterung mit dem Ball herum. Dieses Können erfreute sich selbst bei der Vereinsspitze großer Beliebtheit. Das ging so weit, dass er bei Spielen der Profimannschaft in der Halbzeitpause mehrfach das Publikum damit unterhielt. Man kündigte ihn über die Lautsprecher an, woraufhin er dann den Ball am Fuß jonglierend die Tribüne hinunter und weiter bis zum Mittelkreis lief, wo er das eine oder andere Kunststück vollführte. An diese Halbzeiten können sich viele der Aussätzigen noch gut erinnern – es ist das erste Bild, das sie von dem Jungen, der später der berühmte Lionel Messi werden sollte, vor Augen haben.

      „Er war etwas ganz Besonderes“, erinnert sich Messis zweiter Trainer bei Newell’s, Ernesto Vecchio, in seiner Reparaturwerkstatt mit alten amerikanischen Autos. „Er war klug, er konnte gut sprinten, seine Zuspiele kamen genau auf den Punkt. Er spielte für seine Mannschaftskameraden, aber er war auch in der Lage, die halbe gegnerische Mannschaft stehen zu lassen. Auf dem A-Platz der Malvinas spielte ihm mal der Torwart am eigenen Strafraum den Ball zu, Leo rannte über den ganzen Platz und schloss mit einem unglaublichen Tor ab. Man musste ihm nichts beibringen. Was soll man einen Maradona oder einen Pelé schon lehren? Als Trainer muss man da höchstens mal Winzigkeiten korrigieren.“

      Es gibt reihenweise Erinnerungen an jene zwei Jahre zwischen Messis zehntem und zwölftem Lebensjahr, als Vecchio Leo trainierte. Da ist z. B. das Turnier von Balcarce, wo die 87er Mannschaft von Newell’s die Boca Juniors, Independiente und San Lorenzo aus dem Rennen warf. Lautaro Formica, der als Verteidiger bei den 87ern von Newell’s spielte, behauptet, dass er damals nichts zu tun hatte: „Der Ball kam nie in Richtung unseres Tors. Ich kann mich erinnern, dass Rodas und Messi ein richtiges Chaos bei denen anrichteten. Sobald Messi den Ball bekam, ließ er die Gegner stehen. Manchmal haben wir uns da hinten ganz schön gelangweilt.“

      Der auch als Billy bekannte Gustavo Ariel Rodas, der andere Star jener Mannschaft, ist das Gegenstück zu Leo, nämlich der Beweis dafür, dass Talent nicht automatisch zum Erfolg führt. Billy war ein offensiver Mittelfeldspieler mit einer ausgezeichneten Technik. Auch er stammte aus Rosario, war jedoch in einem Elendsviertel zur Welt gekommen. Mit 14 war er bereits Einwechselspieler in der 1. Mannschaft von Newell’s und wurde auch zum ersten Mal Vater. Noch vor seinem 16. Geburtstag feierte er sein Debüt in der ersten Liga. Alle sagten ihm eine strahlende Zukunft voraus. Doch heute, mit Anfang 20 und nunmehr zwei Kindern, ist er in Vergessenheit geraten. „So etwas passiert so vielen Spielern, die aus den Slums, aus der Armut kommen“, erklärt Vecchio. „Der Fußball hilft ihnen zwar, dem Leid zu entfliehen, aber wenn es nicht passt, gehen sie in die Slums zurück, fangen an zu trinken, nehmen Drogen und verlieren alle Hoffnung. Bildung macht auf jeden Fall einen Unterschied. Bei Leo gab es einen Vater und eine Mutter, die ihn unterstützt haben und ihm dabei halfen, der zu werden, der er heute ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass die familiäre Umgebung einer der Faktoren für den Erfolg eines Fußballers ist.“ Zum Schluss erzählt Ernesto Vecchio seine schönste Anekdote über Leo: „Wir hatten ein Spiel gegen Torito, einen Verein aus unserer Liga. Leo war krank, und ich wollte ihn nicht einsetzen. Also ließ ich ihn auf der Bank. Es waren nur noch ein paar Minuten bis zum Schlusspfiff, und wir lagen 0:1 zurück. Also ging ich zu Leo und fragte: ‚Bock zu spielen?‘ Er