Vermutlich ist es doch nur ein Tier, das da herumschleicht, sagte er sich. Aber gerade in diesem Moment hörte er Töne, die unmöglich von einem Tier stammen konnten. Menschliche Stimmen waren es, die halblaut miteinander sprachen.
Der Verwalter rührte sich nicht. Er lauschte nur in die Richtung, aus der die Wortfetzen zu ihm herüberflogen. Verstehen konnte er nichts. Nur ausmachen, dass die Laute von der Scheune kamen. Also schlich er dorthin. Welches menschenscheue Gesindel trieb sich hier mitten in der Nacht herum? Das konnte doch nichts Gutes bedeuten. Dass es niemand vom Personal war, wusste er. Alle schliefen bereits.
Als der Verwalter zehn Meter von der Scheune entfernt stand, konnte er zwei dunkle Gestalten ausmachen. Sie flüsterten miteinander. Dann trennten sie sich. Der eine Mann lief rechts um die Scheune herum, der andere wandte sich nach links.
Heinz Hübner folgte dem rechten. Was treiben diese Gestalten hier bloß?, fragte er sich dabei. Wollen sie etwas stehlen? Aber was? Doch kein Heu? Dazu hätten sie einen Lastwagen gebraucht. Und Pferde standen in der Scheune nicht.
Der Verwalter konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was dieses nächtliche Treiben zu bedeuten hatte. Aber sicher nichts Gutes. So viel stand fest.
Ganz plötzlich wusste Heinz Hübner jedoch, was da vorging. Er roch es und rannte, wie von tausend Teufeln gejagt, zurück zum Gutshaus. Dort telefonierte er mit der Polizei und der Feuerwehr. Dann holte er sein Gewehr und stürmte damit aus dem Haus.
Von außen wirkte die Scheune völlig normal.
Doch als Hübner die Tür aufstieß, quoll ihm eine konzentrierte Rauchwolke entgegen. Nur schemenhaft konnte er in diesem Qualm die Umrisse zweier Gestalten erkennen.
»Halt! Stehen bleiben und Hände hoch«, schrie er im Befehlston und schoss vorsichtshalber einen Warnschuss in das Dach der Scheune.
Das brachte die beiden Brandstifter augenblicklich zum Stehen. Nur einen Meter vor Hübner. »Keine Bewegung«, warnte dieser. »Diesmal schieße ich nicht nur in die Luft, sondern ziele auf eure Brust.«
»Das bringt Sie ins Gefängnis«, zischte der eine Mann.
»Ganz und gar nicht. Kein Gericht wird mich verurteilen, wenn ich einen Brandstifter erschieße«, knurrte Hübner. Seine Stimme klang dabei gefährlich.
Das schüchterte die beiden Verbrecher ein. Und die Waffe in der Hand des Verwalters tat ein Übriges. Die Brandstifter wagten es nicht davonzulaufen. Fast sieben Minuten hielt der Verwalter sie in Schach.
Dann hörte er von der Straße her die Sirene der Feuerwehr und gleich anschließend die Funkstreife.
Dann ging alles blitzschnell. Im Nu trugen die beiden Verbrecher Handschellen. Der beginnende Brand konnte gelöscht werden.
Der Hauptmann der Feuerwehr gratulierte dem Verwalter. »Wenn Sie uns nicht sofort angerufen hätten, wäre jede Hilfe zu spät gekommen. Dann wäre die Scheune abgebrannt.«
Die Köchin putzte sich geräuschvoll und voller Rührung die Nase. »Nicht auszudenken, wenn die ganze Scheune abgebrannt wäre«, murmelte sie.
Ein Polizist betrat die Halle und wandte sich an den Verwalter. »Kennen Sie die beiden Brandstifter, Herr Hübner?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe sie ja noch gar nicht richtig gesehen. In der qualmenden Scheune konnte ich keine Gesichtszüge unterscheiden.«
»Dann kommen Sie doch bitte mit«, bat der Beamte und begleitete Hübner vors Haus.
Ein greller Scheinwerfer beleuchtete den ganzen Hof. In dessen Mitte standen die beiden Brandstifter in Handschellen neben dem Polizeiwagen.
Heinz Hübner stieß einen überraschten Schrei aus. »Natürlich kenne ich den einen. Das ist Fritz Lüscher, mein Vorgänger.«
»Und der andere heißt Hermann Übler«, sagte die Köchin. Sie erzählte den Polizisten alles, was sie über Lüscher und Übler wusste.
