Der Wagen schlitterte und die beiden linken Reifen hoben vom Asphalt ab, als ich rasend schnell in die Kurve bog. Meine Fähigkeiten im Autorennen machten allerdings keinen Unterschied, denn der schwarze Geländewagen hinter uns wurde nicht einmal langsamer.
“Ich brauche mehr Fahrunterricht,” fauchte ich und umklammerte das Lenkrad.
Ich war aufs College gegangen, hatte Jura studiert und die Grundlagen der Selbstverteidigung gelernt, aber nichts davon hatte Stuntfahren beinhaltet. Mutter hätte wohl darauf bestehen sollen, als ich sechzehn geworden war.
“Meine Güte, Trin, du wirst uns noch alle umbringen.” Meine mittlere Schwester Faith—sie war ganze acht Minuten älter als ihr Zwilling—schimpfte vom Rücksitz aus, ihre weißen Knöchel klammerten sich im Todesgriff an den Vordersitz und das war das einzige, was sie davon abhielt, aus dem Auto geschleudert zu werden.
“Halt einfach an, damit ich diese Arschlöcher abknallen kann. Dann können wir nach Alera gehen.” Und diese genervte Stimme gehörte meiner kleinsten Schwester Destiny, sie saß auf dem Beifahrersitz und streichelte ihre Knarre wie ein Schoßhündchen. Ich befürchtete schon längst nicht mehr, dass sie mich aus Versehen erschießen könnte; sie war viel zu geschickt. Sie sah zwar wie die Entspanntere meiner beiden Zwillingsschwestern aus, hatte aber seit ihrem vierten Lebensjahr nichts anderes getan, als zu jagen, zu stalken und zu töten. Ihr lila Haar und ihre riesigen, unschuldigen, babyblauen Augen waren eine totale Täuschung für jeden Mann, der gedacht hatte, dass er sie durchschaut hatte.
Nicht, dass sie vielen Typen eine Chance gegeben hätte. Wir alle hatten Beziehungen gehabt. Wir waren keine unschuldigen, abgeschotteten Jungfrauen. Wir waren Prinzessinnen. Nicht, dass irgendjemand darüber Bescheid wusste. Und es war auch nicht gerade so, dass wir es bis vor wenigen Stunden selber geglaubt hätten. Es gab zu viele Disney-Prinzessinnen, als dass wir wirklich geglaubt hätten, dass wir echte Royals von einem anderen Planeten waren.
Von einem verfluchten anderen Planeten.
“Schieß ihnen doch einfach in die Reifen. So wie sie es im Film immer machen.” Faith grinste wie wahnsinnig; sie liebte Abenteuer. Im Gegensatz zu Destiny sah Faith vollkommen unschuldig aus. Wie die Unschuld in Person. Langes, goldbraunes Haar. Warme, dunkle Augen. Sie sah wie das liebenswürdigste Mädel des Planeten aus. Und sobald es um Tiere ging, dann stimmte das auch. Sie schleppte jede kranke Kreatur in einem Umkreis von zehn Meilen mit nach Hause, Schlangen miteingeschlossen. Aber mit Leuten? Autsch. Eher weniger. Als Zwillinge hätten sie sich eigentlich ähnlicher sein müssen, aber sie waren eher wie Geschwister und ihre Persönlichkeiten waren genauso verschieden wie ihr Look.
“Wehe,” warnte ich und blickte weiter geradeaus auf die Straße. “Wir sind fast da. Ich kann schon den Parkplatz sehen.”
“Ich werde sie nicht verfehlen, Trin. Lass mich schießen.” Destiny beäugte bereits den Geländewagen, die Straße, die Winkel.
“Nein. Ich glaube gerne, dass du treffen wirst.” Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. “Sie fahren zu schnell. Die dumme Karre wird sich wahrscheinlich überschlagen und einer dieser armen Bastarde wird heute Abend nicht mehr zu seiner Familie heimkehren. Nein. Für sie ist es nur ein Job.”
Mit einem tiefen Seufzen, das ich schon hunderte Male gehört hatte, lehnte Destiny sich in ihren Sitz zurück. “Na schön, Frau Diplomatin. Übrigens, sie jagen uns.”
Faith drehte sich um und winkte den Sonnenbrillentragenden Men-in-Black in dem Wagen hinter uns zu. Ich musste grinsen, als der Fahrer den Kiefer verkrampfte. “Hör auf die Alien-Jäger zu ärgern.”
“Spaßbremse.”
“Hippie,” feuerte ich zurück.
“Und der Freak hat’s geschafft!” Destiny stieß einen Siegesschrei aus, als wir mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz des Bräutezentrums einbogen. Wir waren aber keine Bräute. Wir kamen nicht, um getestet und einem außerirdischen Partner zugeteilt zu werden. Wir waren die Außerirdischen. Also irgendwie jedenfalls. Laut unserer Mutter war ich zu hundert Prozent ein Alien. Aber meine nervigen Schwestern waren es nur zur Hälfte.
