Costas vielfältige Wirkungsfelder – sei es als Miniaturmaler in Bologna zusammen mit Francesco Francia für ein von Giovanni II. Bentivoglio 1502 in Auftrag gegebenes Stundenbuch, sei es als gebildeter und musikalischer Hofmann in Mantua – finden keinen Eingang in Vasaris Vita.
Costas Stil bewertet Vasari (wie etwa auch den Andrea Mantegnas) als trocken und schneidend, womit er ihre Einordnung in die maniera seconda markiert. Dabei hatte Costa, gerade in Mantua, einen stile dolce entwickelt, den Vasari in Oberitalien sonst beispielsweise im Werk von Giovanni Bellini fand. »Trotz seines etwas trockenen und scharfkantigen Stils [schuf er] viele lobenswerte Werke«, lautet das Fazit von Giorgio Vasari über den Maler Lorenzo Costa aus Ferrara.
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DAS LEBEN DES FERRARESER MALERS LORENZO COSTA
Vita di Lorenzo Costa Ferrarese. Pittore (1568)
Obwohl die Menschen in der Toskana die Künste des disegno mehr als in allen anderen Gegenden Italiens und vielleicht Europas ausgeübt haben, soll das nicht heißen, daß nicht auch in anderen Gegenden zu allen Zeiten immer wieder die ein oder andere Begabung erwacht ist, die es in diesen Berufen zu Erlesenheit und Vortrefflichkeit gebracht hat, wie wir dies in vielen Lebensbeschreibungen bis hierher zeigen konnten und dies künftig noch mehr zeigen werden. Wohl wahr ist, daß man dort, wo es keine Ausbildung gibt und die Menschen nicht daran gewöhnt sind zu lernen, nicht so schnell vortrefflich wird wie an jenen Orten, an denen die Künstler schon immer in Konkurrenz zueinander arbeiten und lernen. Sobald aber einer oder zwei den Anfang machen, scheint dies immer viele andere dazu zu bringen – so groß ist die Macht der Kunst –, ihnen nachfolgen zu wollen, zur Ehre ihrer selbst und ihrer jeweiligen Heimat.1
Der Ferrareser Lorenzo Costa,2 der von Natur aus der Kunst der Malerei zugeneigt war und gehört hatte, daß in der Toskana Fra Filippo, Benozzo und andere berühmt und sehr angesehen waren, begab sich also nach Florenz, um ihre Werke zu sehen. Bei seiner Ankunft gefiel ihm ihr Stil so gut, daß er viele Monate dort blieb und alles tat, um sie nachzuahmen, insbesondere was das Zeichnen nach der Natur anging.3 Dies gelang ihm so gut, daß er nach seiner Rückkehr in die Heimat dort trotz seines etwas trockenen und scharfkantigen Stils viele lobenswerte Werke schuf, wie im Chor der Kirche San Domenico in Ferrara zu sehen, der vollständig von seiner Hand ausgeführt ist und die Sorgfalt erkennen läßt, mit der er die Kunst ausübte, und den großen Einsatz, mit dem er seine Werke ausführte.4 Und in der guardaroba des Herzogs von Ferrara sieht man von seiner Hand viele Bilder mit naturgetreuen Porträts, die hervorragend und sehr lebensähnlich ausgeführt sind. Auch in den Häusern der Edelleute gibt es Werke von seiner Hand, die in großer Verehrung gehalten werden.5 In Ravenna malte er in der Kirche San Domenico für die Kapelle des Heiligen Sebastian eine Tafel in Öl und einige Szenen in Fresko, die sehr gelobt worden sind.6 Man holte ihn dann nach Bologna, wo er in San Petronio für die Kapelle der Mariscotti in einer Tafel einen pfeildurchbohrten Heiligen Sebastian an der Säule malte, dazu viele weitere Figuren, in einem Werk, welches das beste Gemälde in Tempera war, das in jener Stadt bis dahin geschaffen worden war.7 Ebenfalls von ihm stammte die Tafel mit dem Heiligen Hieronymus in der Kapelle der Castelli8 und auch die vom Heiligen Vinzenz, die sich, gleichfalls in Tempera ausgeführt, in der Griffoni-Kapelle befindet. Ihre Predella ließ er von einem seiner Schüler ausführen, der sich dabei viel besser anstellte als er selbst in der Tafel, wovon an gegebener Stelle die Rede sein wird.9 In derselben Stadt und in derselben Kirche schuf Lorenzo für die Kapelle der Rossi in einer Tafel die Madonna und die Heiligen Jakobus, Georg, Sebastian und Hieronymus – das beste Werk, das er je geschaffen hat, und das mit dem lieblichsten Stil.10
