Vorwort von Hartmut Steeb
„Ohne Sonntage gibt es nur noch Werktage“. Mit diesem eingängigen und logischen Motto treten Christen und Kirchen für den Erhalt des Sonntags ein. Denn es stimmt, dass es ohne Sonntage nur noch Werktage gäbe. Aber der Sonntagsschutz alleine garantiert noch nicht viel. Bedeutender ist es, ob es uns gelingt, den Sonntag in den Werktag mit hinein zu nehmen. Lebensqualität darf sich nicht nur auf das Wochenende beschränken. Der Glanz der Sonntagsbotschaft muss hinüber gerettet werden in den Alltag, ja die Botschaft von der Auferstehung von Jesus Christus will unseren Alltag durchdringen.
Dazu braucht es freilich geöffnete Augen für die Schönheit der Schöpfung Gottes. Dazu braucht es aufnahmebereite Ohren für die stillen Nachrichten aus der Welt Gottes. Und dazu braucht es offene Herzen, dass Glauben und Leben wieder dringend zusammen kommen. Viel zu lange und zu oft haben wir unser Leben aufgeteilt zwischen Sonntag und Werktag, zwischen Pflicht und Kür, zwischen Dampf und Krampf.
Jesus hat seine Botschaft vom gekommenen Reich Gottes oft in Gleichnissen erzählt. Das war so praktisch und so lebensnah. Auf dieser biblischen Grundlinie liegen auch die modernen Gleichnisse von Uwe Heimowski, mitten aus dem Leben gegriffen und auf den Punkt gebracht. Bei mancher Geschichte durchfährt einen ein „Hoppla“, ein Aufmerken, ein Stolpern. So kommen wir vom Lesen zum Staunen, vom Staunen zum Denken und vom Denken zum Danken. Lassen Sie sich anstoßen zum prallen vollen Leben aus Glauben zum Glauben.
Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Stuttgart
Willkommen zu diesem Buch
Ich bin dafür. Auch und gerade in diesen Tagen und Zeiten, in denen ein Chor von Nörglern und Meckerfritzen sein Lied anstimmt (und was wird nicht alles beklagt: die „raffgierigen“ Manager, die „schlimme“ heutige Jugend, „der Verfall der Werte“, die Party- und Spaßkultur, die „Überalterung“ der Gesellschaft, der „Niedergang“ des christlichen Abendlandes und so weiter und so fort).
Mal ganz abgesehen davon, ob die Meckerer in der – jeweiligen – Sache vielleicht recht haben mögen: Mir gefällt diese Haltung nicht. Dagegen sein, einfach und immerzu dagegen? Nee, das will ich nicht, das ist mir zu wenig. (Und schon bin ich selbst im gleichen Trott und meckere übers Meckern, bin dagegen, dagegen zu sein – aber auch das ist zu wenig.)
Deshalb: Ich bin dafür! Ich möchte Mut machen und aufmuntern. Hoffnung stiften und Dankbarkeit fördern. Darum dieses Buch.
Im ersten Kapitel finden Sie einen ganz praktischen Tipp zur Dankbarkeit: das Erbsenzählen. Erbsen zählen? Ja, Erbsen zählen. Aufmerksam sein und dankbar werden für die vielen, kleinen – oft ganz kleinen – guten Momente des Tages, des gewöhnlichen Alltags.
Ich möchte Geschichten davon erzählen. Geschichten über unscheinbare, alltägliche Beobachtungen und Begegnungen. Und ich möchte davon erzählen, wie ich gerade in diesen klitzekleinen Dingen immer wieder auf Gott gestoßen bin.
Alltag erleben – und diesen dann fruchtbar machen für den Sonntag. Sonntag feiern – und diesen fruchtbar machen für den Alltag. Das ist mein Anliegen mit diesen kurzen Betrachtungen.
Der Grundstock dieser Mutmacher-Texte ist im Verlauf einiger Jahre entstanden. Für die Ostthüringer Zeitung, das Lokalblatt meiner Heimatstadt Gera, schreibe ich regelmäßig ein „Wort zum Sonntag“. Viele Menschen haben darauf positiv reagiert, Christen und Leser, die nicht Christen sind, fühlten sich angesprochen und ermutigt. Das hat mich gerührt und gefreut.
Und so entstand die Idee, daraus dieses Buch zu machen. Die ursprünglichen Texte wurden überarbeitet, viele andere sind neu entstanden. Alle haben eine gemeinsame Absicht: Mut machen – ich bin dafür!
