Schritt 1: Technische Vorbereitung (2 Minuten)
Platzieren Sie Ihr Smartphone in einem Abstand von zwei bis drei Metern so auf einem Stativ, dass Sie als ganze Person (inkl. Ihrer Füße) zu sehen sind. Alternativ können Sie das Smartphone so ausrichten, dass Sie in der »amerikanischen Einstellung« zu sehen sind. Diese Einstellung wurde oft in Western verwendet und zeigt die Cowboys mitsamt ihrem Colt, also etwa von den Knien aufwärts. Bitten Sie eventuell einen Freund oder Kollegen, das Smartphone zu halten, und achten Sie auf eine ruhige Umgebung, ohne laute Störgeräusche.
Schritt 2: Definieren Sie Setting und Zielsetzung anhand folgender Fragen (5 Minuten)
A) Welches Publikum stelle ich mir vor? Wer hört mir eigentlich zu?
B) Was sind das konkrete Thema und der Anlass meiner Begrüßung?
C) Warum spreche ich – oder auch: Was will ich mit meiner Rede erreichen?
Zur Inspiration einige Settingbeispiele
–Bei einem Town Hall Meeting heißen Sie Ihre Mitarbeiter / Kollegen willkommen und geben einen kurzen Überblick über den Tag.
–Sie eröffnen als Gastgeberin einen Fachkongress und machen neugierig auf die geplanten Programmpunkte.
–Beim offiziellen »Tag der offenen Tür« begrüßen Sie die Gäste, die sich für Ihr Unternehmen interessieren.
–Sie treffen einen potenziellen neuen Geschäftspartner und es kommt zum klassischen Elevator Pitch: Was machen Ihr Unternehmen und Ihr Bereich eigentlich konkret?
–Zum 75. Geburtstag Ihrer Schwiegermutter halten Sie die feierliche Eröffnungsrede vor der versammelten Großfamilie.
Anmerkung: Das Setting ist frei wählbar; es geht nicht um inhaltliche Details, sondern darum, wie Sie sich -präsentieren und eine Botschaft kommunizieren.
Schritt 3: Struktur: Ihr »60-Sekunden-Skript« (10 Minuten)
Nachdem Thema, Anlass, Publikum und Ziel definiert sind, können Sie sich mit der Redestruktur beschäftigen. Führen Sie sich die Situation vor Augen und machen Sie sich Notizen auf einer Karteikarte. Sie erhalten so ein Stichwortmanuskript Ihrer Begrüßungsworte.
Schritt 4: Die Videoaufnahme (3 Minuten)
Legen Sie die Stichwortkarte beiseite (Sie brauchen sie nicht. Auch nicht zum Festhalten – dazu später mehr). Starten Sie die Aufnahme und gehen Sie auf Ihre Bühnenposition. Beginnen Sie mit Ihrem Vortrag erst dann, wenn Sie sich bereit fühlen. Ob Sie Ihren Blick in die Kameralinse richten oder hin zu einem imaginären Publikum, spielt in dieser ersten Übung keine Rolle.
Top! Sie haben die letzte Chance genutzt, ohne unseren Input einen Status quo Ihrer Kamerawirkung zu produzieren. Eine Art »Aircheck«, der für alle professionellen On-air-Reporter und Moderatoren ein selbstverständliches Feedbackinstrument ist. Betrachten Sie nun Ihre Präsentation: Was fällt Ihnen auf, was gefällt Ihnen gut und was nicht? Gibt es etwas, von dem Sie noch gar nicht wussten, dass Sie es tun? Machen Sie sich Stichworte und speichern Sie Ihre Aufnahme. Während der Lektüre werden Sie immer wieder einen Blick auf Ihre Präsentation werfen und sie jedes Mal neu, mit anderen Augen sehen.
