Familienhaushalten, die im Zuge der alltäglichen Daseinsvorsorge ihre gesellschaftlich relevanten Funktionen erfüllen, indem sie Leistungen der Haushaltsproduktion erbringen, kommt letztlich eine enorme Bedeutung nicht nur individuell, für die in ihnen versorgten Haushaltsmitglieder, sondern auch für den Wohlstand und die Wohlfahrt einer Gesellschaft insgesamt zu – sie sind sogar deren unmittelbare Voraussetzung.
9 Ich habe mich hier auf eine knappe Darstellung des umfassenden Begriffs der Daseinsvorsorge beschränkt, der sich insbesondere durch den Mangel einer klaren und allgemeingültigen Definition auszeichnet. Unstrittig ist offenbar, dass der Begriff zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch den Verwaltungsjuristen Forsthoff Einzug in die Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaften gehalten hat und seit Ende des 21. Jahrhunderts auch sozialwissenschaftliche Diskurse in Deutschland prägt. International finden sich zur Daseinsvorsorge vergleichbare Konzepte, die jedoch ebenso wenig klar definiert sind. Im Allgemeinen stellt die Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge nach Forsthoff wesentliche Daseinsberechtigung für die öffentliche Verwaltung dar (vgl. exempl. Neu 2009; Knorr 2018).
10 Ferner thematisiert Egner das Verhältnis des Haushaltes zur Haushaltung (Organisation, Planung, Management) und zur Hauswirtschaft, die er beide als gleichwertige Bestandteile eines Haushaltes definiert (vgl. Egner 1976)
11 Bei Haushalten, im Sinne der eine wirtschaftliche Einheit bildenden Personengemeinschaft, die mehrere Wohnorte aufweisen, kann es daher in der amtlichen Statistik zu Mehrfachzählungen kommen. Darüber hinaus können in einem Haushalt mehrere Familienformen zugleich vorkommen (vgl. Destatis 2018: 24).
12 Auch für Ein-Personen-Haushalte oder andere, nicht-familiale Lebensformen in Mehr-Personen-Haushalten gilt, dass diese als soziale Einheit ein Sachbezugssystem haben, welches dem Personalsystem des Haushaltssystems gleichgestellt ist (vgl. von Schweitzer 1991).
13 (Soziale) Praktiken sind routinisierte Verhaltensmuster: ,,A ‚practice‘ (Praktik) is a routinized type of behaviour which consists of several elements, interconnected to one other: forms of bodily activities, forms of mental activities, ‚things‘ and their use, a background knowledge in the form of understanding, know-how, states of emotion and motivational knowledge. A practice – a way of cooking, of consuming, of working, of investigating, of taking care of oneself or of others, etc. forms so to speak a ‚block‘ whose existence necessarily depends on the existence and specific interconnectedness of these elements, and which cannot be reduced to any one of these single elements. […] The single individual – as a bodily and mental agent – then acts as the ‚carrier‘ (Träger) of a practice – and, in fact, of many different practices which need not be coordinated with one another.“ (Reckwitz 2002: 249 f.)
14 Während vorindustrielle Aufgabenbereiche von Frauen in der Landwirtschaft durch technischen Fortschritt wegrationalisiert wurden (bspw. die Herstellung von Kleidung) und gleichzeitig die Dienstboten aus vielen Haushalten (zuvor Hausgemeinschaften) verschwanden, fand sich in der Haushaltsführung ein neues Aufgabenfeld. Die neuen „Hausfrauen“ hielten fortan ihren im Industriesektor beschäftigten Männern den Rücken frei und trugen zu einer enormen Weiterentwicklung des sozialen Lebens bei, in dem ein gut geführter Haushalt zum Präsentierteller weiblicher Tugend wurde. Paradoxerweise werden Frauen dadurch in Haushalten mit hohen Einkommen zu den niedersten Dienerinnen, da hier besonders viele häusliche Pflichten anfallen und unentgeltlich erledigt werden (vgl. Galbraith 1974).
