So bleibt Juliane von Krüdener zeitlebens eine Grenzgängerin, eine Wanderin zwischen den Welten. Sie ist überzeugt: „Liebe einatmen und Liebe aushauchen, das ist das ganze Christentum und das lernt man nur zu Jesu Füßen.“
(CF)
JULIANE VON KRÜDENER,
1764–1824, Schriftstellerin, Salondame,
Missionarin, Sozialreformerin.
GIL WON-OK
DAMIT DER SCHMETTERLING FLIEGEN KANN
„In der Mandschurei gibt es eine Fabrik, in der du arbeiten und eine Ausbildung machen kannst.“ Voller Zuversicht steigt die dreizehnjährige Gil Won-Ok 1941 in den Zug Richtung China. Sie lässt ihre große Familie zurück, die in Armut in Korea lebt. Won-Ok hofft, ihre kleinen Geschwister bald mit Geld unterstützen zu können. Doch das Mädchen landet nicht in einer Fabrik, sondern wird von japanischen Soldaten zur Prostitution gezwungen.
Mit ihr erfahren etwa 200 000 Frauen im Alter von 11 bis 29 Jahren während des Zweiten Weltkrieges dieses Schicksal. Das japanische Militär gibt ihnen die grausam verharmlosende Bezeichnung „Comfort-Women“ – „Trostfrauen“. In Bordellen, sogenannten „Trosthäusern“, müssen sie als Sexsklavinnen den Soldaten „zur Verfügung stehen“. Über Jahre werden sie mehrmals täglich vergewaltigt. Viele „Trostfrauen“ sterben an ihren Verletzungen und Krankheiten oder sind nach Kriegsende unfruchtbar. So auch Gil Won-Ok, die gewaltsam sterilisiert wird. Da ist sie gerade einmal 14 Jahre alt.
Nach dem Krieg hat Gil Won-Ok alles verloren. Doch ihr großes Glück wird ihr Adoptivsohn. Obwohl sie als Marktfrau selbst nur wenig hat, nimmt sie den Neugeborenen als 30-Jährige zu sich und rettet ihn vor dem Waisenhaus. Ihr Sohn, heute protestantischer Pfarrer, gibt ihr die Kraft weiterzuleben.
Fast 50 Jahre schweigen die Überlebenden. Die Gequälten sind gefangen in ihrer Scham. Bis die ehemaligen „Trostfrauen“ 1992 als alt gewordene Frauen vor der japanischen Botschaft in Seoul (Südkorea) rufen: „Es ist die japanische Regierung, die sich schämen muss, nicht wir!“ Jeden Mittwoch. Die „Trostfrauen-Bewegung“ entsteht.
Noch versucht die japanische Regierung, alles zu leugnen. Doch die betroffenen Frauen, auch Gil Won-Ok, geben eidesstattliche Erklärungen ab. Trotzdem kommen die Opfer nicht zur Ruhe, denn die japanische Regierung verweigert bis heute direkte Entschädigungen. Die Überlebenden gründen den „Schmetterlingsfond“ und zahlen die staatlichen Entschädigungszahlungen dort ein – zur Unterstützung von Frauen, die weltweit Opfer sexueller Gewalt in kriegerischen Auseinandersetzungen geworden sind.
Gil Won-Ok überwindet erst 1998 – mit 70 Jahren – ihr Schweigen und ihre Scham und verleiht seitdem den Opfern der Vergangenheit und der Gegenwart ihre Stimme. Weltweit ist die alte Dame als Friedens- und Menschenrechtsaktivistin für die Rechte von Opfern sexueller Gewalt im Einsatz – auch in Deutschland, z. B. auf dem Kirchentag.
So arbeiten Won-Ok und mit ihr viele andere ehemalige „Trostfrauen“ ihre eigene Geschichte auf: Sie reden darüber, auch wenn ihre Kräfte nur noch gering sind. Mit ihrem Reden in der Öffentlichkeit wollen sie den Opfern von damals Würde verleihen. Und nicht nur ihnen. Auch heute werden Frauen verschleppt, mit falschen Versprechen zur Prostitution gezwungen oder erleiden Vergewaltigungen, die als Kriegswaffe eingesetzt werden.