»Bitte, kommen Sie morgen aufs Revier«, bat der Beamte. »Wir müssen das alles zu Protokoll nehmen.«
Dann verließ der Polizeiwagen mit den beiden Brandstiftern den Hof. Die Feuerwehrleute blieben, bis in der Scheune keine Brandgefahr mehr bestand.
Erst als auch sie abgerückt waren, bemerkte Heinz Hübner die Nachbarn. Sie hatten die Feuerwehr und Funkstreife gehört und waren mit dem Auto hergekommen, um zu helfen.
Der Verwalter lud alle zu einem nächtlichen Umtrunk ein. Auch das Personal. »Frau Rauscher würde bestimmt nichts dagegen haben«, sagte er zur Köchin.
»Im Gegenteil. Immerhin haben Sie durch Ihr rasches Eingreifen die Scheune vor einem Großbrand bewahrt – und Frau Rauscher vor beträchtlichem Schaden.«
»Und ob«, mischte sich ein Nachbar ein.
»Was glauben Sie, wie schnell das Feuer bei diesem Westwind auf das Herrenhaus übergegriffen hätte.«
Die Köchin erschrak. »Nicht auszudenken!«
Sie nahm sich, während sie in die Küche ging, um einen späten Imbiss vorzubereiten, vor, Jutta Rauscher alles ganz genau zu erzählen. Schließlich hatte der neue Verwalter das Gut gerettet und diesen betrügerischen Lüscher endlich dorthin gebracht, wo er hingehörte. Ins Gefängnis.
Bis spät in die Nacht hinein wurde auf Gut Riederau noch diskutiert. Sogar ein Reporter war dabei, der Bilder geschossen hatte und nun die Leute interviewte.
»Wird das morgen in der Zeitung stehen?«, fragte die Köchin.
»Auf jeden Fall. Sogar auf der Frontseite unseres kleinen Blattes«, sagte der Reporter. Er verabschiedete sich danach rasch, um seinen Bericht noch weiterzugeben.
*
Es stand zwar nicht am nächsten Tag in der Zeitung, dafür am übernächsten.
Feuer auf Gut Riederau, war in dicken Lettern auf der ersten Seite zu lesen. Darunter war ein Bild von der qualmenden Scheune.
»Haben Sie das gelesen, Herr Doktor?«, fragte die Oberschwester und zeigte Jürgen die Zeitung.
Jürgen las die Schlagzeile und erschrak. »Um Gottes willen!«
»Kein Grund zur Aufregung«, beruhigte die Schwester ihn schnell. Sie wusste, dass Jutta die Besitzerin von Gut Riederau war. »Es ist nichts passiert. Der Verwalter hat die Brandstifter gefasst und der Polizei übergeben.« Sie reichte Jürgen die Zeitung. »Bitte, lesen Sie selbst.«
Jürgen überflog den Artikel. Dann las er ihn noch einmal. Erst danach atmete er erleichtert auf. »Ich glaube, das können wir Frau Rauscher ruhig sagen. Schließlich ist ja nichts passiert.«
»Aber nur, weil sie einen so tüchtigen Verwalter hat«, sagte die Schwester. Sie wusste ja nicht, dass Jürgen diesen Verwalter eingestellt hatte.
Der Arzt schmunzelte und nickte. »Kann ich die Zeitung behalten?«, bat er dann. »Ich möchte sie gern Frau Rauscher zeigen.«
Die Schwester nickte. »Deswegen habe ich sie Ihnen ja gebracht.«
Jürgen betrat Juttas Zimmer und sah an ihrem Gesicht, dass sie schon informiert war.
Impulsiv streckte sie ihm beide Arme entgegen. »Du weißt gar nicht, wie dankbar ich dir bin, Jürgen.«
»Mir?«, fragte er überrascht. »Deinem Verwalter musst du dankbar sein. Er hat die Schurken gefasst.«
»Stimmt. Aber du hast den Verwalter eingestellt.«
Jürgen wehrte den Dank ab. Er deutete auf die Zeitung, die neben ihrem Bett lag. »Woher hast du sie?«
»Von einer Patientin. Sie weiß nur, dass mir Riederau gehört. Mehr nicht.« Jutta klopfte entrüstet auf die Zeitung. »Wenn ich mir vorstelle, dass dieser Lüscher mich die ganze Zeit betrogen hat und dann auch noch meine Scheune anzündet!«
»Reg