Das Lachen des Schmetterlings. Martina Meier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Meier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960742913
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nächsten Morgen waren sich beide nicht sicher, ob sie sich das ganze Geschehen vielleicht nur eingebildet hatten.

      Plötzlich klopfte es an der Tür. Kikis Vater stand auf und öffnete sie. Christian und Kiki spitzten die Ohren.

      Vor der Tür stand ein Mann, der verwahrlost und verwirrt aussah. „Hallo, es mag merkwürdig klingen, aber glauben Sie mir, ich sage die Wahrheit. Ich war ein Monster und jetzt bin ich wieder ein Mensch.“

      Kiki und Christian sahen sich geschockt an. Es war also doch kein Traum gewesen ...

      Anna Wissenbach ist gebürtige und vor allem stolze Hessin. Schon in frühen Kindheitstagen fing sie an, sich die wildesten Geschichten auszudenken und niederzuschreiben. Heute hat sie sich ganz dem Fantasy-Genre verschrieben. Ihre erste Kurzgeschichte wird im Frühjahr 2018 veröffentlicht.

      *

      Kathi und die Königin

      „Hast du für mich auch einen solchen Hut?“, fragte Kathi ihren Opa. Heute durfte sie ihm bei der Honigernte helfen.

      „Ja, da, und steck den Saum des Schleiers unter deinem Jackenkragen fest.“

      Kathi setzte den Strohhut mit der breiten Krempe auf und Opa überprüfte, ob zwischen dem Bienenschleier und dem Jackenausschnitt auch keine Lücke klaffte. Dann nahm er etwas zur Hand, das aussah wie eine Blechdose mit einem schrägen Ausblasrohr. Er tat eine Handvoll Hobelspäne hinein und zündete sie an. Bald quoll Rauch aus dem Rohr des Miniöfchens.

      „Wozu ist der Rauch gut?“, fragte Kathi.

      „Die Bienen glauben, ihre Wohnung brennt, geben Feueralarm und bereiten die Flucht vor. Als Wegzehrung saugen sie sich schnell mit Honig voll. Damit sind sie so beschäftigt, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen, uns zu stechen. Das Ding da heißt übrigens Smoker.“ Opa betätigte den kleinen Blasebalg der Rauchdose und qualmte ein wenig in die Einfluglöcher seiner Bienenstöcke hinein. „So, wenn ich jetzt den ersten Stock aufmache, kannst du räuchern“, sagte Opa und reichte Kathi den Smoker. Die probierte den Blasebalg gleich einmal aus. Pft, pft, pft, das machte Spaß!

      Opa hatte den Deckel der ersten Bienenbehausung abgenommen. Magazinbeute nannte man das, erklärte Opa, sie bestand aus gefalzten Holzzargen, die aussahen wie Holzkisten ohne Boden und Decke. Man konnte sie aufeinanderstapeln und ineinanderklinken. Drei Stockwerke hatten Opas Bienenbeuten. In jede dieser Zargen waren zehn Honigwaben eingehängt. Das waren rechteckige Holzdinger, die aussahen wie Bilderrahmen, und in diese Rahmen hatten die Bienen ihre Wachswaben gebaut und mit Honig befüllt. An der Oberseite stand der Holzrahmen beidseitig ein Stück vor, damit man ihn in die Zarge einhängen konnte. Opa hob Wabe um Wabe aus der Zarge und schüttelte die Bienen, die auf ihnen herumkrabbelten, ab, zurück in ihren Stock. Die hartnäckigen, die sich nicht abschütteln ließen, kehrte er mit einem schmalen Handbesen von den Waben ab. Die sauberen Waben verstecke er eilig vor den Bienen in einer verschließbaren Transportkiste.

      Kathi drückte eifrig den Blasebalg und ließ Rauchwölkchen um Rauchwölkchen aufsteigen. „Gut machst du das“, lobte sie Opa.

      „Wo ist eigentlich die Königin?“, fragte Kathi.

      „Im Brutnest, das ist meistens in der untersten Zarge, also im Erdgeschoss des Bienenstocks, den Honig lagern die Bienen darüber. Schauen wir einmal, ob wir sie finden.“ Und wirklich, auf einer Wabe in der Mitte des Brutnests entdeckte Opa die Königin. Sie war deutlich größer als ihre Arbeiterinnen und trug ein gelbes Plättchen auf dem Rücken. „Heuer ist die Jahresfarbe Gelb. An der Farbe erkennt man, wie alt die Königin ist. Die da ist in diesem Jahr geschlüpft, deswegen habe ich ihr ein gelbes Plättchen aufgeklebt.“ Neugierig musterte Kathi durch ihren Bienenschleier hindurch die Bienenkönigin. „Herrscherin und Mutter von rund vierzigtausend Bienen. Nur die Königin kann Eier legen, die anderen Bienen tun die Arbeit. Lauter Damen übrigens. Die Männchen heißen Drohnen und sind nur für die Fortpflanzung da, als lebender Genpool sozusagen. Im Herbst werden sie aus dem Stock geworfen, denn im Winter wären sie nur unnütze Fresser.“

      „Ja, das hat uns die Frau Lehrerin in der Schule auch schon erzählt. Aber eine lebendige Bienenkönigin hat noch niemand aus meiner Klasse gesehen,“ meine Kathi voller Stolz.

