»Aber ...«
»Markus, Sie trainieren nicht dort, soweit mir bekannt ist.«
»Nein, ich bevorzuge ein kleines Sportstudio in der Nähe meiner Wohnung.«
»Sehr gut. Sie werden sich am Freitagabend als Gast beim Herbstempfang des Intersportzentrums unter die Anwesenden mischen. Die genauen Daten zum Treffen mit Sommertal erhalten Sie am Freitagmittag.«
»Was ist meine Tarnung?«
Walter zuckte leicht die Achseln. »Das Institut für Europäische Meinungsforschung erhält regelmäßig Freikarten zu solchen Anlässen. Ich habe Ihnen eine in die Broschüre gelegt. Gehen Sie aber auf Nummer sicher und benutzen einen Decknamen.«
»Alles klar.«
»Dann an die Arbeit. Bis Samstag will ich auch von Ihnen beiden detaillierte Berichte und erste Ergebnisse vorliegen haben.« Walter nickte den beiden Agenten noch einmal zu und verließ den Konferenzraum.
»Na toll. Du hast natürlich den Joker gezogen.« Melanie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ist ja mal wieder typisch. Ausgerechnet der Herbstempfang! Weißt du, wie viele interessante Leute dort sein werden? Ganz zu schweigen von den knackigen Sportlern!«
»Melanie, verschon mich mit deinem Gemecker. Ich habe mir den Job nicht ausgesucht. Kann ich etwas dafür, dass du im Zentrum bekannt wie ein bunter Hund bist?« Markus hörte selbst, dass sein Ton aggressiver als angebracht war, doch er tat nichts, um die Wirkung abzumildern.
»So bekannt nun auch wieder nicht.« Stirnrunzelnd musterte sie ihn. »Meine Güte, hast du heute eine Laune. Lag Alexa vorhin vielleicht gar nicht so verkehrt mit ihrer Bemerkung? Wenn ich dich so ansehe, scheinst du ganz schön mitgenommen zu sein. Lange Nacht?«
»Zu viel Jameson«, knurrte er.
Überrascht hob sie die Augenbrauen. »Seit wann trinkst du denn das Zeug?«
»Normalerweise gar nicht. Ein guter Wein ist mir lieber. Deshalb hat es mich nach dem fünften Whisky auch komplett umgehauen.«
»Pfff, wozu denn überhaupt diese Sauftour?« Melanie begleitete das Wort, indem sie mit den Fingern imaginäre Anführungszeichen in die Luft zeichnete. »Lohnt sich doch nicht, wenn man sich nicht mal richtig volllaufen lassen kann.«
»Kann es sein, dass dich das nichts angeht?« Genervt schnappte Markus sich die Broschüre und erhob sich von seinem Stuhl.
Melanie zuckte nur die Achseln. »Ach Gottchen, dann eben nicht. Ich würde dir aber raten, dir spätestens bis Freitag eine bessere Stimmung zuzulegen. Mit dem finsteren Blick lassen dich die Türsteher sonst vielleicht gar nicht zum Empfang.«
»Lass das mal meine Sorge sein.«
»Nur zu gerne. Da du so mies drauf bist, kann ich ja direkt froh sein, dass ich dich nicht begleiten muss.«
»Wieso begleiten? Ich soll doch alleine hingehen.«
»Ja, aber die Karten gelten immer für zwei Personen.« Übertrieben kokett klimperte Melanie mit den Wimpern. »Na ja, ich rate dir, wirklich ohne Anhang zu gehen. Mit dem Gesichtsausdruck schlägst du sowieso jede potenzielle Begleiterin in die Flucht.« Sie nahm ihren Stapel Papiere vom Tisch und wandte sich zur Tür. »Man sieht sich.«
Markus atmete hörbar aus und gestattete sich endlich, seine Schläfen zu massieren. Der Tag hatte nicht gerade vielversprechend begonnen, und die Aussicht darauf, einen gefährlichen Waffenhändler jagen zu müssen, verbesserte die Perspektive nur wenig.