15 Bei der Erhebung 1991/92 und 2001/02 noch als „Zeitbudgeterhebung“ oder „Zeitbudgetstudie“ bezeichnet.
16 Für die Erfassung der unbezahlten Arbeit wird im Rahmen des Satellitensystems Haushaltsproduktion eine Abgrenzung dieser Tätigkeiten „von persönlichen Tätigkeiten und Freizeitaktivitäten notwendig. Dies erfolgt anband des sogenannten ‚Dritt-Personen-Kriteriums‘. [… ] Danach zählen alle Aktivitäten, die auch von einer anderen Person gegen Bezahlung übernommen werden können, zur unbezahlten Arbeit.“ (Schwarz 2017: 246) Hierunter fallen Haus- und Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten, Aufgaben der Pflege und Betreuung ebenso wie ehrenamtliche Arbeit (vgl. ebd.).
17 Die Bewertung erfolgt anhand des Generalistenansatzes, der im Vergleich zum konzeptionell ebenfalls denkbaren Spezialistenansatz oder der Bewertung mit Durchschnittslöhnen im Falle des herangezogenen Lohnes eines/einer Hauswirtschafter/in niedriger ausfallt. Zusätzlich wurde für den Anwendungsbereich Privathaushalt lediglich der Nettolohn ohne Aufschläge für Ausfallzeiten angesetzt (vgl. Schwarz 2017).
18 Den Begriff der Systemrelevanz nutzt Meier-Gräwe in Rekurs auf die Begründung der ausgewählten Industriezweige im Konjunkturförderpaket der Bundesregierung Deutschlands Ende der 2000er Dekade. Die Systemrelevanz begründet Milliarden-Subventionen, allen voran über die ,,Abwrackprämie“ in der Autoindustrie (vgl. Meier-Gräwe 2012).
19 „Die Care-Ökonomie umfasst sorgende und vorsorgende Tätigkeiten zur Pflege und Erziehung von Menschen in privaten Haushalten als auch vom Staat, von Sozialversicherungsträgern oder von der Privatwirtschaft getragene bezahlte Versorgungsarbeiten [in Heimen, Krankenhäusern]. Damit werden Bereiche bezahlter und unbezahlter Arbeit umfasst, in denen nach wie vor hauptsächlich Frauen für die Versorgung und Pflege anderer zuständig sind. Die Care-Ökonomie wird damit als eigenständige Kategorie für die Sorgetätigkeiten von der feministischen Ökonomie eingeführt.“ (Vinz 2011, zit. nach Praetorius 2015: 51) Die Ursprünge dieses Diskurses liegen in den Debatten der feministischen Ökonomie in den 1970er Jahren und ihrer Kritik an der unbezahlten Haus- und Fürsorgearbeit. Auch das Konzept des „Vorsorgenden Wirtschaftens“ (Jochimsen, Knobloch, Seidl 1994) ist ein in die Care-Ökonomie eingebetteter Ansatz zur Definition eines neuen, sozial-verträglichen Ökonomie-Verständnisses.
2.2 Haushalts- und sozialwissenschaftliche Theorien zur Arbeit des Alltags
Die Arbeit des Alltags umfasst praktisch wie organisatorisch diejenigen Arbeiten und Tätigkeiten, die alltäglich in privaten Haushalten verrichtet werden, um den Zweck der Daseinsvorsorge zu erfüllen. Alltag ist dabei geprägt von Routinen und wiederkehrenden Handlungsmustern der immer gleichen haushälterischen Aufgaben der Versorgung, Betreuung, Erziehung und Pflege unter Ausgestaltung einer spezifischen Alltagskultur (vgl. von Schweitzer 1991; Jurczyk, Rerrich 1993a; Stieß, Hayn 2006; Meier-Gräwe 2015b). Zur Analyse dieses Gegenstandsbereiches wird ein theoretischer Bezugsrahmen aufgezogen, der eine anwendungsorientierte Analyse der vorliegenden Studie erlaubt.20 Dies erfolgt einerseits