Erstrahlen liess:
Palu!
Du bist der erste Mensch
Der ersten Tage
Des erhabenen Jahrhunderts!
Zur Führerin geboren
Des geistigen Geschlechts
Das doppelseelisch ist!
Das 33. Jahr
Das Jahr, in dem die Dichterpropheten
Den einsamen Berg ersteigen
Um die Sonne herabzuholen
Den bangenden Menschen!
Ich stehe an seinem Fuss
Bereit deine Botschaft zu künden
Wana
Paris, 5. 1. 1933
Wind
Da plötzlich löst ein Einzelner
Vom Zuge sich:
Sprach mich wer an?
Blickte ein Weib?
Nein
Ein
Flüchtiger
Flüssiger
Wind
Fuhr in mein Haar
Umschlang meinen Hals –
Ich hob das Haupt
Sah eine Sonne
Eine goldene Wolke
Ein Dreieck von Störchen
Rudernd gen Nord-Südwärts:
Und ich ihnen nach
Ihnen nach
Zehn Welt tief unter uns
Donnert die Untergrund
Zehn Himmel über uns
Schwirrt der Schneemöwenschwarm
Planetenwärts –
Was wissen wir vom Streben unsrer Kniee?
Was vom Altern unsres Haars?
Wir halten uns
In Höhe unserer schmalen Augen
Nichtachtend der Welten
Über und unter
Für Paula, 2. März 1931
Bericht
Bei den vorliegenden Gedichten handelt es sich um elf Gedichte von Yvan Goll (1891 – 1950) aus der Zeit von 1918 bis 1930 und um zehn Gedichte, die auf die Jahre von 1930 bis 1937 datiert werden können. Ein Gedicht, Croix de Lorraine, stammt von 1940 und wurde 1944 erstveröffentlicht. Siebzehn Gedichte sind bisher unveröffentlicht. Die bereits veröffentlichten Gedichte wurden schon im Jahr 2013 in die zweibändige Briefedition Claire Goll, Yvan Goll und Paula Ludwig, „Nur einmal noch werd ich dir untreu sein“. Briefwechsel und Aufzeichnungen 1917 – 1966, herausgegeben von Barbara Glauert-Hesse (Göttingen: Wallstein Verlag) aufgenommen. Mit dieser Veröffentlichung sind alle bekannten und erhaltenen Gedichte Yvan Golls in seinem veröffentlichten Werk versammelt. Sie stammen aus einem von Robert Warnebold (1934 – 2018) überlieferten Konvolut, das sich im Nachlass des Darmstädter Buchhändlers befand. Robert Warnebold war mit Paula Ludwig (1900 – 1974) und ihrem Sohn Friedel Ludwig (1917 – 2007) befreundet. Beide lebten ab dem Jahr 1970 ebenfalls in Darmstadt. Diese Freundschaft ermöglichte Robert Warnebold, seine umfangreichen Textsammlungen zu Paula Ludwig und Yvan Goll durch handschriftliche Zeugnisse zu erweitern. So kamen diese Autographen vermutlich durch Schenkungen, aber auch durch Ankauf in seinen Besitz. Im Zuge der Übernahme von großen Teilen der Warnebold‘schen Sammlungen zu Goll und Ludwig durch das Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek in den Jahren 2018 und 2019 kamen auch diese unveröffentlichten Texte von Yvan Goll nach Bregenz, die hier nun erstmals publiziert werden können. Ich danke dem Leiter des Archivs, Jürgen Thaler, dass er mich eingeladen hat, diese Editionsarbeit zu leisten. Meine langjährige Tätigkeit als Rundfunkredakteurin und Verlagslektorin in Mainz und Frankfurt führte mich schon nach dem Studium der Germanistik und der Amerikanistik in Mainz, Berlin und der University of Colorado in Boulder, Colorado, USA, im Jahr 1969 nach Paris zu Claire Goll. Im Auftrag der Deutschen Schillergesellschaft katalogisierte ich von 1969 an gemeinsam mit Claire Goll dort den Nachlass von Yvan Goll. Nach ihrem Tod 1977 setzte ich diese Arbeit im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar und im Yvan und Claire Goll-Archiv der Bibliothèque Municipale in Saint-Dié-des-Vosges, Frankreich, fort. Seit 1988 ediere ich die Gesamtwerke beider Dichter. Sie werden seitdem im Wallstein Verlag, Göttingen, veröffentlicht. Die Datierungen der noch unveröffentlichten Gedichte stammen – soweit sie nicht bereits bekannt waren – von der Herausgeberin. Zur Datierung herangezogen wurde eine private Gedichtedatei, die alle veröffentlichten Gedichte Golls umfasst sowie die von Andreas Kramer und Robert Vilain erstellte Bibliographie Yvan Goll – A Bibliography of the Primary Works (Peter Lang: Oxford-Bern-Berlin-Bruxelles-New York-Wien 2006).
