Nach dieser Aktion wurde Tessa klar, sie brauchte Gleichgesinnte oder musste ihren Vergnügungen allein nachgehen.
Durch Zufall kam sie in Kontakt mit einer S-Bahn-Surfer-Clique. Das klang spannend und das wurde spannend. Tessa traf sich mit den Jungs immer in den Abendstunden. Die Zeit der Dämmerung war für ihr verbotenes Vorhaben am günstigsten. Man wurde nicht allzu schnell entdeckt, konnte selbst aber noch genügend sehen. Das Surfen auf und an den Zügen war für Tessa eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Es war nicht nur körperlich anstrengend, sie musste sich vor den Gesetzeshütern verbergen und alle ihre Sinne hundertprozentig einsetzen. Der kleinste Fehler konnte verheerende Folgen haben. Das begriff Tessa aber erst, als einer ihrer neuen Surferfreunde bei einem nicht präzisen Sprung zwischen die Gleise geriet und beide Beine verlor. Tessa war körperlich fit, waghalsig und intelligent, aber eins war sie nicht: todesmüde.
Sie sah sich in dem Bereich Extremsportarten um. Die hatten zwar immer noch ein gewisses Restrisiko, doch Tessa lebte nach dem Motto: »No risk no fun«.
In den folgenden Monaten nutze sie ihre Freizeit zum Bungee-Jumping und zum Base-Jumping. Ihre Wochenend- und Urlaubsziele suchte sie nach den Möglichkeiten von anderen Extremsportarten aus: Klippenspringen, Wildwasserkanu fahren, Klettern. Sie fand unzählige Möglichkeiten, die erfunden wurden, um Menschen an ihre Grenzen zu bringen. Das alles machte Tessa Spaß, sorgte für ausreichend Aktion und Adrenalin. Tessa hatte jedoch ein Problem. Alles wurde für sie zur Gewohnheit, zur Normalität. Je öfter sie etwas tat, umso langweiliger wurde es für sie.
Nun, nach drei Jahren, gab es fast nichts mehr, was sie in diesem Bereich ihrem Notizbuch hinzufügen konnte. Sie suchte nach neuen Herausforderungen. So hatte Tessa sich, nach einem One-Night-Stand mit einem überaus erfahrenen und experimentierfreudigen Mann mittleren Alters, auf sinnliche Erfahrungen gestürzt, auf die Lust und den Sex.
Es waren nicht unbedingt die Premieren selbst, die Tessa in höchste Ektase versetzten. Schon die Tage davor schwebte sie voller Vorfreude auf Wolke sieben. Das war für Tessa der Sinn des Lebens. Leben, lebendig sein, dem Leben alles absaugen und einsaugen, was es zu bieten hatte.
Für eine feste Beziehung war kein Platz in diesem Leben. Tessa suchte gezielt die Nähe von bereits vergebenen Männern. Ob diese verheiratet waren, interessierte sie nicht. Sie wollte nur Sex, unverbindlichen Sex, und den bekam sie genau von diesen Männern, die keine tieferen Absichten hegten oder sich sogar verlieben wollten.
Das Kennenlernen solcher Männer war für Tessa kein Problem, im Gegenteil: Es war schon fast zu einfach. Sie hatte eine effiziente Methode entwickelt, die für sie wenig Vorbereitung und Aufwand bedeutete und dem Mann ihrer Wahl einfach nur eine Entscheidung abverlangte: ja oder nein. Hatte sie einen Mann entdeckt, der ihr gefiel, beobachtete sie ihn eine Weile. Dabei war es Tessa völlig egal, wie alt oder jung, groß oder klein, blond oder braun er war. Entscheidend für sie war die Ausstrahlung und Wirkung eines Mannes auf sie. Stellte ihre relativ gute Menschenkenntnis fest, dass sie keinen Psychopaten, keinen Schwulen, keinen Exzentriker oder sonstiges ungeeignetes Exemplar von Mann beobachtete, ging sie einfach auf ihn zu, lächelte ihn verführerisch an, reichte ihm eine Visitenkarte und ging. Auf der gedruckten Vorderseite der Karte stand ein erfundener Vorname, ihre Handynummer und der Spruch: »Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.«
Auf der Rückseite stand handschriftlich: »Ruf mich an, wenn Du Lust auf ein Abenteuer hast! Ich will nicht Dich, sondern nur Sex!«
Siebzig Prozent der so geköderten Männer riefen spätestens nach vierzehn Tagen an.
