Ausgetrabt. Hans Weber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Weber
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839266946
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die plötzliche Rennbegeisterung seiner Frau mehr als erstaunt.

      Drei

      Alles war bereit für einen spannenden Nachmittag auf Bayerns ältester Trabrennbahn. Die bayerische und die deutsche Fahne sowie Fahnen vieler Sponsoren waren gehisst. Die Tribünen und die aufgestellten Biertischgarnituren neben der Zielgeraden waren schnell besetzt. Viele Besucher kamen mit Campingstühlen und suchten sich ein schattiges Plätzchen am Schlussbogen neben der Bande. Die Bahn war von den Verantwortlichen des Rennvereins wieder hervorragend präpariert worden. Das Personal in den Verpflegungszelten und Wettbuden wartete bereits auf Kundschaft und auch das Wetter spielte mit. Im Innern der Bahn platzierten die Mitarbeiter eines hiesigen Autohauses, die diese Plattform gerne als Werbung für sich nutzten, ihre Nobelkarossen. Der »Verein für Traber- und Warmblutzucht im Rottal« hatte alles bestens organisiert und keine Mühe gescheut, seinen Gästen einen unvergesslichen Nachmittag zu bereiten. Als Bahnsprecher verpflichteten die Verantwortlichen den bekannten Sportkommentator Hartwig Thöne, der vielen Besuchern als Moderator des Senders »Sport1« bekannt war. Thöne galt nicht nur als Fußballfachmann, sondern auch als ausgewiesener Trabrenn-Experte, der die Highlights des Trabrennsports auf nahezu allen deutschen Rennbahnen kompetent und emotional zugleich kommentierte.

      Wie jedes Jahr war der Tisch mit der Nummer 25 auf der altehrwürdigen Holztribüne, die Anfang des 20. Jahrhunderts von den damaligen Rossnarrischen im Jugendstil errichtet worden war, auf den Namen Thomas Huber reserviert. Von dort hatte man einen herrlichen Überblick über das 1.000-Meter-Oval und das zweite Wahrzeichen Pfarrkirchens, die Wallfahrtskirche Gartlberg, die hoch über der Stadt thronte. Letztere interessierte die ehemaligen Schüler des Pfarrkirchner Gymnasiums an diesem Tag allerdings wenig.

      Schon eine halbe Stunde vor Rennbeginn war die Runde der Freunde komplett. Neben Thomas Huber und Helmut Drexler fanden sich wie immer Berni Ebner, Karl Denk und Florian Sattler zum Wetten ein. Erstmals ergänzte Rudi Kellner die Runde, den Helmut Drexler gestern Abend zufällig getroffen und ihn bei dieser Gelegenheit zum Mitwetten überredet hatte.

      »Ich hab überhaupt keine Ahnung von Pferden und genauso wenig vom Wetten«, stellte Kellner gleich zu Beginn klar.

      »Das macht nichts. Hauptsach, du hast a Geld dabei«, kommentierte Thomas Huber augenzwinkernd. Schnell einigten sich die Schulfreunde, dass jeder vorerst 20 Euro in einen gemeinsamen Wettpott einzahlte, den Banker Helmut Drexler verwaltete. Insgesamt hatte das Sextett so ein Startbudget von 120 Euro, von dem bei den einzelnen Rennen ein bestimmter Betrag gesetzt werden sollte. Anschließend holten sich die Männer jeweils eine Radlermaß. Ein Grund zum Anstoßen fand sich immer.

      »Welche Wettarten gibt’s eigentlich?«, wollte der Wettnovize Rudi Kellner wissen, bevor er seine 20 Euro lockermachte.

      »Grundsätzlich gibt es Sieg- und Platzwetten sowie die eher schwierig zu treffenden Zweier- und Dreierwetten. Bei der Siegwette musst du den Sieger des Rennens vorhersagen, bei der Platzwette muss dein gewettetes Pferd unter die ersten drei kommen, wobei sich die Gewinne bei dieser Wettart logischerweise sehr in Grenzen halten. Und bei der Zweier- und Dreierwette musst du die ersten zwei beziehungsweise die ersten drei in der richtigen Reihenfolge vorhersagen«, erklärte der Experte Helmut Drexler.

      »Ich denk, wir sollten beim ersten Rennen mit einer Siegwette anfangen«, schlug Thomas Huber vor.

      Das erste Rennen war gleichzeitig der erste Vorlauf zum Eurocup der Amateure, der mit acht Pferden besetzt war.

      »Was haltet ihr von Dark Fighter, der mit der Nummer fünf?«, fragte Berni Ebner in die Runde, nachdem er sich im Traberjournal über die Starter informiert hatte.

      »Der Dark Fighter ist eigentlich ein ganz gutes Pferd, aber der Gegner sitzt im Sulky«, mutmaßte Drexler.

      »Was heißt denn das schon wieder?«, fragte Rudi Kellner ungeduldig nach.

