Es heißt vor allem auch, das Theater in strategischer Beziehung zu einem künstlerischen und (oder) gesellschaftlichen Problem zu begreifen, und zu überlegen, wie sich die je spezifische Materialisation der theatralen Ordnung dazu verhält. Methodisch lässt sich auf dieser Grundlage die Forderung ableiten, bei einer analytischen Auseinandersetzung mit dem theatralen Dispositiv, im Konkreten, der Aufführung, der Partitur, der Installation oder anderem, an den Sollbruchstellen anzusetzen – den dysfunktionalen oder fiktiven Elementen –, in denen die bestehende Ordnung und die regulierende Vernetzung von Aktanten nicht mehr reibungslos funktioniert. Derartige Brüche, die als Skandal, als Fehler oder gar als Nicht-Aufführung evident werden können, machen den strategischen Einsatz eines Dispositivs gerade dort einsehbar, wo sein Funktionieren andernfalls aufgrund von Konvention und Habitualisierung verborgen bleibt. Theater ist der paradigmatische Verhandlungsort von Dispositiven, gerade weil Theater nur als Dispositiv, als Konstellation von mannigfaltigen und heterogenen Elementen zu fassen ist.
Die vorgeschlagene Methodik erweitert das Repertoire der Theaterwissenschaft als auch die bisherigen Ansätze, dieses epistemologische Modell in das Fach einzubringen, in zwei zentralen Punkten: 1.) Theater ist kein geschlossenes System. Als Dispositiv konstituiert es sich auch zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt unter maßgeblichem Einbezug anderer Dispositive – dem Dispositiv bestimmter Körperpraktiken, dem Dispositiv der Medien, dem Dispositiv der Probenarbeit und der Ausbildung. Das Dispositiv als Ordnung der darstellenden Kunst ist folglich nicht totalisierbar. 2.) Die Elemente, die das Dispositiv ins Spiel und damit als solche hervorbringt, gehen nicht auf in ihrer Hervorbringung. Die hervorgebrachten Körper sind immer zu viel oder zu wenig und vermögen so Anomalien zu erzeugen, die das Dispositiv untergraben – die es lebendig halten. Dadurch bringen die in das Spiel involvierten Körper immer wieder neue Kontingenzen mit sich, sodass die Aufführung nie nur ein intendiertes (ideologisches) Ergebnis (gemäß einer Strategie, eines Kalküls) zeitigt. Das Dispositiv lässt sich folglich nur als Praxis des Spiels verstehen, das sich z. T. auch gegenüber den angewandten Strategien versperrt. Damit unterscheidet sich dieser Ansatz auch von bisherigen Ansätzen, die mit dem Dispositivbegriff in Bezug auf das Theater bereits arbeiten.2 Diese gehen stets vom Theater als einem geschlossenen Dispositiv aus, das ideologischen Charakter erhält, weil es die Art und Weise, wie es Hören und Sehen im Bühnenraum aufeinander bezieht, verdecken muss, um wirksam zu sein.3 Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass vorschnelle Ideologisierungen von bestimmten (historischen) Theatertypen verhindert werden. Seine Komplexität erlaubt es weiterhin, vermeintlich emanzipatorische zeitgenössische Theaterformen auf ihre machtkonformen Grundierungen hin zu untersuchen.
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