Othello.
Ob ich's denke, Jago?
Jago.
Wie, einander heimlich küssen?
Othello.
Unauthorisierte Küsse?
Jago.
Oder auch nakend bey ihrem Freund im Bette zu ligen, eine, zwo und mehr Stunden, ohne was böses dabey zu meynen? Das sollte nicht möglich seyn? Eine Anspielung auf die berüchtigte Keuschheits-Probe des heiligen Robert von Arbrissel, der mitten zwischen zwoen schönen jungen Nonnen eine Probe machte, die mit einer Häßlichen gefährlich wäre.
Othello.
Nakend im Bette, Jago, und nichts böses dabey meynen? Das heißt, den Teufel zum Narren machen wollen: Leute, die mit tugendhaften Absichten so etwas thun, die versucht der Teufel nicht; sie versuchen den Himmel.
Jago.
Und doch, wenn sie nichts thun, so ist es nur eine läßliche Sünde: Aber wenn ich meinem Weib ein Schnupftuch gebe
Othello.
Was dann?
Jago.
Was dann? So gehört's ihr zu, Gnädiger Herr; und da es ihr zugehört, so kan sie's, denk' ich, wieder einem andern geben.
Othello.
Ihre Ehre gehört auch ihr zu; darf sie solche darum weggeben?
Jago.
Ihre Ehre ist ein unsichtbares Ding und es bleibt immer problematisch ob man sie hat oder nicht hat; aber das Schnupftuch
Othello.
Beym Himmel! du erinnerst mich an etwas das ich so gern vergessen hätte; du sagtest oh, es kommt über mein Gedächtniß wie ein Unglük-weissagender Rabe über ein verpestetes Haus er habe mein Schnupftuch.
Jago.
Ja, und was ist's dann mehr?
Othello.
Es ist nur zuviel.
Jago.
Was wär' es denn, wenn ich sagte, ich habe mit meinen eignen Augen gesehen, daß er euch beleidigt habe, oder ich hab' es von ihm selbst gehört, (wie es denn solche Schurken giebt, die, wenn sie irgend ein Frauenzimmer, entweder durch ungestüme Verfolgungen oder durch die freywillige Ergebung der Dame unter sich gebracht haben, es unmöglich von sich selbst erhalten können nicht zu plaudern.)
Othello.
Hat er dann etwas gesagt?
Jago.
Das hat er, Gnädiger Herr; aber dessen seyd versichert, nichts was er nicht wieder läugnen und verschwören würde.
Othello.
Was sagt' er denn?
Jago.
Was? Er habe bey ihr ich weiß nicht was gethan
Othello.
Was denn, was denn?
Jago.
Gelegen.
Othello.
Bey ihr?
Jago.
Bey ihr, oder auf ihr was ihr wollt
Othello.
Bey ihr! Auf ihr! Bey ihr gelegen! Das ist alles was man sagen kan: Das Schnupftuch Sein eigen Geständniß Das Schnupftuch! das Schnupftuch! Ich erschüttre vom blossen Gedanken Ohne eine grosse Ursache würde die Natur sich selbst in keinen solchen Schatten einhüllen. Es sind keine Worte, die mich so schütteln Nasen, Ohren und Lippen ist's möglich! Sein Geständniß! Ihr Schnupftuch! OTeufel!
(Er wird ohnmächtig.)
Jago.
Würke du nur wohl, meine Mixtur, würke! So muß man leichtgläubige Narren fangen manche rechtschaffne und keusche Frauen kommen, mit aller ihrer Unschuld, gerad auf solche Art um ihren guten Namen. Wie, he! Gnädiger Herr! Hört ihr nicht? Othello! he!
Englisch
ZWEYTE SCENE
Cassio tritt auf.
Jago.
Wo kommt ihr her, Cassio?
Cassio.
Was giebt's hier?
Jago.
Der General ist von dem fallenden Weh überfallen worden; das ist nun der zweyte Anstoß; er hatte gestern den ersten.
Cassio.
Reibt ihn um die Schläfe.
Jago.
Nein, rührt ihn nicht an; man muß der Ohnmacht ihren ruhigen Gang lassen; oder, er fängt an zu schäumen, und bricht endlich völlig in die wildeste Tobsucht aus: Seht, er rührt sich; entfernt euch ein wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist, so möcht' ich über eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch sprechen können. (Cassio geht ab.) Wie steht's mit euch, Gnädiger Herr? Habt ihr den Kopf nicht angeschlagen?
Othello.
Spottest du meiner noch?
Jago.
Ich spotte, beym Himmel! nicht; aber ich wünschte, daß ihr euer Unglük wie ein Mann trüget.
Othello.
Ein gehörnter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier.
Jago.
Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Städten eine Menge Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer.
Othello.
Er gestand's also selbst?
Jago.
Liebster General, seyd ein Mann! denkt, es sind wenige bärtige Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen. Millionen Männer leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwüren, daß es ihnen eigen sey. Euer Fall ist doch noch besser. O, das ist des Teufels gröster Spaß, eine unzüchtige Meze in ein sichres Ehe-Bette zu legen, und sie für ein Tugendbild zu geben. Nein, besser ist's ich wisse's; wenn ich weiß, was ich bin, so weiß ich auch, was sie seyn soll.
Othello.
O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiß.
Jago.
Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein wenig Geduld. Während daß ihr hier von euerm Schmerz so unmännlich überwältigt laget, kam Cassio hieher. Ich erdachte gleich etwas, um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit ihm zu reden hätte. Er versprach mir's. Verbergt euch also nur irgendwo, wo ihr ihn sehen könnt; und beobachtet das schelmische, triumphierende Lächeln, die hönische Züge, die sichtbare Leichtfertigkeit, die sein Geheimniß in seinem ganzen Gesicht verrathen. Denn er soll mir seine Erzählung wieder von vorn anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich sage, gebt nur auf seine Mine Acht Ozum Henker, Geduld, oder ich muß endlich glauben, ihr seyd über und über lauter Galle, und habt nicht das mindeste von einem Mann.
Othello.
Hörst du, Jago! Ich will dir zeigen, daß ich so lange geduldig scheinen kan, als es nöthig ist; aber eine blutige Rache soll mich davor schadlos halten.
Jago.
Es läßt sich hören; aber