Gil Won-Ok weiß, dass Schweigen die Täter schützt und das Leiden der Opfer fortsetzt. „Es ist dringend Zeit zu reden. Nur so kann der Teufelskreis aus Verbrechen, Schweigen, Scham und neuen Verbrechen durchbrochen werden“, sagt sie. Und reist als alte Dame, im Rollstuhl sitzend, mit dieser Botschaft um die Welt.
(CF)
GIL WON-OK,
geb. 1928 in Korea, wurde 13-jährig
während des Zweiten Weltkriegs
vom japanischen Militär zwangsprostituiert.
MALALA YOUSAFZAI
DIE MÄDCHENRECHTLERIN
Wir Menschen machen uns selten klar, wie groß Gott ist. Er hat uns ein unglaubliches Gehirn gegeben und ein empfindsames, liebevolles Herz. Er hat uns mit zwei Lippen gesegnet, mit denen wir unsere Gefühle ausdrücken können; mit zwei Augen, die eine Welt voller Farbe und Schönheit sehen; mit zwei Füßen, die uns die Straße des Lebens entlangtragen; mit zwei Händen, die für uns arbeiten; mit einer Nase, die das Wunder des Dufts erlebt; und mit zwei Ohren, um Worte der Liebe zu hören.
Malala ist 15 Jahre alt, als ein Taliban-Kämpfer ihren Schulbus stürmt und sie mit einer Pistole niederstreckt. Die Kugel durchdringt ihre Stirn, zerstört ihr linkes Ohr, zerreißt den Gesichtsnerv. Wochenlang ringt sie mit dem Tod. Um ihr Leben zu retten, beschließen die behandelnden Ärzte, sie aus ihrer Heimat nach Birmingham/Großbritannien zu transportieren.
Alle Welt schaut auf sie. Malala ist fast noch ein Kind. Doch schon vor dem Attentat ist sie international bekannt. Das mutige Mädchen ist Bildungsaktivistin. Die Tochter einer Analphabetin und eines Mannes, dem nach einer Kindheit in Armut nichts wichtiger ist als Bildung und der als Erwachsener eine Schule gründet.
Als Malala 10 Jahre alt ist, erobern Taliban-Kämpfer ihr schönes Swat-Tal. Sie bringen willkürliche Gewalt in die entlegensten Bergdörfer, mit brutalen Terrorakten verbreiten sie Angst und Schrecken. Sie verbieten Musik, Tanz, lautes Lachen. Fernsehgeräte, CDs und DVDs werden auf öffentlichen Plätzen verbrannt. Schulen werden systematisch zerstört. Frauen dürfen sich nicht mehr allein außerhalb ihrer Häuser bewegen.
„Wir hatten Angst“, erzählt Malala über diese Zeit, „aber unsere Angst war nicht so stark wie der Mut.“ Ihr Vater lebt ihr diesen Mut vor und spornt sie an, furchtlos zu bleiben. Die Tochter begleitet ihren Vater zu politischen Veranstaltungen, in denen er zum Widerstand gegen die Taliban aufruft. Mit 11 Jahren gibt sie Fernsehinterviews. „Du bist ein Kind, es ist dein gutes Recht, laut deine Meinung zu sagen“, ermutigt ihr Vater sie, begleitet sie zu Talkshows.
Und dann geschieht das Unfassbare: Die Taliban verkünden das Verbot für alle Mädchen, die Schule zu besuchen. Die geheime Schule ist nun der stille Protest. „Niemand kann mich davon abhalten zu lernen“, sagt Malala. Und: „Am Denken werden sie uns nicht hindern können.“ Auch als man sie warnt, dass sie auf einer Todesliste stünde, glaubt Malala nicht daran, dass die Taliban sie, ein Kind, töten würden. Aber sie schießen doch. Malala sei prowestlich eingestellt, verbreiten sie über die Netzwerke, als sie mit ihrer Tat prahlen. Wer – wie sie – Barack Obama zu seinem Vorbild erklärt, muss beseitigt werden.
Ungewollt machen die Taliban Malalas Engagement nun erst recht weltweit bekannt. Der UN-Sondergesandte für Bildung ruft die Initiative „Ich bin Malala“ ins Leben. Bis zum Jahr 2015 soll kein Kind von Schulbildung ausgeschlossen sein. Malala wird sogar als jüngste Nominierte aller Zeiten für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Mit nur 17 Jahren erhält Malala den Friedensnobelpreis und ist damit die jüngste Preisträgerin aller Zeiten.
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