Abbildung 2.8 zeigt das Crossing-over in Aktion. In der Abbildung erkennen Sie ein Paar homologer Chromosomen mit zwei Loci. An beiden Loci haben die Chromosomen jeweils unterschiedliche Versionen der Gene – oder anders ausgedrückt, die Allele sind verschieden. Das eine Chromosom besitzt die Allele A und b, das zweite besitzt a und B. Nach der Replikation der DNA sind die Schwesterchromatiden exakt gleich (weil es ja Kopien sind). Nach dem Crossing-over haben die Chromosomen ihre Arme ausgetauscht. Deshalb hat jetzt jedes Homolog eine Schwesterchromatide, die sich von der anderen unterscheidet.
Partner trennen sich
Die rekombinierten Chromosomen finden sich in der Metaphase I in der Äquatorialebene ein (siehe Abbildung 2.7). Die Kernmembran zerfällt, und die homologen Chromosomen werden (ähnlich wie in der Anaphase bei der Mitose) von Spindelfasern am Zentromer gepackt und in Richtung des jeweiligen Pols gezogen und so getrennt.
Am Ende der ersten Phase der Meiose teilt sich die Zelle zum ersten Mal (Telophase I, gefolgt von Zytokinese I). Die beiden Tochterzellen enthalten nun einen kompletten Chromosomensatz. Die nun partnerlosen Chromosomen liegen aber immer noch in Form von Schwesterchromatiden vor.
Nach der Telophase I treten die Zellen in eine Art Zwischenrunde ein, die Interkinese genannt wird (was so viel heißt wie »zwischen Bewegungen«). Die Chromosomen schwellen etwas ab und verlieren ihr markantes Aussehen (die »Würstchenform«), das sie während der Metaphase besitzen. Die Interkinese ist nur eine Ruhephase zur Vorbereitung auf die nächste Meiose-Runde.
Meiose, Teil II: Fortsetzung folgt
Die Meiose II ist die zweite Runde der Zellteilung, an deren Ende das Produkt der Meiose steht: Zellen mit nur einer Kopie jedes Chromosoms. Die Chromosomen komprimieren sich noch einmal zur gewohnten Würstchenform. Vergessen Sie nicht: Die Ausgangszellen haben einen einfachen Chromosomensatz, aber in der Form von Schwesterchromatiden.
Abbildung 2.8: Das Crossing-over produziert während der Meiose neue einzigartige Allelkombinationen.
Während der Metaphase II sammeln sich die Chromosomen wiederum in der Äquatorialebene der Zelle und die Spindelfasern verbinden sich wieder mit den Zentromeren. In der darauf folgenden Anaphase II werden die Schwesterchromatiden (in diesem Fall nicht mehr Chromosomenpaare, sondern die eigentlichen kopierten Chromosomen) voneinander getrennt und zu den entgegengesetzten Polen der Zelle gezogen. Die Kernmembran formiert sich neu um die nun einzelnen Chromosomen (Telophase II). Schließlich teilen sich die Zellen und am Ende des Vorgangs sind vier Zellen mit jeweils einem haploiden Chromosomensatz entstanden.
Mami, wo komme ich eigentlich her?
… von der Gametogenese, mein Schatz! Beim Menschen (und allen anderen Lebewesen, die sich sexuell fortpflanzen) entstehen durch Meiose die Gameten, besser bekannt als Spermien (bei Männern) und Eizellen (bei Frauen). Ist die Gelegenheit günstig, kommen Spermium und Eizelle zusammen, die Eizelle wird befruchtet und ein neues Lebewesen entsteht. Die befruchtete, noch nicht geteilte Eizelle nennt man Zygote. Abbildung 2.9 zeigt den Prozess der Gametogenese (die Produktion von Gameten) beim Menschen.
Bei Männern produzieren bestimmte Zellen im Sexualorgan (Hoden) sogenannte Spermatogonien. Die Spermatogonien enthalten noch den kompletten diploiden Chromosomensatz mit 46 Chromosomen. Nach der Meiose I hat sich ein Spermatogonium in zwei sekundäre Spermatozyten geteilt, die je einen Satz homologer Chromosomen in Form von Schwesterchromatiden enthalten. Nach einer weiteren Teilung (Meiose II) entstehen vier Spermatiden, die später zu den Spermien werden. Die Spermatiden sind haploid, sie tragen also nur 23 Chromosomen. Weil Männer ein X- und ein Y-Geschlechtschromosom besitzen, enthält die eine Hälfte der Spermien (Männer produzieren wortwörtlich Millionen Spermien) ein X-Chromosom und die andere Hälfte ein Y-Chromosom.
Die Eizellenproduktion bei der Frau läuft ähnlich wie die Spermienproduktion beim Mann. Der größte Unterschied zwischen der Spermien- und Eizellenproduktion ist, dass bei der Meiose der Eizellen nur eine befruchtungsfähige, haploide Eizelle entsteht anstatt der vier Spermatiden. Die anderen Zellen werden zu Polkörperchen, die an der Eizelle haften, aber nicht befruchtet werden können und absterben. Da Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, haben alle Eizellen ein X-Chromosom.
Abbildung 2.9: Die Gametogenese beim Menschen
Kapitel 3
Erbsenzählen: Wir entdecken die Vererbungsregeln
IN DIESEM KAPITEL
Wertschätzung: die Arbeit Gregor Mendels
Verstehen: Vererbung, Dominanz und Trennung der Allele
Wahrscheinlichkeitsrechnung: Lösung einfacher genetischer Probleme
Alle Merkmale eines Lebewesens lassen sich zu seinen Genen zurückverfolgen. Welche Farbe hat das Fell Ihrer Katze oder Ihres Hundes? Wie groß sind Sie? Haben Sie Haare auf den Fingerrücken? Können Sie Ihre Zunge rollen oder falten? All das und noch viel mehr wird durch Gene bestimmt, die von Eltern an ihre Nachkommen weitergereicht werden. Denken Sie nur an die erste Frage, die fast jeder stellt, wenn er ein Neugeborenes sieht: »Kommt es mehr nach Mama oder Papa?«
Die Regeln der Vererbung wurden vor weniger als 200 Jahren entdeckt. Um 1850 beobachtete Johann Gregor Mendel, ein österreichischer Mönch, während der Gartenarbeit das Wachstum seiner Erbsen und leitete daraus Stück für Stück die grundlegenden Regeln der Vererbung ab, die heute noch ihre Gültigkeit besitzen. Mendel selbst wusste allerdings gar nichts über Mitose oder Meiose, als er die Vererbungsregeln formulierte.
Im Garten mit Gregor Mendel
Schon Jahrhunderte, bevor Mendel seine erste Erbse pflanzte, hatten die Gelehrten und Wissenschaftler darüber diskutiert, wie Vererbung funktioniert. Es war offensichtlich, dass irgendetwas von den