* Heute befindet sich an dieser Stelle das Haus Rauhensteingasse 6; die neue Nummerierung gilt seit 1862.
* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 15 000 Euro.
* Heute Wien I., Wipplingerstraße 19.
DAS LETZTE GASTSPIEL
Max Pallenbergs tödlicher Flugzeugabsturz, 26. Juni 1934
Max Pallenberg * 18. 12. 1877 Wien, † 26. 6. 1934 Karlsbad. Populärer Schauspieler und Sänger. Ab 1904 am Theater in der Josefstadt, später im Ensemble Max Reinhardts.
Eine der bedeutendsten Theaterkarrieren im deutschen Sprachraum nimmt ein abruptes, tragisches Ende. Der Wiener Schauspieler Max Pallenberg kommt bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Der Star unter den Charakterdarstellern seiner Zeit ist von Wien über Prag zu einem Gastspiel nach Karlsbad geflogen, wo die dreimotorige Maschine kurz vor der Landung ins Trudeln gerät und abstürzt. Seine Frau, die nicht minder berühmte Sängerin und Schauspielerin Fritzi Massary, verfällt in tiefe Trauer.
Der 56-jährige Max Pallenberg hatte in der abgelaufenen Saison in Wien am Deutschen Volkstheater und am Theater in der Josefstadt große Erfolge gefeiert, unter anderem als Molières Der eingebildete Kranke, in dem Schwank Familie Schimek und als Mephisto, als der er auch unter Max Reinhardts Regie bei den Salzburger Festspielen zu sehen war. Allein diese drei Rollen zeigen die große Bandbreite des Komödianten, der für die kommende Saison bereits ein Engagement des Burgtheaters angenommen hatte.
Wie so oft auf Tournee, sollte Max Pallenberg schon am Abend nach seiner Ankunft und an den sechs darauf folgenden Tagen am Stadttheater Karlsbad in dem Lustspiel Der letzte Wiener auftreten. Der Vollblutkomödiant, der jedes Jahr in Karlsbad gastierte, war am 26. Juni 1934 um 9. 15 Uhr mit der fahrplanmäßigen Maschine vom Flughafen Wien-Aspern nach Prag geflogen, wo er kurz vor elf Uhr eintraf. Da der Anschlussflug nach Karlsbad ausgebucht war, wollte er zunächst per Bahn in den mondänen Kurort weiterreisen, wurde aber am Prager Flughafen von dem aus Brünn stammenden Fabrikanten Moritz Skurnik angesprochen, der wie er nach Karlsbad wollte. Skurnik schlug Pallenberg vor, gemeinsam eine kleine Maschine zu mieten, womit sich der Schauspieler einverstanden zeigte. Gesteuert wurde der Eindecker der staatlichen Aerolinie von dem tschechischen Piloten Tomiček.
Der genaue Unglückshergang kann nur rekonstruiert werden. Die Maschine startet bei gewittrigem Föhnwetter in Prag, erreicht Karlsbad unter günstigen Witterungsbedingungen und sackt mittags um Punkt zwölf Uhr wenige Meter vor der Landebahn ab. Wie Zeugen der Katastrophe vermuteten, dürfte ein Seitensteuer weggebrochen sein, wodurch das Flugzeug manövrierunfähig wurde. Im Gleitflug steuert der Pilot die Maschine von achthundert auf dreißig Meter Höhe, dann schnellt sie schräg abwärts, überschlägt sich, stürzt nach vorn, bohrt sich mit der Motorengondel in die Erde. Die Benzintanks fangen Feuer, das rasch vom herbeieilenden Flughafenpersonal gelöscht wird. Doch die beiden Passagiere und der Pilot können nur noch tot geborgen werden. Max Pallenberg umklammert mit seiner Faust die Reste einer verkohlten Tageszeitung.
Während eine Kommission von Luftfahrtingenieuren zur Untersuchung der Tragödie auf das Flugfeld entsandt wird, werden die sterblichen Überreste Pallenbergs, Skurniks und Tomičeks in die Karlsbader Leichenhalle gebracht. Die Nachricht von dem Unglück verbreitet sich in Karlsbad wie ein Lauffeuer. Unter den Kurgästen befindet sich der Schriftsteller Franz Molnár, ein enger Freund Pallenbergs, den die Unglücksbotschaft schwer erschüttert. Der Direktor des Karlsbader Theaters sagt zum Zeichen der Trauer die Abendvorstellung ab. Ihm fällt auch die Aufgabe zu, die Angehörigen der Unglücksopfer zu verständigen. Frau Massary, die sich in ihrem Haus in Lugano aufhält, wird jedoch durch ihre Schwester und den Wiener Theaterdirektor Rudolf Beer von dem Unglück informiert. Mit Beer hat Pallenberg, gut gelaunt, noch den Abend vor seinem Abflug verbracht, an dem er sich nicht überreden ließ, sicherheitshalber lieber doch per Bahn nach Karlsbad zu fahren.