KAPITEL 1
Executive Presence zu haben reicht nicht. Es gilt, sie in den entscheidenden Momenten sichtbar zu machen
Viele Führungskräfte aus dem Top-Management bringen eigentlich alles mit, was sie für ein überzeugendes Auftreten in der Öffentlichkeit benötigen. Dennoch ist der erste Gedanke vor wichtigen Vorträgen, Fernsehinterviews und Videobotschaften häufig: Was muss ich korrigieren oder abschalten, wie muss ich mich »verstellen«, welcher »Bühnenmensch« muss ich werden, um die bestmögliche Figur abzugeben? Einer unserer Teilnehmer hat das einmal entlarvend offen formuliert: »Wer soll ich sein? Seriöser Finanzwissenschaftler oder spontaner Entertainer?«
Unser Vorschlag: Oft ist es eine gute Idee, möglichst viel von sich selbst zu sein. Denn es gibt nicht die eine Form der Executive Presence. Was es aber sehr wohl gibt, sind Bausteine, die dafür sorgen, dass Ihre individuellen Stärken in den entscheidenden Momenten sichtbar werden. Rhetorik, Körpersprache, Stimme, Haltung, Empathie, Präsenz und die Klarheit der Argumente entscheiden letztendlich darüber, ob eine Botschaft nur ausgesprochen wird oder ob sie beim Gegenüber wirklich ankommt und dadurch ihre kraftvolle Wirkung entfalten kann.
1.1 Okay, es gibt Blackouts. Vor allem aber gibt es verschenkte Chancen
Wenn man sich als Kommunikationstrainer nach fast 15 Jahren noch an eines seiner allerersten Coachings erinnert, hatte man seitdem entweder sehr wenige Aufträge, oder es muss etwas wirklich Außergewöhnliches geschehen sein. Damals dachten wir zumindest noch, einem seltenen Phänomen auf der Spur zu sein, mittlerweile wissen wir: Wir waren Zeuge eines Managementschicksals, das sehr viele Top-Führungskräfte miteinander teilen, wenn es in die öffentliche Kommunikation geht.
Wir befanden uns im Konferenzraum eines internationalen Finanzinstituts und hatten unser mobiles Fernsehstudio aufgebaut. Drei Scheinwerfer waren bereits installiert, der Kameramann hatte die Kamera geschultert und ein weiterer Kollege verkabelte unsere Teilnehmerin mit einem Ansteckmikrofon. Durch die bodentiefen Fenster konnten wir die leuchtenden Türme der Frankfurter Skyline sehen. Unsere Kundin: Bereichsleiterin, Anfang 40, kurze, blonde Haare, Hosenanzug, Brille, freundlich und offenherzig. Wir waren noch am Anfang unserer Session und wollten nach einem kurzen Vorgespräch mit der ersten Interviewübung beginnen. Nichts Kompliziertes, kein heikles Krisenszenario, ein harmloses »Level 1«-Interview über den Status quo im Unternehmen, die Ziele der Bank und ein konkretes Event im kommenden Monat. So zumindest war der Plan.
Also alle in Position, Lampen an, Kamera auf Rotlicht, kurze Tonprobe und eine erste, ungefährliche Einstiegsfrage. Unsere Klientin schaffte knappe zehn Sekunden, bevor es ihr, im wahrsten Sinne des Wortes, die Sprache verschlug. Ihr kompliziert komponierter Einstiegssatz führte schnell ins Nichts, ihre Stimme wurde brüchig, das von uns dringend herbeigesehnte Verb geriet außer Sichtweite, ihre Konzentration wich wachsender Unruhe. Und dann: Nichts mehr. Blackout. »Wie kann mir so was passieren?«, war in ihren Augen zu lesen. Eine Top-Managerin, gewohnt zu präsentieren. Kopfschütteln über sich selbst.
Im nächsten Moment öffnete sich die Tür des Konferenzraums und zwei Damen vom Catering schoben einen Wagen mit belegten Brötchen hinein. Unsere Klientin hatte offensichtlich andere Pläne, drehte sich mit einem offenen Lächeln zu den beiden um und sagte: »Besten Dank, dass Sie kommen. Sieht ja wieder lecker aus. Aber bitte geben Sie uns noch zehn Minuten, seien Sie so nett. Wir stecken mitten in einer Übung. Ich sage Ihnen dann Bescheid, sobald wir durch sind. Dankeschön.«
Fünf Sätze. Knapp, freundlich, bestimmt, souverän und klar. Ohne Versprecher, ohne Suche nach einem Verb, ohne jeden Fehler. Verbindlich statt verwirrend. Vorgetragen mit offener Haltung und deutlicher Stimme. Man könnte sagen: Mit der sichtbaren und hörbaren Executive Presence, die ihr zu eigen ist. Und dies wenige Sekunden nach einem fürchterlich missratenen Interviewversuch vor unserer Kamera. Wir schauten uns an, sie realisierte, was soeben passiert war, und wir wussten