Ja auch seine Frau ist eine Heldin!
Sein Abschiedsbrief ist ergreifend: Er opfert sein Leben auf als Sühne für alle Menschen. Er betet zur Himmelmutter, daß er am 15. August schon im Himmel sein darf. Am 9. August 1943 wird er in Brandenburg hingerichtet, sein Leib verbrannt. An diesem Tag betet die Kirche im Evangelium die Worte Christi: „Wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird das Leben gewinnen. Was nützt es den Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet.“ Matt. 16,25–26.
St. Radegund, am 19.12.1945. Karobath79
Im Sinne der beeindruckenden Klarheit dieses Textes und der Prägnanz, mit der Karobath das Leben des Radegunder Märtyrers nachzeichnet, sollen hier drei Punkte unterstrichen werden. Einerseits reflektiert Karobath auf den Begriff „Held – Kriegsheld“, des Weiteren apostrophiert er die Haltung von Franziska Jägerstätter als „Heldin“, und schließlich zitiert er die Evangelienperikope des Todestages, des 9. August 1943.
Am 15. Dezember 1942 war durch Ferdinand Fürthauer ein „Kurzer Überblick über die gefallenen Helden des Deutsch-Französischen-Russischen-Englischen Krieges“ in der Pfarrchronik festgehalten worden, welche in den folgenden Jahren ergänzt wurde, insgesamt 32 gefallene Soldaten jungen Alters. Als Karobath 1945 die Chronik liest, setzt er unter den Begriff „Helden“ eine rote Wellenlinie und notiert ebenfalls mit rotem Kugelschreiber die vielsagende Frage: „Wer ist ein Held?“, um am Schluss der Liste der Gefallenen, welche mit dem Datum 23. Februar 1945 endet, zu ergänzen: „Jägerstätter ist allein ein Held!“ Diese Notiz setzt er bewusst als Titel über den neutral gehaltenen Kurzbericht von Fürthauer zu Jägerstätter in der Pfarrchronik:
Franz Jägerstätter wurde zum Militärdienst einberufen, nur schwer folgte er diesem Ruf. Weil er aber für den Nationalsozialistischen Staat nicht mit der Waffe in der Hand kämpfen wollte, wurde er in Berlin am 6.7.43 zum Tode verurteilt und dieses Urteil ist am 9. August 1943 in Brandenburg vollzogen worden. Der Herr gebe ihm den Frieden.80
Pfarrer Karobath beschäftigte immer wieder die Frage nach dem Verständnis von „Held“ und „Heldentum“. Er unternahm eine nicht unbedeutende Infragestellung des Begriffes „Kriegshelden“, wird doch dadurch deutlich, dass er das Widerstandsverhalten und die Verweigerung Jägerstätters der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gegenüber als „Heldentat“ einstufte, während er für die Kriegsgefallenen diesen Terminus nicht gelten lassen wollte, waren sie doch Opfer des gewaltorientierten totalitären Regimes und in seinen Augen auch zu Mittätern geworden.81 Auch Pfarrer Jochmann hatte stets angemerkt, dass Jägerstätter einen „Heldentod“ bzw. „heldenhaft“ gestorben sei. Die Frage, wer ein Held sei, beschäftigte die Nachkriegsgeneration intensiv. Hatten doch die meisten zum Kriegsdienst einberufenen Männer diese Ehre zugesprochen bekommen, als „Helden“ verstanden zu werden. Die Friedhöfe und Gräber der Soldaten wurden daher auch in der Regel als „Heldenfriedhöfe“ oder „Heldengrab“ bezeichnet. Jährlich fanden und finden dort Gedenkfeiern und Würdigungen statt.