      »Das heißt, dass der Fahrer des Pferdes, Manfred Dietl, nicht der Geschickteste an der Fahrleine ist«, erklärte Drexler.

      »Aber vielleicht hat er ja mal eine Sternstunde, der Manfred«, hoffte Florian Sattler.

      »Kennst du den Dietl?«, wollte Berni Ebner wissen.

      »Ja, klar kenn ich den Manfred. Der wohnt in Pflanzenöd, ungefähr zwei Kilometer von mir entfernt. Der ist auch bei der Schönauer Feuerwehr, genau wie ich. Mittlerweile ist der Manfred einer der größten Eierproduzenten in der Region«, erklärte Sattler, der aus Schönau kam, ungefähr zehn Kilometer nördlich der Rottaler Hauptstadt.

      »Wie viele Hühner muss man denn haben, um zu den größten Eierproduzenten zu gehören?«, fragte Ebner neugierig nach.

      »Das kann ich gar nicht genau sagen. Es sind bestimmt einige Tausend, und alle in Boden- und Freilandhaltung. Der liefert seine Eier in ganz Süddeutschland aus«, entgegnete Sattler.

      »Das ist ja schön und gut, aber hilft uns nicht bei der Frage, auf wen wir setzen sollen«, unterbrach der Polizeibeamte Thomas Huber den landwirtschaftlichen Exkurs.

      »Hast du den Dietl vielleicht g’fragt, wie er seine Chancen einschätzt?«, wollte Karl Denk von seinem ehemaligen Schulfreund Florian wissen.

      »Ja, letzte Woche hab ich ihn in Schönau beim Einkaufen ’troffen und da hab ich mit ihm g’redet«, antwortete Sattler.

      »Mach’s nicht so spannend. Was hat er g’meint?« Thomas Huber wurde langsam ungeduldig.

      »Er will auf Sieg fahren, hat er g’sagt«, bestätigte Sattler.

      »Das wollen s’ alle«, bemerkte Helmut Drexler abwertend.

      »Trotzdem sollten wir schon rein aus patriotischen Gründen auf das Pferd des Pflanzenöders setzen«, fasste Thomas Huber die Diskussion zusammen. Die Tippgemeinschaft war einverstanden. Helmut Drexler füllte den Wettschein aus und bezahlte die Wette mit zehn Euro im nahen Wetthäusl.

      Wenig später trabten die acht Pferde hinter dem Startauto her. Vor ihnen lagen genau 2.100 Meter, was 100 Meter mehr als zwei Bahnrunden bedeutete. Die Zuschauer erhoben sich und beobachteten den Start. Alle Pferde traten glatt ein und liefen in der vorgeschriebenen Gangart, nämlich im Trab. Manfred Dietl ließ sein Pferd ruhig eintreten und reihte sich am Schluss des Feldes in zweiter Spur ein. Das Achter-Feld positionierte sich in vier Zweierreihen.

      Bereits nach einer halben Runde steuerte Manfred Dietl, der von den zahlreichen einheimischen Zuschauern angefeuert wurde, sein Pferd nach außen in die dritte Spur und griff an.

      »Was macht der denn jetzt? Das ist doch viel zu früh«, kommentierte Helmut Drexler die Aktion des Fahrers.

      Die innen trabenden Pferde reagierten auf den Angriff des Pflanzenöders und zogen ihrerseits das Tempo an, wodurch Dark Fighter in der dritten Spur hängen blieb.

      »Unseren ersten Zehner können wir abschreiben«, befürchtete auch Thomas Huber, dem klar war, dass das Pferd durch die weiten Wege in der dritten Spur nicht mehr gewinnen konnte.

      So kam es auch. Dark Fighter musste dem aufwendigen Rennverlauf, den ihm sein Fahrer beschert hatte, Tribut zollen. Bereits im letzten Bogen zogen die inneren Pferde an dem müden Dark Fighter vorbei. Auf der Zielgeraden brach das Pferd völlig ein, und Manfred Dietl kam nahezu im Schritttempo unter dem Gelächter vieler Zuschauer als Letzter an.

      »Ich hab doch gleich g’sagt, dass der Dietl kein Talent für den Sport hat. Der kann bestimmt gut Eier verkaufen, aber von Trabrennen hat der keine Ahnung. Wenn er angreift, muss er schnell nach vorne fahren oder mit seinem Speed bis zum Einlauf warten«, schimpfte Helmut Drexler.

      »Da wird der Manfred keine gute Nacht haben. Der ist immer so schnell in seiner Eitelkeit ’kränkt«, ergänzte der Feuerwehrkamerad Florian Sattler.

      In diesem Moment trat Hans Baumgartner, der langjährige und mittlerweile pensionierte Kollege des Polizeibeamten Thomas Huber, an den Tisch der enttäuschten Wettgemeinschaft. Mit seinen 63 Jahren machte der Brillenträger, trotz seiner angegrauten Haare, noch einen sehr sportlichen Eindruck.

      »Servus, Hans. Hast einen