Vom Schafott zum Altar. Ewald Volgger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ewald Volgger
Издательство: Bookwire
Серия: Jägerstätter Studien
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783706560801
Скачать книгу
den Altar (Depositio)

       Kurze Stille

       6.8. Die Feier der Altarweihe mit der Segnung des Verkündigungsortes und des Taufbeckens

       Manfred Scheuer: Predigt zur Altarweihe mit den Reliquien des seligen Franz Jägerstätter

       Schlussbemerkung

       Quellenverzeichnis

       Literaturverzeichnis

       Abbildungsverzeichnis

       Personenregister

      Ewald Volgger OT

      Vom Schafott zum Altar

      Bestattung und Translatio des Märtyrers Franz Jägerstätter

      „Wenn der Priester den Altar küßt, so drückt er damit seine Ehrerbietung und Liebe, seine Gebets- und Opfergemeinschaft mit Christus und den Heiligen aus, deren Reliquien im Altar eingeschlossen sind.“1

      Franz Jägerstätter (1907–1943)

Abb_01.jpg

      20.5.1907: Geburt von Franz Jägerstätter in St. Radegund als uneheliches Kind der Dienstmagd Rosalia Huber und des Knechtes Franz Bachmeier.

      19.2.1917: Hochzeit von Mutter Rosalia mit Heinrich Jägerstätter, der Franz adoptiert und ihm seinen Familiennamen überträgt.

      1927–1930: Franz arbeitet im steirischen Eisenerz. Vom verdienten Geld kauft er sich ein Motorrad.

      1.8.1933: Franz wird Vater einer unehelichen Tochter.

      1933: Tod von Heinrich Jägerstätter, Franz übernimmt als rechtlicher Erbe den Leherbauernhof in St. Radegund.

      9.4.1936: Hochzeit mit Franziska Schwaninger (1913–2013). Aus der Ehe entstammen drei Töchter.

      10.4.1938: Bei der Abstimmung zum „Anschluss“ stimmt Franz als Einziger seines Ortes mit Nein.

      17.6.1940: Franz wird zum ersten Mal zum aktiven Wehrdienst eingezogen, kann aber nach wenigen Tagen unabkömmlich gestellt werden.

      Okt. 1940–April 1941: Ausbildung zum Kraftfahrer in der Alpenjägerkaserne in Enns, am 9.12. Verlegung nach Obernberg am Inn, ab Februar 1941 einem Pferdegespann zugeordnet, das zu Übungszwecken Infanteriematerial ins Waldviertel transportiert.

      April 1941: Franz kann mit Unterstützung des Bürgermeisters abrüsten und bleibt fast zwei Jahre von einer Einberufung verschont. Der Entschluss, einer weiteren Einberufung nicht mehr Folge zu leisten, reift.

      1941: Franz übernimmt das Mesneramt in seiner Pfarre St. Radegund.

      1941–1942: Konsultationen mit befreundeten Priestern, Briefverkehr mit Verwandten, Frontsoldaten und seinem Freund Rudolf Mayr, Aufzeichnungen in Heften und auf losen Blättern, Unterredung mit seinem Bischof Joseph C. Fließer in Linz.

      23.2.1943: Erhalt des Einberufungsbefehls.

      1.3.1943: Franz stellt sich der Militärbehörde in Enns und spricht am 2.3.1943 seine Verweigerung aus. Überstellung in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Linz.

      4.5.1943: Überstellung in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel.

      6.7.1943: Verurteilung zum Tod durch das Reichskriegsgericht wegen Zersetzung der Wehrkraft.

      12.7.1943: Letzte Begegnung mit Franziska Jägerstätter in Berlin-Tegel.

      9.8.1943: Franz wird um 16 Uhr in Brandenburg an der Havel enthauptet.