Anmerkungen
— Abstieg: 1 Bl., Hs. Unveröffentlicht. Entstanden um 1918.
— Bergwald: 1 Bl., Hs. Unveröffentlicht. Im Text abweichende Fassung in: Iwan Goll, Dithyramben. (Leipzig: Kurt Wolff Verlag [1918]). Darin: Die Alpenpassion. III Bergwald. Nachdruck in: Yvan Goll, Die Lyrik. Herausgegeben und kommentiert von Barbara Glauert-Hesse im Auftrag der Fondation Yvan et Claire Goll. Saint-Dié-des-Vosges. Berlin: Argon 1996. I. Frühe Gedichte 1906 – 1930, S. 79ff.
— Fels-Grat: 1 Bl., Hs. Unveröffentlicht. Im Text abweichende Fassung in: Iwan Goll, Dithyramben. (Leipzig: Kurt Wolff Verlag [1918]). Darin: VII. Grat. Nachdruck in: Yvan Goll, Die Lyrik. Herausgegeben und kommentiert von Barbara Glauert-Hesse im Auftrag der Fondation Yvan et Claire Goll. Saint-Dié-des-Vosges. Berlin: Argon 1996. I. Frühe Gedichte 1906 – 1930, S. 84ff.
— Gesang des Mädchens.: 3 Bl., Hs. Unveröffentlicht. Entstanden um 1918.
— Gletscher: 1 Bl., Hs. Unveröffentlicht. Im Text abweichende Fassung in: Iwan Goll, Dithyramben. (Leipzig: Kurt Wolff Verlag [1918]). Darin: VI. Gletscher. Nachdruck in: Yvan Goll, Die Lyrik. Herausgegeben und kommentiert von Barbara Glauert-Hesse im Auftrag der Fondation Yvan et Claire Goll. Saint-Dié-des-Vosges. Berlin: Argon 1996. I. Frühe Gedichte 1906 – 1930, S. 82 – 84.
— Nachthütte: 1 Bl., Hs. Unveröffentlicht. Im Text abweichende Fassung in: Iwan Goll, Dithyramben. (Leipzig: Kurt Wolff Verlag [1918]). Darin: VIII. Nachthütte. Nachdruck in: Yvan Goll, Die Lyrik. Herausgegeben und kommentiert von Barbara Glauert-Hesse im Auftrag der Fondation Yvan et Claire Goll. Saint-Dié-des-Vosges. Berlin: Argon 1996. I. Frühe Gedichte 1906 – 1930, S. 85ff.
— Schlucht: 1 Bl., Hs. Unveröffentlicht. Im Text abweichende Fassung in: Iwan Goll, Dithyramben. (Leipzig: Kurt Wolff Verlag [1918]). Darin: VII. Schlucht. Nachdruck in: Yvan Goll, Die Lyrik. Herausgegeben und kommentiert von Barbara Glauert-Hesse im Auftrag der Fondation Yvan et Claire Goll. Saint-Dié-des-Vosges. Berlin: Argon 1996. I. Frühe Gedichte 1906 – 1930, S. 77ff. – Über seinen Gedichtband Dithyramben schrieb Goll am 18. Mai [1931] aus Bühlerhöhe an Paula Ludwig nach Berlin: „Inzwischen kamen auch die Dithyramben: aber ich schicke sie dir nicht, denn ich stehe gar nicht mehr zu ihnen, ich mag sie nicht mehr, und es kann also auch nicht sein, dass du sie mögest.