Wir waren also keine Bräute. Und ins Militär würden wir auch nicht eintreten. In der Einrichtung wurden sowohl Bräute als auch Krieger für die Koalitionsflotte abgefertigt, aber auf keinen Fall wollte ich mich irgendeinem Soldaten hier erklären. Wir waren in gewisser Weise zwar weibliche Soldaten, aber ich hatte jetzt keine Zeit um mich mit einem Typen herumzuschlagen, sollte einer von denen gerade Dienst haben. Und den Warnungen unserer Mutter zufolge musste bei mir die Aleranische Gluthitze eingesetzt haben—das war eine lange Geschichte—, also war es im Moment nicht gerade die beste Idee einem Mann gegenüberzutreten.
Kurz gesagt, sollte ich einen Mann sehen, der mir gefiel, dann würde ich ihn aggressiv besteigen wollen und hinterher total enttäuscht, unbefriedigt und noch aufgebrachter als sowieso schon dastehen. Bei meinen Schwestern? Nun, das war noch nicht ganz klar. Aber mein Körper war gerade dabei mich in den Wahnsinn zu treiben und kein einziger Mann hatte mir bisher zugesagt.
Mutter hatte darauf gepocht, dass ich die heilige Energie eines Aleranischen Mannes brauchte, um meine Triebe zu befriedigen, aber das hatte ich ihr auch nicht wirklich geglaubt. Zumindest nicht, bis ich versucht hatte meinen Hunger mit einem meiner scharfen Arbeitskollegen zu stillen. Ein gewaltiger Fehler.
Ich hatte ihn geküsst und hätte schwören können, sein Mund hatte wie ein Aschenbecher geschmeckt. Und dabei war er Nichtraucher.
Außerdem war er bloß nach ein bisschen Knutschen zusammengeklappt und hatte für vier Stunden geschlafen. Ich hatte die ganze Zeit über ihn gewacht und war sichergegangen, dass er noch atmete. Und dann hatte ich mich damit abgefunden, dass ich nie mehr auf dem Planeten Erde Sex haben würde. Da ich jetzt diese Gluthitze stillen musste, brauchte ich einen Alien-Mann; einen, den meine Küsse nicht gleich auslaugen und umbringen würden.
Verdammt unpraktisch. Also musste ich schleunigst nach Alera oder ich würde sterben. Und wir mussten unsere Mutter retten. Wir mussten den Planeten verlassen. Jetzt sofort.
Aber erst mussten wir an dem riesigen Alien vorbeikommen—er war tatsächlicher größer als Mutters Volkswagen—, der den Eingang bewachte. Mit quietschenden Reifen brachte ich Mutters Käfer genau vor ihm zum Halten. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und machte finstere Miene. Er schrie regelrecht nach einer Kreuzung aus Alphatypen und Titanen—einem heißen Alien-Typen über den Weg zu laufen hatte mir gerade noch gefehlt, egal wie groß er war oder wie gut er aussah. Blöde Alien-Hormone.
“Heiliger Bimbam.” Destiny war total baff. “Ist das ein Atlane? Ich habe gehört, dass sie groß sind, aber—”
“Alle Achtung. Trinity, vielleicht kann er ja dein Problem beheben.” Faith winkte vom Rücksitz aus und hatte ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht.
“Auf keinen Fall,” konterte ich. “Vergiss es. Wir müssen da rein und jemanden dazu bringen, uns nach Alera zu transportieren. Sofort. Mir bleibt keine Zeit, um mein Problem zu beheben.” Ich war alles andere als froh über diesen Schlamassel und ich würde kein Risiko eingehen. Er war zwar echt prächtig, aber er war kein Aleraner. Ich fürchtete, dass ich ihn erledigen könnte, ganz egal wie groß und stark er aussah.
“Und wir wollen unseren besonderen Freunden hier auch kein Schauspiel liefern,” fügte Faith hinzu. “Lasst uns gehen!”
Als der Geländewagen fünf Minuten zuvor versucht hatte uns den Weg abzuschneiden, hatten wir beschlossen, im Bräutezentrum Zuflucht zu suchen. Das war unsere beste Chance. Den ersten Alien-Schmacko, der mir über den Weg lief zu besteigen gehörte aber nicht dazu. “Sieht nicht so aus, als ob er sich einfach von uns überrollen lassen wird.”
“Wehe du krümmst diesem Prachtstück von einem Alien auch nur ein Haar,” schimpfte Faith. Sie seufzte … übertrieben. “Verdammt. Ich glaube, ich brauche einen Atlanen.”
“Oh