Da er nicht ewig im Konferenzraum herumsitzen konnte, nahm er die Broschüre des Sportzentrums an sich und zog die Eintrittskarte für den Empfang hervor. Sie war tatsächlich für zwei Personen ausgestellt. Achselzuckend schob er sie in die Tasche seines dunkelbraunen Jacketts. Er würde sich noch um eine Begleitung kümmern, sobald es ihm etwas besser ging.
3
Außenbezirk von Rheinbach
Gut Tomberg
Freitag, 18. November, 17:50 Uhr
»Till, hol bitte noch rasch zwei Flaschen Apfelsaft aus dem Keller.«
»Warum denn schon wieder ich? Susanna kann genauso gut gehen.« An der Stimme des blonden Neunjährigen war deutlich sein Missfallen über den Auftrag zu erkennen.
»Nein, kann sie nicht.« Janna drehte sich zu ihrem Pflegesohn um und bedachte ihn mit einem schmalen Lächeln. »Sie hat nämlich schon die Paprika und die Möhren für den Rohkostteller klein geschnitten, und jetzt deckt sie auch noch den Tisch. Und du, mein Freund, wirst den Saft heraufholen und danach Frank Bescheid sagen, dass es gleich Abendbrot gibt.«
»Naaa guuut.« Mit übertrieben schleppenden Schritten verließ der Junge die Küche.
Seine Zwillingsschwester Susanna, die gerade dabei war, die Teller auf dem Tisch zu verteilen, kicherte. »Der ist ja nur beleidigt, weil die Mädchenfußballmannschaft gegen die Jungs zwei zu eins gewonnen hat.«
»Kann sein.« Janna lächelte dem Mädchen zu. »Aber zieh ihn nicht damit auf. Du weißt selbst, wie blöd es ist, wenn man wegen so etwas gehänselt wird.«
»Hey, ich bin schließlich nicht in der Mädchenmannschaft. Fußball ist sowieso doof. Janna?«
»Mhm?«
»Kann ich bei den gelben Funken mitmachen?«
Janna, die gerade ein frisches Brot zum Schneiden auf die Brotmaschine gelegt hatte, hielt inne und drehte sich überrascht um. »Du willst Funkenmariechen werden?«
»Ja. Warst du doch auch mal. Ich hab Fotos von dir gesehen. Du warst richtig lange dabei.«
»Stimmt. Ich habe erst mit achtzehn aufgehört, bei den gelben Funken zu tanzen.« Bei der Erinnerung an jene Zeit erschien ein Lächeln auf Jannas Lippen. Sie hatte die Karnevalstanzgruppe in ihrer Jugend heiß geliebt. »Ich dachte, der Ballettunterricht gefällt dir nicht mehr.«
»Tut er auch nicht. Ballett ist langweilig. Aber bei den Funken ist es bestimmt lustig. Und Elli ist auch ab nächste Woche dabei. Sie sagt, wenn ich mich bis Dienstag anmelde, kann ich noch in ihre Gruppe, und dann können wir schon im Januar die ersten Auftritte mitmachen.«
»Und vom Ballett soll ich dich abmelden?«
»Ja.« Das Mädchen nickte entschlossen.
»Also gut, wie du meinst. Versuchen wir es. Aber das Funkentraining kann ganz schön anstrengend sein.«
»Echt?« Nachdenklich zog das Mädchen die Stirn in Falten. »Egal. Wenn Elli mitmacht, schaff ich das auch. Sie ist nämlich meine beste Freundin, weißt du?«
»Ja, ich weiß.«
»Hattest du früher eigentlich auch eine beste Freundin?«
Nachdem sie die geschnittenen Scheiben in den Brotkorb gelegt hatte, verstaute Janna den angeschnittenen Laib in der großen Schublade, in der sie ihre Backwaren aufbewahrte. »Ja, hatte ich.«
»Wie hieß sie denn?«
»Betty.«
»Und wo ist Betty jetzt? Seid ihr noch immer Freundinnen?«
Janna zögerte. »Nein, sind wir nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Weil ... Wir haben uns gestritten.«
»Wenn man sich streitet, muss man sich auch wieder vertragen.«
Beinahe hätte Janna über Susannas altkluge Feststellung gelacht. Doch die Angelegenheit mit Betty war alles andere als lustig. »Na ja, vielleicht nicht richtig