Perry Rhodan 3087: Lausche der Stille!. Oliver Fröhlich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oliver Fröhlich
Издательство: Bookwire
Серия: Perry Rhodan-Erstauflage
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783845360874
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der Wachroboter bis zu unserem Verschwinden waren knappe zwei Sekunden vergangen. In dieser Zeit hatten sie nicht einen einzigen Schuss abgefeuert. Zuerst vermutlich aus der einprogrammierten Sorge heraus, dass sie trotz exakter positronischer Zielgenauigkeit bei einer unvorhergesehenen Bewegung meinerseits Dupa treffen könnten. Anschließend, während unserer Unsichtbarkeit, boten wir ihnen ohnehin kein Ziel mehr.

      Um uns erschien der Wald. Flussrauschen ertönte.

      Ich desaktivierte den Deflektor, hievte meine Passagierin aus dem Transportkorb und setzte sie ab.

      »Das ging ... überraschend schnell«, sagte sie. Dann entdeckte sie Aipu neben Chione McCathey. Im gleichen Moment spielte ihre Verblüffung über meine Fähigkeiten keine Rolle mehr. Sie rannte zu ihrem Sohn und schloss ihn in die Arme. Mit den Innenhänden strich sie ihm über den Kopf.

      »Ist alles glattgelaufen?«, fragte Schlafner.

      »Wie geplant.« Ich achtete darauf, nicht kommunikativer als ein normaler Roboter zu erscheinen. Dupa Emuladsu brauchte schließlich nicht all meine Geheimnisse zu kennen. »Bis auf das Zielobjekt war die Suite leer. Kein Hinterhalt.«

      »Hast du dafür gesorgt, dass ihr gesehen werdet?«

      »Wie geplant«, wiederholte ich. »Nach ihrem Hilferuf und der vorgetäuschten Wehrhaftigkeit waren drei Wachroboter Zeugen der Entführung.«

      Mit Aipu an ihrer Seite kam Dupa auf Schlafner zu. Im Hintergrund bemerkte ich Chione, die den beiden nachsah. Nun wirkte sie ein wenig verloren.

      »Ich fürchte trotzdem«, sagte die Cairanerin, »Takkuzardse könnte die Aktion als Finte durchschauen.« Sie sprach zu Schlafner. Mich ignorierte sie. Warum auch nicht? Ich war ja nur ein Roboter. »Um sie glaubhafter erscheinen zu lassen, solltet ihr gelegentlich eine Art Forderung an die offiziellen Stellen funken. Beispielsweise ungehinderten Abzug aus dem Sternenrad für eure kleine Gruppe.«

      »Gute Idee.«

      »Am besten richtet ihr sie an die Legatin des Planeten. Purai Noinolidse.«

      Dancer und Lionel Obioma gesellten sich zu uns.

      »Wie geht es nach dieser erfolgreichen ... Familienzusammenführung nun weiter?«, fragte Obioma.

      »Zunächst brauchen wir ein besseres Versteck«, antwortete Dancer.

      Dupa Emuladsu trat zwischen den Bäumen hindurch ans Flussufer. »Der Roanad«, stellte sie fest. »Wie weit von Mezzedaik sind wir entfernt?«

      »Fünfzig Kilometer südlich«, antwortete Schlafner.

      »Der Roanad fließt auf nahezu gerader Linie ins Meer. Ich kenne eine Insel, Goinad, ungefähr hundertfünfzig Kilometer entfernt. Meine Mutter hat dort die letzten Lebensjahre verbracht. Da sollten wir vorerst sicher sein.« Sie sah mich an, dann wieder Schlafner. »Kann er uns dorthin bringen?«

      »Nein. Zu viele Leute.«

      Und zu große Leute, dachte ich mit Blick auf die Haluter, die mit etwas Abstand der Unterhaltung lauschten.

      »Verstehe«, sagte sie. »Im Delta des Roanad liegt eine kleine Hafenstadt. Fünf oder sechs Kilometer von hier entfernt. Dort gibt es eine Meeresforschungsstation, wo wir genau das finden dürften, was wir brauchen.«

      *

      Das, was wir brauchten, entpuppte sich eine Stunde später als transparentes U-Boot.

      Diese Fahrzeuge, so erklärte uns Dupa, wurden nicht nur von den Wissenschaftlern zur Erforschung des Ozeans eingesetzt, sondern auch an interessierte Besucher verliehen, die den Planeten Ghibona aus einem anderen Blickwinkel kennenlernen wollten.