      „So, fertig!“ Opa schloss die Bienenbeute und karrte mit Kathi die Wabenkiste ins Haus. Jetzt konnte es losgehen mit dem Schleudern und Honigschlecken!

      Franziska Bauer, geboren 1951 in Güssing, wohnhaft in Großhöflein (Nähe Wien), Gymnasiallehrerin im Ruhestand, Tochter und Ehemann, literarisch tätig, schreibt Lyrik, Essays und Kurzgeschichten, veröffentlicht in Zeitschriften und Anthologien, Mitglied der Schreibinitiative beim Literaturhaus Mattersburg.

      *

      Beste Freundin

      „Eva, hast du gestern Tarzan in Gefahr gesehen?“, fragt Manuela.

      Wir spazieren durch den lichten, kleinen Eichenwald am Rande unseres Dorfes. Manuela geht zwei Meter vor mir. In ihrer rechten Hand hält sie einen Stock, den sie energisch schwingt und hin und wieder gegen Sträucher und Baumstämme schlägt.

      „Ja“, antworte ich geistesabwesend, denn in meiner Fantasie bin ich momentan nicht Eva, sondern eine wunderschöne Prinzessin. Dieser Wald hier gehört zu meinem riesigen Reich. Manuela ist mein persönlicher Leibwächter, hält mir den Weg frei und beschützt mich vor Schlangen und Wölfen. Es belustigt mich, dass Manuela nichts von der Rolle weiß, die ich ihr insgeheim zugeteilt habe.

      „Und ist dir etwas an Tarzan aufgefallen?“, stört Manuela mich schon wieder. Ihre Stimme klingt ungeduldig. „Na? Ob dir etwas aufgefallen ist, will ich wissen.“

      In so einem Ton redet doch kein Leibwächter mit seiner Prinzessin!

      „Nein“, sage ich und fühle mich unbehaglich.

      „Dann hör mir jetzt gut zu.“ Manuela bleibt abrupt stehen, dreht sich um und fixiert mich aus blauen Augen. Fast wäre ich gegen sie gerannt. „Ich war der Tarzan im Fernsehen!“ Triumphierend streckt sie ihr Kinn nach vorne.

      „Blödsinn. Du bist doch viel kleiner als der Tarzan.“

      „Ich bin auf Stelzen gegangen und auf einem Schemel gestanden“, sagt sie schnell und blinzelt mich listig an. „Natürlich immer so, dass die Zuseher es nicht erkennen können.“

      „Ach, Manuela, du bist ein Mädchen, hast blonde Haare ... du bist das Gegenteil von Tarzan!“ Ich schüttle den Kopf, gehe an ihr vorbei und weiter den Waldweg entlang.

      „Schon etwas von Schminke gehört und von Perücken? Glaub mir, Eva, die können viel, die vom Fernsehen. Sie haben mich so gut geschminkt, dass ich wie Tarzan aussah. Echt, ich schwöre!“, läuft sie aufgeregt neben mir her. „Da, schau!“ Sie überholt mich, stellt sich mir in den Weg und zieht den rechten Ärmel ihres Pullovers hoch. Ich sehe einen großen blauen Fleck auf ihrem Oberarm. „Hier haben mich die Elfenbeinjäger verletzt, als sie mich gefangen nahmen. Zum Glück hat Chita mich dann befreit.“ Manuela öffnet weit ihren Mund, legt ihre Hände darum, wirft den Kopf in den Nacken und brüllt: „AAUUAAUUAA! Das war der echte Tarzanschrei. Na, was sagst du jetzt?“

      „Du hast Mundgeruch“, erwidere ich trocken.

      Manuela sieht mich böse an. „Du bist nicht mehr meine beste Freundin“, zischt sie, schlägt wütend mit ihrem Stock auf einen Baumstumpf, knapp vorbei an einer Weinbergschnecke, die sich sogleich in ihr Gehäuse zurückzieht. Manuela hält kurz inne und schlägt dann leicht auf das Schneckenhaus ein.

      „Aber, Manuela, was machst du da?“

      „Komm raus, Schnecke“, sagt Manuela streng. „Niemand ist sicher in seinem Haus – auch du nicht.“ Sie schlägt fester zu. Die Schale splittert. Ich sehe nackte, feuchte Schneckenhaut schimmern.

      „Spinnst