Karobath weitete sein Verständnis von heldenhaftem Verhalten aus auf Franziska Jägerstätter. Er bezeichnet diese deutlich und überraschend als „Heldin“ und sprengt damit noch stärker das konventionelle Verständnis von Heldentum. Damit spielte er einerseits auf ihre Rolle als Wegbegleiterin für Franz und Förderin seines Glaubens an, andererseits auch auf die schwierige Situation im Dorf, war doch die Diskussion um die Haltung ihres Ehemannes kontrovers und sein entschiedenes Verhalten von vielen nicht gutgeheißen, vielmehr als fanatische Haltung abgetan. Franziska musste über viele Jahrzehnte Verschiedenes an Kritik und Schmähung erdulden.82 Die unterschiedlichen Haltungen kamen auch zum Ausdruck, als für die gefallenen Soldaten auf dem Friedhof von St. Radegund ein Denkmal errichtet wurde. Ein erster Beschluss, dass die politische Gemeinde die Kriegerkapelle (!) herrichten werde, erfolgte bereits am 25. Juli 1948 in der Kirchenratssitzung.83 Am Ende der Namenwand für die gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkrieges stand auch der Name Franz Jägerstätter; Pfarrer Karobath hätte gerne den Hinweis „seinem Gewissen folgend“ anbringen wollen, was allerdings nicht möglich war, da im letzten Augenblick noch der Name eines Vermissten angebracht werden musste. Die unterschiedlichen Sichtweisen und Einschätzungen im Dorf um seine Entscheidung und Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus führten aber zur Demolierung seines Namens, der allerdings später wieder hinzugefügt werden konnte; der Hinweis auf das Gewissen wurde nicht umgesetzt.84
Abb. 16: Das Kriegerdenkmal in St. Radegund
Der dritte Aspekt, auf den verwiesen werden soll, ist das Zitat Karobaths aus der Evangelienperikope des Festformulars für die Vigilmesse am Festtag des Märtyrers Laurentius, der auch im Kirchenfenster dargestellt ist und dessen Festtag am 10. August gefeiert wird.85 Für Karobath war die Hinrichtung seines Pfarrkindes zur Vigil am Märtyrerfest keine belanglose Parallele, vielmehr Deutung und Begleitliturgie seines Todes. Nach der Lesung JesSir 51,1–8.12, welche im zeitgenössischen Missale Romanum auch für hl. Jungfrauen und eine Märtyrerin vorgesehen war, und dem Graduale Ps 112,9.2 folgt die Evangelienperikope Mt 16,24–27. Während die Kirche diese Messe feiert, hat Franz sein Leben am Schafott hingegeben. Die Messtexte mussten dem Pfarrer wie eine spirituelle Programmatik zum Martyrium von Franz erscheinen.
IntroitusPs 111(112),9
Er teilte aus und gab den Armen; und ewig währt seine Gerechtigkeit; seine Kraft wird sich in Herrlichkeit erheben.
V Selig der Mann, der den Herrn fürchtet und dessen große Freude Sein Gesetz. Ehre sei.
Oration
Herr, sei unserem Flehen hilfreich nahe und wende uns in Deiner Güte immerwährendes Erbarmen zu auf die Fürbitte Deines hl. Märtyrers Laurentius, dessen Vorfeier wir begehen. Durch unsern Herrn.
Lesung JesSir 51,1–8.12
Ich preise Dich, Herr und König; ich lobe Dich, meinen Gott und Heiland. Ich preise Deinen Namen; denn du warst mir Helfer und Beschirmer. Du hast meinen Leib errettet aus dem Verderben, aus den Schlingen verleumderischer Zungen und von lügnerischen Lippen. Du warst mir Helfer gegen meine Widersacher. Du befreitest mich nach Deinem überreichen Erbarmen von den brüllenden Tieren, die mich verschlingen wollten, aus den Händen derer, die mir nach dem Leben trachteten, aus der Trübsal, die mich umgab, aus der lodernden Flamme, die mich umzüngelte, so dass ich mitten im Feuer nicht verbrannte, aus dem tiefen Schlunde der Unterwelt, von den unzüchtigen Reden, von den lügnerischen Worten, von dem gottlosen Könige und von der ungerechten Zunge. Darum will meine Seele bis zum Tode den Herrn lobpreisen. Denn Du rettest jene, die auf Dich hoffen, und du befreist sie aus den Händen der Heiden: Herr, unser Gott!86
GradualePs 111(112),9.2
Er teilte aus und gab den Armen; und ewig währt seine Gerechtigkeit. Gar mächtig werden seine Kinder sein auf Erden, und das Geschlecht der Frommen wird gesegnet.
EvangeliumMt 16,24–27
In jener Zeit sprach Jesus zu Seinen Jüngern: „Wer Mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach. Denn wer sein [zeitliches] Leben erhalten will, wird es [ewig] verlieren; wer aber sein Leben um Meinetwillen verliert, wird es finden. Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber Schaden leidet? Oder was kann der Mensch als Lösegeld für seine Seele geben? Denn der Menschensohn wird in der Herrlichkeit Seines Vaters mit Seinen Engeln kommen und dann einem jeden vergelten nach seinen Werken.
OffertoriumJjob 16,20; Ps 16(17)
Mein Gebet ist rein; daher bitte ich,