      1. Religiöse und politische Bedeutungen des Erinnerns

      Orte der Erinnerung haben eine besondere Aufgabe und Wirkung. Der neugeschaffene Altar der Pfarrkirche von St. Radegund ist ein solcher Ort. Unterhalb der Altarplatte, in die Mitte des Altaraufbaus, wurde ein kreuzförmiger Glaskörper eingebettet, der die Reliquien (Brandleichenreste) des seligen Märtyrers Franz Jägerstätter birgt und seinen Märtyrertod gegenwärtig hält.2

      Am 9. August 1943 wurde Franz Jägerstätter am Schafott in Brandenburg an der Havel hingerichtet; am 11. August wurde seine Leiche verbrannt. Das Todesurteil gegen Franz Jägerstätter am 6. Juli 1943 durch das Militärgericht des NS-Regimes brachte „den Verlust der Wehrwürdigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte“ mit sich.3 Eine Widerstandspersönlichkeit, die sich wie nicht wenige aus Gewissensgründen und religiöser Überzeugung gegen das menschenverachtende Regime des Nationalsozialismus aussprach, sollte vernichtet und die Erinnerung an sie ausgelöscht werden. Der Totalitarismus der NS-Ideologie duldete keine Infragestellung und Opposition. Selbst über den Tod hinaus sollte die anonyme Bestattung der Hingerichteten die Erinnerung unterbinden. Die Anonymbestattung verunmöglichte auch die Grabkultur als eine mögliche Form der Erinnerung. Die Haltung Jägerstätters, seine Wirkung auf Menschen um ihn herum, nicht zuletzt im Gefängnis, bewirkte aber das Gegenteil.

      Totalitäres Denken, wie es auch vom NS-Regime unter Hitler in unüberbietbarer Weise praktiziert worden war, anerkennt in seiner Radikalität die Individualität und Würde eines Menschen nicht, nicht einmal jene der selbst totalitären Akteur/innen, es negiert die Menschenrechte, es vernichtet die Tatsache der Existenz eines Menschen. Das Leben eines Menschen ist vollkommen überflüssig, weil es jederzeit ersetzt werden kann. Das unterscheidet es vom Mörder.4 Die Verfolgungen, Verurteilungen, Hinrichtungen und die Konzentrationslager des NS-Regimes dienten in ihrer Radikalität dazu, „Menschen so zu behandeln, als ob es sie nie gegeben hätte, sie im wörtlichsten Sinne verschwinden zu lassen“.5 Dieses Ziel verfolgten die Nationalsozialisten konsequent, wenn sich Menschen, aufgrund welcher Überzeugung auch immer, ihrem System und dessen Absichten entgegenstellten oder dessen Grundlagen hinterfragten. Auch die Hinrichtung Jägerstätters entsprach dieser Absicht.

      Hannah Arendt hat umfassend reflektiert, wie totalitäre Regime agieren. Sie erläutert dabei drei Tode, die konsequent aufeinander folgen. Die Vernichtung der juristischen Persönlichkeit durch Hinrichtung oder Konzentrationslagerhaft, in der der Tod sicher folgt, ist ein erstes Ziel der totalitären Verfolgung.6 Ein nächster entscheidender Schritt ist die Ermordung der moralischen Person, wodurch Märtyrertum unmöglich gemacht wird und Trauer und Erinnerung unmittelbar verhindert werden. Sterben für etwas sollte seinen Sinn verlieren.7 Und schließlich beabsichtigt das totalitäre Regime auch die Tötung der Spontaneität, damit meint Arendt die Fähigkeit des Menschen, von sich aus etwas Neues zu beginnen, eine Facette der Individualität.8 Auch die Gewissensentscheidung, „besser als Opfer zu sterben, denn als Beamter des Sterbens zu leben“, sollte ihrer Sinnhaftigkeit beraubt werden, indem Anhänger/innen des NS-Regimes „die Entscheidung des Gewissens selbst absolut fragwürdig und zweideutig machten“.9 „Das einzige, was nach der Tötung der moralischen Person noch übrigbleibt, um zu verhindern, dass Menschen lebende Leichname sind, ist die Tatsache der individuellen Differenziertheit, der eigentümlichen Identität.“10 Noch unmittelbar vor seiner Hinrichtung bemerkt Jägerstätter: „… immer noch besser, als wenn der Wille gefesselt wäre“11, und bestätigt damit, dass „dieser Bestandteil der menschlichen Person, gerade weil er so wesentlich von Natur und willensmäßig unkontrollierbaren Mächten abhängt, am schwersten zu zerstören ist“.12 Jägerstätter, der sich