Anschließend trat Lorenzo in den Dienst von Herrn Francesco Gonzaga, dem Markgrafen von Mantua, für den er im Palast von San Sebastiano viele Szenen in einem Gemach schuf, die teils in Gouache, teils in Öl ausgeführt sind.11 In einer von ihnen ist die Markgräfin Isabella naturgetreu in Begleitung vieler Edelfrauen porträtiert, die zu unterschiedlichen Instrumenten singend einen liebreizenden Einklang bilden. Eine andere [Szene] zeigt die Göttin Latona [Leto], wie sie getreu der Sage einige Bauern in Frösche verwandelt. In der dritten ist Markgraf Francesco zu sehen, der von Herkules auf dem Pfad der Tugend zur Spitze eines der Ewigkeit geweihten Berges geführt wird.12 In einem anderen Bild ist derselbe Markgraf, einen Stab in der Hand, mit triumphierender Geste auf einem Sockel zu sehen, um ihn herum viele seiner Edelleute und Diener mit Standarten in Händen, die angesichts seiner Größe frohlocken und jubilieren, und zahllose unter ihnen sind nach dem Leben porträtiert. Auch malte er im großen Saal, dort wo sich heute Mantegnas Triumphdarstellungen befinden,13 zwei Bilder, will heißen eines auf jeder Stirnwand. Das erste, in Gouache ausgeführte Bild zeigt eine Vielzahl nackter Figuren, die Herkules zu Ehren Feuer entzünden und Opfer darbringen, darin auch die lebensgetreuen Porträts des Markgrafen und seiner drei Söhne Federico,14 Ercole15 und Ferrante,16 die später sehr bedeutende und illustre Fürsten geworden sind; außerdem gibt es dort noch einige Porträts herausragender Edelfrauen.17 In dem anderen, das viele Jahre nach dem ersten in Öl ausgeführt wurde und zu den letzten Werken gehörte, die Lorenzo ausführte, ist der zum Mann herangewachsene Markgraf Federico gezeigt, der als Generalhauptmann unter Leo X. mit einem Stab in der Hand erscheint, um ihn herum viele Edelmänner, die Costa getreu nach der Natur porträtiert hat.18 In Bologna malte er im Palast des Messer Bentivoglio im Wettstreit mit anderen Meistern einige Gemächer aus, auf die wir aber nicht weiter eingehen werden, da sie bei der Zerstörung dieses Palasts verlorengegangen sind.19 Nicht unterlassen will ich es, darauf hinzuweisen, daß von den Werken, die er für die Bentivoglio ausführte, allein die Kapelle erhalten geblieben ist, die er für Messer Giovanni in San Jacopo schuf, wo er in zwei Szenen zwei Triumphdarstellungen mit zahlreichen Porträts malte, die als wunderschön gelten.20 Ebenso schuf er in San Giovanni in Monte im Jahr 1497 für Jacopo Chedini in einer Kapelle, in der er nach seinem Tod bestattet werden wollte, eine Tafel mit einer Madonna, Johannes dem Täufer, dem Heiligen Augustinus und weiteren Heiligen.21 In San Francesco malte er in einer Tafel eine Geburt Christi, den Heiligen Jakobus und den Heiligen Antonius von Padua.22 In San Pietro nahm er für Domenico Garganelli, der ein Edelmann aus Bologna war, eine wunderschöne Kapelle in Angriff, doch was immer auch der Grund dafür gewesen sein mag, ließ er sie, nachdem er ein paar Figuren an der Decke ausgeführt hatte, unvollendet beziehungsweise gerade eben begonnen zurück.23
In Mantua malte er neben den Werken, die er für den Markgrafen schuf und von denen wir weiter oben berichtet haben, in San Silvestro eine Tafel mit der Madonna und auf der einen Seite den Heiligen Sylvester, der ihr die Bevölkerung jener Stadt anempfiehlt, und auf der anderen die Heiligen Sebastian, Paulus, Elisabeth und Hieronymus.24 In jene Kirche kam besagte Tafel, wie man hört, nach Costas Tod, dessen Lebensweg in Mantua endete, wo seine Nachfahren später immer gelebt haben, und der für sich und seine Nachkommen in dieser Kirche eine Grabstätte haben wollte.25 Er schuf noch viele andere Malereien, über die ich nichts weiter sagen werde, da wir der besten ausreichend gedacht haben.26 Sein Porträt habe ich in Mantua von dem vortrefflichen Maler Fermo Ghisoni bekommen, der mir zusicherte, daß es von Costas eigener Hand stamme,27 der ein passabler Zeichner war, wie man es in unserem libro an einer Federzeichnung auf Pergament sehen kann, die ein Urteil des Salomon und einen Heiligen Hieronymus in chiaroscuro zeigt, die sehr gut ausgeführt sind.28
Schüler von Lorenzo waren sein Landsmann Ercole da Ferrara, dessen Vita weiter vorn beschrieben werden wird,29 und der ebenfalls aus Ferrara stammende Lodovico Malino, von dem in seiner Heimat und an anderen Orten viele Werke zu finden sind. Sein bestes war allerdings eine Tafel in der Kirche San Francesco in Bologna, in einer Kapelle nahe dem Haupteingang, in der dargestellt ist, wie der zwölfjährige Jesus Christus mit den Gelehrten im Tempel disputiert.30 Auch Dosso der Ältere aus Ferrara, von dessen Werken an entsprechender Stelle die Rede sein wird, hat bei Costa die Grundlagen erlernt.31 Und dies ist alles, was ich über das Leben und die Werke des Ferraresers Lorenzo Costa habe herausfinden können.