Gespannt wie ein Bogen schnellte Tessa aus dem Bett. Es war Zeit für die Vorbereitungen zu »Premiere 56«. Sie eilte zum Kleiderschrank und legte die Sachen für ihren heißen Abend bereit. Zuerst einen weißen String und einen weißen Spitzen-BH. Die Farbe passte hervorragend zu ihrer makellosen braungebrannten Haut. Dann nahm sie zwei Bügel zur Hand und hielt diese rechts und links von sich gestreckt. Gelb oder rot? Ihr Blick wanderte hin und her. Tessa entschied sich für das gelbe Stretchminikleid, das ihren knackigen wohlgeformten Hintern auch wirklich geil aussehen lassen würde und ihre langen Beine nicht allzu sehr bedeckte.
Summend schwebte Tessa ins Badezimmer, zog ihre Hot Pants und das Shirt aus und ging unter die Dusche. Die Komplettrasur war der erste Punkt, der erledigt werden musste. Danach schäumte sich Tessa mit dem sündhaft teuren Duschbad ein, welches nur in Vorbereitung auf Sex zur Anwendung kam. Dabei wanderten ihre Gedanken freudig zwei Stunden voraus, in denen sie Jack und Tyler treffen würde. Jack war seit einigen Wochen ihre unverbindliche verheiratete Sexbeziehung und er hatte dieses Treffen auf ihr Drängen hin arrangiert.
Entdeckt hatte Tessa ihn auf dem Stadtfest, als sie, viel zu früh am Treffpunkt angekommen, auf ihre Freundin wartete. Er war nicht allein gewesen. Mit zwei Männern und einer Frau hatte er an einer Getränkebude angestanden. Tessa registrierte von ihrer Bank aus, dass die Frau zu ihrem möglichen Kandidaten gehörte, als er ihr den Arm um die Schulter legte und sie ihm um die Hüfte griff. Tessa schlenderte vorbei und betrachtete zunächst den Mann und dann die Frau genauer. Frisch verliebt wirkte das Pärchen nicht. Tessa wog ihre Chancen ab und entschied: Sie standen gut. Zeit für eine kurze Observierung hatte sie auch noch. Tessa folgte der schlendernden Vierergruppe unauffällig und hoffte auf den passsenden Augenblick. Der ergab sich vor dem Toilettenhäuschen. Die Frau stellte sich an der langen Schlange an. Die drei Männer warteten abseits. Als sie merkten, dass es nur langsam voranging, begaben die zwei Begleiter sich zu einer Bude mit Lederwaren und interessierten sich für Gürtel. Der brave Ehegatte wartete. Perfekt. Der Auserwählte stand für Tessa bereit. Sie steuerte genau aus der Richtung auf ihn zu, dass er beim Umdrehen zwischen ihr und seiner Frau oder Freundin stehen würde. Tessa zückte eine Visitenkarte und tippte ihn mit den Worten: »Entschuldigung, du hast da was verloren« auf die Schulter, reichte ihm die Karte und ging. Der Rest lief wie geplant: Ein erstaunter Mann sah einer verführerischen Frau hinterher. Vier Tage später rief Jack bei ihr an. Zwei Tage später trafen sie sich in einem Park, wo sie nach einer halben Stunde ein stilles Plätzchen für ihr erstes gemeinsames Abenteurer fanden. Weil beide den jeweils anderen oder auch die Situation als nett, sexy und äußerst geil empfanden, trafen sie sich weiter.
Tyler, der Dritte im Bunde bei dem heutigen abendlichen Treffen, kannte Tessa allerdings noch nicht. Sie wusste nur, dass er siebenundzwanzig Jahre alt war, groß, schlank, blond und sexuellen Spielchen nicht abgeneigt. Doch das störte Tessa nicht, im Gegenteil. Je weniger sie wusste, umso größer waren die Spannung und der Spielraum für ihre Fantasie. Ob er gut roch? Wie groß sein bestes Stück wohl war? Dick oder dünn? Ob er geschickte feinfühlige Hände hatte? Ob er gut küssen konnte?
Tessa nahm eine neue Portion Duschbad, schloss die Augen und ließ den Wasserstrahl an ihrem Rücken hinablaufen. Sie glitt mit ihren Händen an ihren empfindlichsten Stellen entlang, umkreiste ihre Brüste und hob sie an. Mit Daumen und Zeigefingern zwirbelte sie ganz leicht an ihren Brustwarzen und stellte sich vor, wie fremde Männerhände genau das taten. Sie liebte diese Berührungen, die bei ihr sofort das Verlangen nach mehr auslösten. Dann wanderten ihre eingeschäumten Hände in langsam kreisenden Bewegungen nach unten, über ihren flachen Bauch, nach hinten zu ihren straffen Pobacken, durch ihre Poritze und wieder nach vorn. Ihre Finger fühlten beim Einseifen ihres nackten Schambereiches nach vergessenen Stoppeln. Äußerst genau betastete sie jede Stelle, jede Falte, jede Ritze. Die Vorstellung, dass