»Nein«, meinte ich und fügte dann abermals ein »Herr«, hinzu. Schließlich war mein Gebieter nicht Dracula.
»Warum nicht?« Dieses Mal klang Ruben tatsächlich nur noch neugierig.
»Falls ich irgendwo eine versteckte devote Ader haben sollte, dann bin ich wohl eher eine Ein-Mann-Sklavin«, erklärte ich und hoffte, dass er verstand, was ich meinte.
Mein Chef, aka Lover, lachte. Ein sexy Laut, der mir durch und durch ging, und mir fast genauso Angst einjagte, wie seine darauf folgende, unerwartete Ernstheit. »Glaube ich nicht.«
Ich verdrehte die Augen. Ruben hatte ja auch das mit dem »devot« nicht geglaubt. Deswegen lag ich hier. Und wenn ich ehrlich sein sollte, machte es mich an. Genug, um mir Gedanken über Teddybären zu machen. Und wie geil muss man dafür bitteschön sein?
Ich hörte das »Bing« des Fahrstuhls und war doch versucht zu gucken. Gleich würde die Tür aufgehen und ich lag da wie auf dem Präsentierteller. Dazu kam, dass ich selbst unglaublich wütend war, mein Körper aber verdammt geil … und dieser verdammte Bär grinste wirklich. Oder hatte ich Halluzinationen, weil ich untervögelt war?
1 – Ein altneuer Job
Cat hielt inne und starrte auf den Bildschirm. Der Anfang des Buches gefiel ihr gut und sie hatte schon einen ausgetüftelten Plan für das Ende. Leider fehlte ihr eine zündende Idee für den Mittelteil von »Office Escort – Die Chefsache«, weswegen sie die nächste Seite mit Stichpunkten beäugte, als wäre es die Schuld jedes einzelnen Buchstaben, dass sie selbst weder erregt noch in irgendeiner Weise motiviert war, weiterzuschreiben.
Leider wusste Cat, dass die ursprüngliche Schuld nicht bei dem Buchprojekt lag.
»Vielleicht solltest du mit dem Sachbuch weitermachen?«, schlug ihre Schwester vor und sah von ihrem Schreibtisch auf.
»Ich sollte mir eine selbsttippende Tastatur zulegen«, meinte Cat und starrte angestrengt auf den Bildschirm in der Hoffnung, ihr Gegenüber würde sich ablenken lassen.
»Ich kenne dich gut genug um zu wissen, wann du abgelenkt bist.«
»Ich bin nicht abgelenkt«, protestierte Cat und fragte sich, ab der wievielten Lüge einem eigentlich eine Pinocchio-Nase wuchs. Um auf Nummer Sicher zu gehen, probierte sie es lieber mit der Wahrheit. »Ich kann keine erotischen Romane mehr schreiben.«
»Natürlich kannst du«, wiegelte ihre Schwester ab.
»Keine, die im Office-Escort-Universum spielen.« Cat sah bekümmert auf den Monitor. Anfänge waren kein Problem und auch einzelne Szenen klappten. Aber nichts davon hatte sie in irgendeiner Weise fertigstellen können. Selbst bei Kurzgeschichten kam sie irgendwann an den Punkt, wo das Happy End einsetzen müsste – und bei dem versagte sie kläglich.
Natürlich könnte sie einfach sagen: Es ist ein Job und die Protagonisten den Job beenden lassen – und dann lebten sie getrennt voneinander bis zum Ende ihres Lebens, gestärkt und ermutigt durch ihre Begegnung.
Aber das fühlte sich nicht richtig an und war ein wenig wie schummeln. Außerdem kannte sie genug Office-Escort-Begleiterinnen, die ihr Glück gemacht hatten. Sie müsste einfach nur über die schreiben.
Cat seufzte abermals und dachte an Melissa, Claire, Joanna, aber auch an Mina und Cassie. War es denn so schwer, ihre Freundinnen und deren erotische Erlebnisse in ein Buch zu bekommen? Melissa, selbst Journalistin. hatte ihr sogar angeboten, ihr als Beraterin zur Verfügung zu stehen – und prompt ignorierte Cats Muse das Projekt komplett.
