Peter Middendorp
DU GEHÖRST MIR
Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Inhalt
«AUCH UNTEN EMPFINDET MAN LUST UND LEID, MAGDA, ES IST GENAU WIE OBEN, ES IST GLEICH, OB MAN OBEN ODER UNTEN LEBT.»
HANS FALLADA, DER TRINKER
ICH STAND HINTEN AUF DEM FELD UND SAH ZU, WIE DAS LINKE BEIN MEINES VATERS VON EINEM MÄHDRESCHER AUFGEFRESSEN WURDE. Es war sein erster eigener Mähdrescher. Lange hatte er sich keinen zulegen wollen. Aber von der Mentalität von früher war ja kaum etwas geblieben. Fast nichts wurde mehr gemeinschaftlich angeschafft, immer weniger miteinander geteilt. Vater hatte sich für einen großen, modernen, flammend Roten entschieden. Auch, wie er sagte, mit Blick auf die Zukunft des Hofs.
Jetzt lag er da.
Und ich stand dabei und betrachtete ihn, ein Junge noch, zwölf, fast dreizehn.
Ein Bein lag frei, das andere hatte sich in der Maschine verfangen.
Es war, als ob die Messer im Inneren bei jeder Umdrehung eine neue Scheibe von seinem Bein abtrennten.
Er schrie, gellte langgezogen, irreal, schrill.
In dem Schreien lag Abscheu; anfänglich, so schien es, mehr des Schicksals als der Schmerzen wegen.
Er stieß sich ab mit dem Absatz, mähte mit den Armen und grub mit seinen starken Händen und Fingern im Sand – zurück wollte er, zurück mit aller Kraft, die in ihm steckte, aber es ging nicht, es gelang ihm nicht.
Er blutete wie ein Schwein – das Leben ergoss sich über das warme Stoppelfeld. Ich wusste, ich war zu jung für dieses Schauspiel, viel zu jung, ich hatte noch keine Verteidigung. Trotzdem konnte ich nichts als hinschauen. Hinschauen und weiter hinschauen, während ich meinen Vater hasste, weil er aus mir einen Zuschauer gemacht hatte.
Als Derksen auf den Mähdrescher stieg, schrie Vater nicht länger. Seine Kräfte waren dahin. Sein Kopf war nach hinten weggeknickt, der Mund ein wenig offen.
Derksen drehte den Schlüssel um – die Stille kam wie eine Detonation, sie donnerte auf einen herab, der Staub wirbelte, überall war Staub. Sofort danach sank er neben Vater auf die Knie. «Jan!», rief er. «Jan!» Mit der flachen Hand schlug er ihm einige Male ins Gesicht. «Jan! Jan!»
Einen Moment öffneten sich die Augen, schienen einen Moment nach einer Öffnung in der Wirklichkeit zu suchen, dann schlossen sie sich wieder.
«Keine Sorge, Jan», sagte Derksen. «Wir sind noch nicht zu spät.» Er nahm eine Hand meines Vaters und presste sie sich gegen die Brust. «Wir sind noch nicht zu spät.»
Sie sagen, meine Mutter hätte an diesem Tag ihre Schönheit eingebüßt. Das kann nur dann stimmen, wenn sie davor eine schöne Frau gewesen ist. Ich weiß