      Eines der Boote zu beschaffen, erwies sich als erstaunlich unproblematisch. Einmal mehr nutzte Schlafner den SERUN-TT, um sich ein cairanisches Erscheinungsbild zu geben. Mit Dupa und Aipu betrat er den öffentlichen Bereich der Forschungsstation, behauptete, er und seine Gefährtin wollten ihrem Sohn die Wunder des Ozeans zeigen, und keine 30 Minuten später saßen wir in dem ringförmigen Gefährt.

      Das U-Boot erinnerte mich ein wenig an einen cairanischen Augenraumer, nur im Miniaturformat und ohne Energiesphäre im Zentrum des Rings. Und eben transparent, zumindest wenn man von dem weißen Boden absah, unter dem sich die gesamte Technik verbarg.

      Das Innere der Röhre war so beengt, dass Dupa Emuladsu, wenn sie aufrecht stand, mit dem Kopf beinahe bis an die Decke reichte. Deshalb blieb den Halutern nichts anderes übrig, als nebenher zu schwimmen.

      Zu große Leute, dachte ich erneut.

      Aber immerhin zu große Leute in Kampfanzügen, die sie bestens vor Ortung schützten.

      Dupa bediente die Steuerung über ein kleines Pult, an dem sie saß. Dancer, Schlafner, Chione McCathey und Lionel Obioma hatten sich in den drehbaren Sitzen niedergelassen, die über den gesamten Ring verteilt waren.

      Nur Aipu wollte keinen dieser Sitze benutzen. Stattdessen kniete er auf dem Boden und presste das Gesicht gegen die durchsichtige Wandung. Offenbar faszinierten ihn die vorbeiziehenden Fischschwärme in den buntesten Farben, die zahlreichen unterseeischen Algenwälder, die über uns glitzernde Wasseroberfläche.

      Der Junge wirkte wie ausgewechselt.

      »Wie lange dauert die Fahrt?«, fragte Chione nach einem Kilometer.

      »Einige Stunden«, antwortete Dupa. »Das Boot ist nicht allzu schnell.«

      »Genügend Zeit für ein paar Antworten also.«

      »Antworten worauf?«

      Chione sah zu Aipu. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und sah einem riesigen Plattfisch mit beachtlichem Gebiss und drei langen Stacheln nach, der gerade über das U-Boot hinwegschwamm.

      »Nach seiner Befreiung hat er nicht viel gesprochen. Doch das, was er gesagt hat, klang ... mysteriös. Um es vorsichtig auszudrücken. Er meinte, er sei das letzte Ereignis vor dem Horizont. Die Neige der HATH'HATHANG. Hast du eine Vorstellung, was er damit gemeint haben könnte?«

      »Erinnerungen«, sagte Aipu plötzlich. Nun kniete er nicht mehr vor der Bootswandung, sondern kauerte mit dem Rücken dagegen. »So viele und doch nicht genug.«

      »Woran erinnerst du dich?«, fragte seine Mutter.

      »An die HATH'HATHANG. Es sind ihre Erinnerungen. Nicht meine.«

      Ich betrachtete den cairanischen Jungen. Wirkte er deshalb so verloren? Weil er über die Erinnerungen einer abberufenen – für menschliche Maßstäbe also: toten? – Superintelligenz verfügte, die er nicht einordnen konnte, die ihn überforderten und desorientierten?

      Aber was bedeutete »tot« bei einer solchen Entität? Auch bei Menschen war das Sterben kein punktuelles Ereignis, sondern ein Prozess.

      Einer, der sogar angehalten werden konnte, beispielsweise wenn sich der Geist eines Menschen aus seinem zerschmetterten Leib in einen Brocken PEW-Metall flüchtete und Jahrhunderte später im Körper eines Roboters wiederfand. Und der jeden Tag das Gefühl hatte, ein bisschen mehr zu sterben, ohne dem Ziel dabei näher zu kommen.

      Warum sollte das bei einer Superintelligenz anders sein? Konnte es sich angesichts ihrer beträchtlichen Lebensspanne nicht über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinziehen?

      »Aber ich verstehe die Erinnerungen nicht«, klagte Aipu. »Sie sind wie ...«

      Er brach ab, sackte in sich zusammen, sah sich hilflos um. Plötzlich deutete er auf einen Schwarm Fische, der das Boot begleitete.

      »Sie sind wie sie! Jeder Fisch eine Erinnerung. Jede für sich wunderschön. Und doch gibt es so viele Lücken dazwischen, so viel ... Wasser, dass ich glaube, darin zu ertrinken. Ich will das nicht! Ich will, dass sie weggehen!«

      Chione sah Dupa an. »Darf ich?«

      »Ja.«

      Chione stand von ihrem Sitz auf und hockte sich neben Aipu an die Glaswand. »Wir sind bei dir. Wir wollen dir helfen. Wir lassen nicht zu, dass du