Sie sah ihre Schwester an und deutete auf all die Ordner, die sich im Laufe der Zeit angesammelt hatten. »Ich kann mir Sachen ausdenken, aber nicht in meinem erfolgreichsten Universum verweilen.«
Ihre Schwester schwieg lange und nickte schließlich. »Wann hast du den letzten Office-Escort-Roman geschrieben?«
»Ist fünf Jahre her«, meinte Cat. Sie hatte nicht einmal lange überlegen müssen. Ihr erster Roman war auch ihr bislang letzter gewesen, nur zwei Novellen hatte sie noch fertigstellen können, bevor die Storys aus ihrem echten Arbeitsplatz einfach nicht mehr aufs Papier kommen wollten.
»War das als du glücklich warst? Verliebt?«
»Manchmal kann ich dich nicht leiden«, konsternierte Cat.
»Oder war es, als du selbst noch für den Escort gearbeitet hast?«
»Beides«, gab Cat zu.
»Du hättest viel Geld sparen können, wenn du gleich mich gefragt hättest, statt zu Therapeuten zu rennen und dich gegen Schreibblockade behandeln zu lassen.«
»Witzig!«, meinte Cat, die nicht einen Cent für Therapeuten ausgegeben hatte.
»Möchtest du darüber reden?«
»Nein.«
»Wieso glaube ich dir nicht?«
»Der einzige Mensch, mit dem ich darüber reden möchte, ist seit fünf Jahren für mich nicht zu sprechen.«
»Das Arschl…«, ihre Schwester verstummte, als Cats jüngster Pflegesohn die Tür öffnete und von einem zum anderen strahlte. »Ich soll euch sagen, dass das Essen fertig ist.«
»Prima!« Cat strahlte zurück. »Ich liebe Muttertag, wenn die Kinder für einen arbeiten und kochen!«
»Verbrannte Waffeln und schlechter Kaffee, wir kommen«, rief ihre Schwester und sprang auf, um ihren Sohn Jake zu holen. Damit kam sie Cat zuvor, die immerhin schon einmal den Kinderstuhl auf die Veranda trug, die ihre Pflegekinder liebevoll und mit Hilfe ihrer drei Gäste vorbereitet hatten.
»Du bist die Beste«, lobte ihre Schwester, als sie das Kleinkind platzierte und sich den doch nicht verbrannten Waffeln widmete, während Cat das kleine Raubtier fütterte.
»Weiß ich doch!«, grinste Cat und unterdrückte im nächsten Moment einen lauten Fluch. Wieso klingelte das Telefon immer, wenn sie entspannte oder aß?
»Ich geh schon?!«, schlug ihre Schwester vor, aber Cat war bereits aufgesprungen. »Hallo?«
»Hallo, ich bin es«, meldete sich eine männliche Stimme. »Wie geht es dir?«
Cat überlegte einen Augenblick, aber die Stimme klang unbekannt.
»Wer ist ich?«, fragte sie irritiert. Ihr Anschluss war eine Geheimnummer, die nur wenige, ausgewählte Leute kannten.
Cat sah ihre Schwester an, aber die zuckte mit den Schultern.
»Wenn du das nicht weißt, wer dann?«, lachte der unbekannte Mann am anderen Ende der Leitung.
»Ich glaube, Sie haben sich verwählt«, meinte Cat, die in Gedanken die Liste aller Männer durchgegangen war, die ihre Nummer hatten. Es waren genau drei – und der Fremde war keiner von ihnen.
»Glaube ich nicht, Catherina.« Er klang so amüsiert, dass ihr ein Schauer den Rücken hinunterlief. Sie atmete tief ein und versuchte es mit Geduld. »Okay, und wer sind Sie?«
»Rate!«, forderte ihr Gesprächspartner.
Cat legte auf und drehte sich zum Tisch, nur um sich mit der geballten Aufmerksamkeit konfrontiert zu sehen. Vier Kinder, ihre Mütter, Cats Schwester und Jake starrten sie an. Das Telefon klingelte abermals. Und es stand außer Frage, dass es sich um denselben Anrufer handelte.
»Ja«, meinte Cat genervt, als sie abermals abnahm und ins Innere des Hauses und außer Hörweite ging.
»Catherina, weißt du es wirklich nicht oder ist es gerade ungünstig?«, erkundigte sich der Mann. Jetzt klang er weniger amüsiert als verwirrt, was Cat den kurzen Anflug eines unguten Gefühls vergessen ließ. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, dass sie es leid war, mit sich spielen zu lassen. »Wer sind Sie und warum bringen Sie nicht einmal ein Mindestmaß an Höflichkeit auf und melden sich vernünftig?!«
»Höflichkeit war noch nie meine Stärke!«,