LEAR
Fürst von Burgund,
Zu Euch erst sprech ich, der mit diesem König
Um meine Tochter warb. Was als das mindste
Erwartet Ihr als Mitgift, oder steht
Von Euerm Antrag ab?
BURGUND
Erhabner König,
Mir genügt, was Ihr freiwillig habt geboten,
Und minder gebt Ihr nicht.
LEAR
Mein würdiger Herzog,
Als sie Uns wert war, schätzten Wir sie so;
Nun ist ihr Preis gesunken. Seht, da steht sie:
Wenn etwas an der kleinen, schmucken Larve
Oder sie ganz mit Unserm Zorn dazu,
Und weiter nichts, Eur Hoheit noch gefällt,
So nehmt sie, sie ist Eur.
BURGUND
Mir fehlt die Antwort.
LEAR
Wollt Ihr mit allen Mängeln, die ihr eigen,
Freundlos und neuverschwistert Unserm Haß,
Zur Mitgift Fluch, durch Schwur von Uns entfremdet,
Sie nehmen oder lassen?
BURGUND
Herr, verzeiht,
Mit der Bedingung endigt jede Wahl.
LEAR
So laßt sie; bei der Macht, die mich erschuf,
Ich nannt Euch all ihr Gut.
Zu Frankreich. Ihr, großer König - So möcht ich Eure Freundschaft nicht verraten, Euch zu vermählen, wo ich hasse. Lenkt Zu besserm Ziel, ich bitt Euch, Eure Wünsche, Als auf dies Wesen, das Natur errötet Anzuerkennen.
FRANKREICH
Wahrlich, dies ist seltsam,
Daß sie, die eben noch Eur Kleinod war,
Der Inhalt Eures Lobs, Balsam des Alters,
Eur Bestes, Teuerstes, in diesem Nu
So Unerhörtes tat, ganz zu zerreißen
Solch reichgewebte Gunst. Ja, ihr Vergehn
Muß unnatürlich, ungeheuer sein,
Oder die Liebe, deren Ihr Euch rühmtet,
Ist tadelnswert. So schlimm von ihr zu denken,
Heischt Glauben, wie Vernunft ihn ohne Wunder
Mir nimmer einimpft.
CORDELIA
Herr, ich bitte doch,
Mangelt mir auch die schlüpfrig glatte Kunst,
Zu reden nur zum Schein - denn was ich ernstlich will,
Vollbring ich, eh ichs sage -, daß Ihr zeugt,
Es sei kein schnöder Makel, Mord noch Schmach,
Kein zuchtlos Tun noch ehrvergeßner Schritt,
Der mir geraubt hat Eure Gnad und Huld.
Nur, weil mir fehlt, wodurch ich reicher bin,
Ein stets begehrend Aug und eine Zunge,
Die ich mit Stolz entbehr, obgleich ihr Mangel
Mir Euern Beifall raubte.
LEAR
Besser wärs,
Du lebtest nicht, als mir zur Kränkung leben!
FRANKREICH
Ist es nur das? Ein Zaudern der Natur,
Das oft die Tat unausgesprochen läßt,
Die es zu tun denkt? - Herzog von Burgund,
Was sagt Ihr zu der Braut? Lieb ist nicht Liebe,
Wenn sie vermengt mit Rücksicht, die seitab
Vom wahren Ziel sich wendet. Wollt Ihr sie?
Sie selbst ist ihre Mitgift.
BURGUND
Hoher Lear,
Gebt mir den Anteil, den Ihr selbst bestimmt,
Und hier nehm ich Cordelia bei der Hand
Als Herzogin Burgunds.
LEAR
Nichts! Ich beschwors, ich bleibe fest.
BURGUND
Dann tut mirs leid, daß Ihr zugleich den Vater
Verliert und den Gemahl.
CORDELIA
Fahr hin, Burgund! -
Da Wunsch nur nach Besitz sein Lieben ist,
Werd ich nie seine Gattin.
FRANKREICH
Schönste Cordelia, du bist arm höchst reich,
Verbannt höchst wert, verachtet höchst geliebt!
Dich nehm ich in Besitz und deinen Wert.
Gesetzlich sei's: ich nehme, was man wegwarf.
Wie seltsam, Götter, meiner Liebe Glühn
Und Achtung muß aus kaltem Hohn erblühn.
Sie mußte Erb und Glück bei dir verlieren,
Um über uns und Frankreich zu regieren.
Kein Herzog von Burgunds stromreichen Auen
Erkauft von mir die teuerste der Frauen!
Den Harten gib ein mildes Abschiedswort,
Das Hier verlierst du für ein beßres Dort.
LEAR
Du hast sie, Frankreich, sie sei dein; denn nie
Hatt ich solch Kind, und nimmer grüße sie
Mein altes Auge mehr. - Folg deinen Wegen
Ohn Unsre Lieb und Gunst, ohn Unsren Segen! -
Kommt, edler Fürst Burgund!
Trompetengetön. Lear, Burgund, Cornwall, Albany, Gloster und Gefolge gehen ab.
FRANKREICH
Sag deinen Schwestern Lebewohl.
CORDELIA
[beiseit. ] Des Vaters Edelsteinen! - [Laut. ] Nassen Blicks Verläßt Cordelia euch. [Beiseit. ] Ich kenn euch wohl, Und nenn als Schwester eure Fehler nicht Beim wahren Namen. [Laut. ] Liebt denn unsern Vater, Ich leg ihn euch ans vielberedte Herz. [Beiseit. ] Doch ach, wär ich ihm lieb noch wie vorzeiten, Wollt ich ihm einen bessern Platz bereiten. [Laut. ] So lebt denn beide wohl!
REGAN
Lehr uns nicht unsre Pflichten.
GONERIL
Dem Gemahl
Such zu genügen, der als Glücksalmosen
Dich aufnahm. Da du Pflichtverletzung wagtest,
Versagt sich dir nur, was du selbst versagtest.
CORDELIA
Was List verborgen, wird ans Licht gebracht,
Wer Fehler schminkt, wird einst mit Spott verlacht.
Es geh euch wohl!
FRANKREICH
Komm, liebliche Cordelia!
Frankreich und Cordelia gehen ab.
GONERIL
Schwester, ich habe nicht wenig zu sagen, was uns beide sehr nahe angeht.