Die Sache ist sehr geheimgehalten worden. Auch war nicht viel Aufhebens davon zu machen. – Sie werden lachen, Prinz. – Aber so geht es den Empfindsamen! Die Liebe spielet ihnen immer die schlimmsten Streiche. Ein Mädchen ohne Vermögen und ohne Rang hat ihn in ihre Schlinge zu ziehen gewußt – mit ein wenig Larve, aber mit vielem Prunke von Tugend und Gefühl und Witz – und was weiß ich?
DER PRINZ
Wer sich den Eindrücken, die Unschuld und Schönheit auf ihn machen, ohne weitere Rücksicht so ganz überlassen darf – ich dächte, der wäre eher zu beneiden als zu belachen. – Und wie heißt denn die Glückliche? Denn bei alledem ist Appiani – ich weiß wohl, daß Sie, Marinelli, ihn nicht leiden können; ebensowenig als er Sie –, bei alledem ist er doch ein sehr würdiger junger Mann, ein schöner Mann, ein reicher Mann, ein Mann voller Ehre. Ich hätte sehr gewünscht, ihn mir verbinden zu können. Ich werde noch darauf denken.
MARINELLI
Wenn es nicht zu spät ist. – Denn soviel ich höre, ist sein Plan gar nicht, bei Hofe sein Glück zu machen.
– Er will mit seiner Gebieterin nach seinen Tälern von Piemont – Gemsen zu jagen, auf den Alpen, und Murmeltiere abzurichten. – Was kann er Besseres tun? Hier ist es durch das Mißbündnis, welches er trifft, mit ihm doch aus. Der Zirkel der ersten Häuser ist ihm von nun an verschlossen – –
DER PRINZ
Mit euren ersten Häusern! – In welchen das Zeremoniell, der Zwang, die Langeweile und nicht selten die Dürftigkeit herrschet. – Aber so nennen Sie mir sie doch, der er dieses so große Opfer bringt.
MARINELLI
Es ist eine gewisse Emilia Galotti.
DER PRINZ
Wie, Marinelli? Eine gewisse – –
MARINELLI
Emilia Galotti.
DER PRINZ
Emilia Galotti? – Nimmermehr!
MARINELLI
Zuverlässig, gnädiger Herr.
DER PRINZ
Nein, sag ich; das ist nicht, das kann nicht sein. – Sie irren sich in dem Namen. – Das Geschlecht der Galotti ist groß. – Eine Galotti kann es sein: aber nicht Emilia Galotti, nicht Emilia!
MARINELLI
Emilia – Emilia Galotti!
DER PRINZ
So gibt es noch eine, die beide Namen führt. – Sie sagten ohnedem, eine gewisse Emilia Galotti – eine gewisse. Von der rechten kann nur ein Narr so sprechen – –
MARINELLI
Sie sind außer sich, gnädiger Herr. – Kennen Sie denn diese Emilia?
DER PRINZ
Ich habe zu fragen, Marinelli, nicht Er. – Emilia Galotti? Die Tochter des Obersten Galotti, bei Sabionetta?
MARINELLI
Ebendie.
DER PRINZ
Die hier in Guastalla mit ihrer Mutter wohnet?
MARINELLI
Ebendie.
DER PRINZ
Unfern der Kirche Allerheiligen?
MARINELLI
Ebendie.
DER PRINZ
Mit einem Worte – – (indem er nach dem Porträte springt und es dem Marinelli in die Hand gibt) Da!
– Diese? Diese Emilia Galotti? – Sprich dein verdammtes »Ebendie« noch einmal und stoß mir den Dolch ins Herz!
MARINELLI
Ebendie!
DER PRINZ
Henker! – Diese? – Diese Emilia Galotti wird heute – –
MARINELLI
Gräfin Appiani! – (Hier reißt der Prinz dem Marinelli das Bild wieder aus der Hand und wirft es beiseite.) Die Trauung geschiehet in der Stille, auf dem Landgute des Vaters bei Sabionetta. Gegen Mittag fahren Mutter und Tochter, der Graf und vielleicht ein paar Freunde dahin ab.
DER PRINZ
(der sich voll Verzweiflung in einen Stuhl wirft)
So bin ich verloren! – So will ich nicht leben!
MARINELLI
Aber was ist Ihnen, gnädiger Herr?
DER PRINZ
(der gegen ihn wieder aufspringt)
Verräter! – Was mir ist? – Nun ja, ich liebe sie; ich bete sie an. Mögt ihr es doch wissen! Mögt ihr es doch längst gewußt haben, alle ihr, denen ich der tollen Orsina schimpfliche Fesseln lieber ewig tragen sollte! – Nur daß Sie, Marinelli, der Sie so oft mich Ihrer innigsten Freundschaft versicherten – o ein Fürst hat keinen Freund! Kann keinen Freund haben! –, daß Sie, Sie, so treulos, so hämisch mir bis auf diesen Augenblick die Gefahr verhehlen dürfen, die meiner Liebe drohte: Wenn ich Ihnen jemals das vergebe – so werde mir meiner Sünden keine vergeben!
MARINELLI
Ich weiß kaum Worte zu finden, Prinz – wenn Sie mich auch dazu kommen ließen –, Ihnen mein Erstaunen zu bezeigen. – Sie lieben Emilia Galotti!
– Schwur dann gegen Schwur: Wenn ich von dieser Liebe das geringste gewußt, das geringste vermutet habe, so möge weder Engel noch Heiliger von mir wissen! – Ebendas wollt’ ich in die Seele der Orsina schwören. Ihr Verdacht schweift auf einer ganz andern Fährte.
DER PRINZ
So verzeihen Sie mir, Marinelli – (indem er sich ihm in die Arme wirft) und bedaueren Sie mich.
MARINELLI
Nun da, Prinz! Erkennen Sie da die Frucht Ihrer Zurückhaltung! – »Fürsten haben keinen Freund! Können keinen Freund haben!« – Und die Ursache, wenn dem so ist? – Weil sie keinen haben wollen. – Heute beehren sie uns mit ihrem Vertrauen, teilen uns ihre geheimsten Wünsche mit, schließen uns ihre ganze Seele auf: und morgen sind wir ihnen wieder so fremd, als hätten sie nie ein Wort mit uns gewechselt.
DER PRINZ
Ah! Marinelli, wie konnt’ ich Ihnen vertrauen, was ich mir selbst kaum gestehen wollte?
MARINELLI
Und also wohl noch weniger der Urheberin Ihrer Qual gestanden haben?
DER PRINZ
Ihr? – Alle meine Mühe ist vergebens gewesen, sie ein zweites Mal zu sprechen. –
MARINELLI
Und