Pallenberg liebte das Tempo, er mochte es, wenn die Zeit wortwörtlich wie im Flug verging, er war ein Rastloser, Unermüdlicher – sowohl in seiner Rollengestaltung als auch im Privatleben. Deshalb war er zu einer Zeit, da das Fliegen noch nicht als Selbstverständlichkeit galt, oft per Flugzeug unterwegs, reiste manchmal für ein paar Stunden nach Prag oder Budapest, um sich ein Stück anzusehen.
Seine Leidenschaft fürs Fliegen wurde ihm zum Verhängnis: Max Pallenberg (rechts)
Max Pallenberg hat in Wien als Handelsangestellter gearbeitet, ehe er mit zwanzig Jahren ans Theater »durchbrannte« und nach der üblichen Provinzlaufbahn am Deutschen Volkstheater engagiert wurde. Er feierte Erfolge als Komiker, in der Operette und im klassischen Fach, drehte mehrere Stumm- und Tonfilme. Seine Spielstätten waren die Berliner und die Wiener Bühnen, die meisten von ihnen geleitet von Max Reinhardt. 1923 feierte Pallenberg einen außergewöhnlichen Erfolg in der Titelrolle in Hugo von Hofmannsthals Lustspiel Der Unbestechliche, das der Dichter für ihn geschrieben hatte. Weitere große Partien waren Molnárs Liliom, der Theaterdirektor in Pirandellos Sechs Personen suchen einen Autor und die Theaterversion von Jaroslav Hašeks Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk in der Regie von Erwin Piscator.
Fritzi Massary * 21. 3. 1882 Wien, † 30. 1. 1969 Beverly Hills. Feiert große Erfolge in Wien und Berlin, ihre Glanzrollen sind Die lustige Witwe, Die Csárdásfürstin und Madame Pompadour.
Pallenberg war seit 1916 mit Fritzi Massary, einer der größten Diven ihrer Zeit, glücklich verheiratet. Gemeinsam verließen sie Berlin, als Hitler die Macht übernahm, lebten in der Schweiz und in ihrer Geburtsstadt Wien.
Als die Schauspielerin vom Tod des geliebten Mannes erfährt, ist sie einem Nervenzusammenbruch nahe, reist dennoch sofort nach Wien, will von dort gleich weiter an den Unglücksort, fühlt sich aber nicht in der Lage dazu. Verzweifelt wartet sie auf das Eintreffen des Sarges mit Pallenbergs sterblichen Überresten, die auf dem Zentralfriedhof beigesetzt werden.
Unter den Hunderten Trauergästen befindet sich Wiens künstlerische Prominenz, die Theaterdirektoren der Stadt, die Komponisten Franz Lehár und Emmerich Kálmán sowie Hans Moser, der in Pallenberg immer sein großes Vorbild sah.
Kurz vor Beginn der Beerdigung verliert Fritzi Massary das Bewusstsein, sie wird in einen Nebenraum der Feuerhalle gebracht und medizinisch versorgt. Von ihrer – aus einer früheren Beziehung stammenden – Tochter und ihrem Schwiegersohn mehr getragen als gestützt, kehrt sie zurück zu den Trauergästen. Der Staatsopernchor singt, Reden werden gehalten und Alfred Polgar schreibt in seinem Nachruf: »Noch grauer und trüber, als sie ohnehin schon ist, noch mehr verlassen von guten und bösen Geistern scheint die Welt, seit dieser strahlende Spaß- und Ernstmacher nicht mehr in ihr herumrumort.«
»Wie soll sie weiterleben?«, schreibt Fritzi Massarys Biografin Carola Stern. »Das Teuerste hat sie in den ersten beiden Jahren des Exils verloren: den Mann, die Wahlheimat Berlin und den Beruf. Denn das weiß sie längst: Von der Operettenbühne muss sie Abschied nehmen. Eine verwitwete Diva über fünfzig im Liebesduett mit einem zwanzig, dreißig Jahre Jüngeren – nein, das geht nicht mehr.«
»Die Massary« verlässt Österreich