„El Principito“ („Kleiner Prinz“), wie ihn die uruguayischen Fußballfans auch nennen, hielt einen Moment inne, nippte kurz an seiner Cola, lächelte und fügte dann hinzu: „Die meisten Menschen hätten keine zehn Dollar auf den Jungen gewettet. Tja, und jetzt?“
Was haben Sie ihm beigebracht?
„Das, was ich auch allen anderen Jungs gerne beibringe: wie man sich mit dem Rücken zum Tor stellt und sich dann schnell auf der Stelle dreht; wie man eine Ecke oder eine Flanke aus dem Spiel heraus am besten köpft; wie man so schnell wie möglich reagiert, wenn man überraschend einen Ball in den Fuß bekommt.
Bei uns, ja überall in Südamerika, werden die Jungs mit einem Ball im Arm geboren, weil die Väter ihren Söhnen als Erstes einen Ball schenken und ihren Töchtern eine Barbie. Die Zeiten haben sich zwar geändert, aber es gibt immer noch kein besseres Geschenk als einen Fußball. Da kommt keine Playstation ran. Und dieses erste Geschenk entfacht die Leidenschaft fürs Kicken. Wenn man allerdings davon leben will, muss man hart arbeiten.“
Sie haben in Spanien, Italien und Deutschland gespielt. Wie ist das für einen 19-jährigen Jungen aus Uruguay, nach Europa zu ziehen?
„Als ich nach Europa gegangen bin, war ich auch sehr jung. Ich habe mit 18 in Saragossa angefangen. Aber wir Fußballer machen uns da keine so großen Gedanken. Uns ist es egal, wo wir spielen. Wir lieben einfach das Spiel, und diese Leidenschaft öffnet uns die Türen an jedem beliebigen Ort. Ich bin ja sogar in China gelandet. Was uns Uruguayer ausmacht, ist unsere Schlitzohrigkeit, der Fußball auf den Straßen und Bolzplätzen. Aber wenn wir hier weggehen, müssen wir zu Profis werden.
Unser Fußball ist zwar spitze in Sachen Technik und Leidenschaft, aber taktisch sind wir nicht auf dem gleichen Niveau wie Europa. Wenn wir in die Alte Welt wechseln, müssen wir uns also anpassen. Als ich zum Beispiel nach Saragossa kam, habe ich trainieren müssen wie nie zuvor. Ich habe Gewichte gestemmt, 120 Kilo. Ich selbst wog 70 Kilo. Ich bin robuster und fitter geworden, und die gegnerischen Verteidiger konnten mich nicht mehr so leicht umnieten.
Zwei Jahre lang habe ich in Europa an meiner Physis gearbeitet und Taktik gelernt. Ich weiß noch, wie mir Giuseppe Materazzi, damals Trainer von Lazio, etwas über sein 4-4-2 erzählte und ich keinen Plan hatte, was er meinte. Er sagte mir, dass ich zurücklaufen und im Mittelfeld verteidigen sollte, woraufhin ich zunächst meinte, dass ich eigentlich fürs Toreschießen und nicht zum Verteidigen nach Rom gekommen sei.
Wir Uruguayer haben die Konstitution, die Schnelligkeit und die Schlitzohrigkeit; wir können uns besser als die Brasilianer an andere Ligen anpassen, weil wir unsere Verträge wirklich erfüllen wollen. Deshalb finden Sie Uruguayer auch überall, wo Sie hinkommen. Wer in den europäischen Topligen spielt, erreicht früher oder später Spitzenniveau, so wie Suárez. Er wollte der Welt zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist und dass sein Fußball überall funktioniert. Und das hat er geschafft.“
Welcher Spielertyp ist Suárez?
„Er gehört zu den Spielern, die 90 Minuten lang um jeden Ball fighten, den Zweikampf suchen, wieder aufstehen, wenn sie hinfallen, und sich in den Strafraum werfen. Luis ist kein Stürmer, der einfach darauf wartet, dass der Ball auf seinem Fuß landet. Der steht nie still. Er geht zurück und rennt dann wieder nach vorne. Ob er einen eleganten Ball spielt? Nein, seine Ballbehandlung ist durchschnittlich. Dafür weiß er, wie man sich nach vorne bewegt und wie man seine Spielweise anpasst. Außerdem kann er Vorlagen geben wie ein Zehner.
Er ist außerdem unglaublich erwachsen geworden. Wenn er heute eine Gelbe Karte kriegt, die er ungerecht findet, hat er sich im Griff und diskutiert nicht mit dem Schiedsrichter. Wo er früher um jeden Preis ins Dribbling gegangen ist und dann den Ball verloren hat, passt er heute zum ungedeckten Nebenmann. Er weiß, wie er der Mannschaft helfen kann. Luis ist außerdem ein fantastischer Freistoßschütze; sein Schuss ist erste Sahne.
Suárez ist einer der Jungs, die immer noch besser werden wollen. Er hat immer hart trainiert und Extraschichten geschoben – anders als viele Spieler, die sich direkt nach Trainingsende verabschieden und nach Hause fahren. Bei Nacional ist er immer noch geblieben und hat Freistöße und Volleyschüsse trainiert oder wie man einen Freistoß an der Mauer vorbeizirkeln kann. Meistens musste man ihn irgendwann rausschmeißen. Sonst wäre er ewig geblieben.
Luis spielt keinen schönen Fußball, er ist nun mal nicht Messi. Bei ihm geht es nur darum, zu treffen. Er ist einfach ein Knipser und schießt Tore am Fließband, egal, für welchen Verein er gerade spielt. Und für mich ist der erfolgreichste Schütze auch der beste Spieler. Auf jeden Fall muss man seine Konstanz, seine Entschlossenheit, seine Zähigkeit und seinen Erfolgshunger bewundern.
Für uns, die wir ihn haben groß werden sehen, die ihn trainiert haben und ihm geholfen haben, als Spieler zu wachsen und sich zu entwickeln, ist das einfach eine wundervolle Überraschung. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Er ist deshalb besser geworden, weil er die totale Leidenschaft für den Fußball mitbringt, weil er Fußball lebt, weil er ihm Spaß macht. Deshalb und wegen seiner Leistungen bei der WM 2010 und der Copa América 2011 ist er zum Star geworden. In Uruguay gibt es drei Millionen Trainer, Kritiker und Sportkommentatoren. Jeder hat seine eigene Meinung, seine bevorzugte Aufstellung und Taktik samt Lieblingsstürmer. Aber bei Suárez sind sie sich alle einig.“
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