Übrigens: Die meisten der Gedanken in diesen Texten haben meine Kinder, Melissa, Florian, Talitha und Savina, und meine Frau Christine angestoßen. Danke!
Uwe Heimowski, Gera
Erbsenzähler
Ich mag sie nicht. Diese kleinkarierten Wesen, die stets und ständig was zu nörgeln, zu kritteln und zu verbessern haben. Diese Menschen, denen nichts gut genug und schon gar nichts genau genug ist. Die sich an winzige Kleinigkeiten klammern und in Wortklaubereien verlieren. Erbsenzähler halt.
Wie gesagt, ich mag sie nicht. Oder besser: Ich mochte sie nicht. Denn neulich hat das Erbsenzählen eine ganz neue Bedeutung für mich gewonnen.
Ich saß mit einigen anderen Pastoren beieinander und wir besprachen Konflikte aus unserem Berufsalltag – und manchmal kommt auch in Kirchen und Gemeinden eine Menge Frust zusammen. Ein Kollege war ziemlich niedergeschlagen. Er berichtete düster und frustriert, irgendwie war ihm alles zuviel. Als er sich den ganzen Packen von der Seele geredet hatte, fragte er: „Was kann ich nur machen, damit ich auch wieder die positiven Dinge sehe?“
Da schlug ein anderer vor: „Wissen Sie, was da helfen könnte? Erbsen zählen.“ Wir waren alle etwas überrascht. Erbsen zählen? Wie das?
„Nun“, sagte der Mutmacher, „das ist eine ganz einfache Idee: Stecken Sie sich morgens eine Handvoll roher Erbsen in die linke Hosenoder Jackentasche. Immer, wenn Sie tagsüber irgend etwas Gutes erleben – und sei es nur eine Kleinigkeit –, nehmen Sie eine Erbse und stecken sie in die rechte Tasche.
Sie werden staunen: Abend für Abend ist Ihre rechte Tasche voller als die linke. Manchmal werden Sie nicht mal genügend Erbsen dabei haben, um die vielen schönen Dinge zu würdigen ...“
Eine brillante Idee, nicht wahr?
Eine Erbse für das Frühstücksbrot. Eine Erbse für die Frau an meiner Seite. Eine Erbse für jedes meiner Kinder. Eine Erbse, dass der Opa wieder gesund ist. Eine Erbse für den schönen milden Herbst. Eine Erbse, dass die Rosen noch mal blühen. Eine Erbse für – na, wofür fällt Ihnen eine Erbse ein?
Einmal im Jahr feiern Christen das Erntedankfest. Was für eine gute Gelegenheit, mal all die Erbsen zu zählen, die uns unser guter Gott Tag für Tag in die Tasche steckt. Ein Tag, um mal nicht zu meckern, zu nörgeln und unzufrieden zu sein. Ein Tag, um die vielen kleinen Dinge in den Blick zu nehmen, die in der Summe ein ganz, ganz großes Geschenk sind. Ein Tag, um Gott mal dafür zu danken, dass es uns so gut geht.
Nun, haben Sie noch Platz für einen Sticker an der Jacke?
Ich bin dafür.
Papa, warum sind wir eigentlich traurig?
Es war abends, Anfang Mai, ich brachte meine Zehnjährige ins Bett. Unvermittelt fragte Melissa mich: „Papa, warum sind wir eigentlich traurig? Jetzt geht es Frank doch viel besser. Jetzt hat er nicht mehr so viele Schmerzen und zittert nicht mehr so.“
Tränen schossen mir in die Augen. Es war erst ein paar Tage her, dass mein kleiner Bruder, ihr Onkel, der lange krank gewesen war, dann doch sehr plötzlich und dramatisch ums Leben gekommen war. Der Schock war noch nicht verdaut.
Warum waren wir traurig? Warum war ich traurig? Ich versuchte zu antworten: Weil ich ihn vermisse. Weil ich noch so viel Hoffnung für sein Leben hatte. Weil meine Kinder ihn liebten. Weil meine Eltern es sowieso schon schwer genug hatten im Leben und nun noch diesen Verlust verkraften müssen. Weil es einfach weh tut.
Jetzt – ich schreibe diese Zeilen im trüben November – brechen die Gefühle wieder auf ... Die Fragen sind wieder