Der kleine Fürst Staffel 5 – Adelsroman. Viola Maybach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Viola Maybach
Издательство: Bookwire
Серия: Der kleine Fürst Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740918019
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es wird ihm nicht weh getan haben. Clara war jedenfalls der Ansicht, dass er nur mitgesteigert hat, um sie zu ärgern.«

      »Es verspricht also, ein interessantes Wochenende zu werden«, stellte Konrad fest. »Kann ich Laura einladen?«

      »Und ich Sabrina?«, fragte Anna nach einem schnellen Seitenblick zu Christian hinüber – ihre beste Freundin Sabrina war nämlich seine erste Liebe, was außer ihr jedoch niemand wusste.

      »Gern«, antwortete die Baronin. »Es kann nicht schaden, wenn die beiden Hitzköpfe nicht mit uns allein sein werden.«

      »Ist dieser russische Graf denn auch hitzköpfig – so wie Clara?«, fragte Konrad.

      »Nicht ganz so, oder, Fritz?«

      »Auf mich hat er einen sehr beherrschten Eindruck gemacht«, antwortete Baron Friedrich nach kurzem Überlegen. »Aber wie er reagiert, wenn man ihn reizt, das kann ich natürlich nicht sagen.«

      »Interessant, interessant«, murmelte Konrad vergnügt. »Vielleicht gibt es ja richtig Zoff hier auf Sternberg, das wäre mal etwas Anderes.«

      Seine Mutter bedachte ihn mit einem Kopfschütteln. »Also, auf ›Zoff‹, wie du es ausdrückst, können wir hier gut verzichten«, stellte sie fest.

      Der Baron schloss sich dieser Ansicht nachdrücklich an.

      *

      Sandra, Oliver und Patrick Ganghofer hatten nach den ersten Tagen ihre Scheu abgelegt. Nun betraten sie Irinas großzügige und schöne Wohnung bereits mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Sie stellten Fragen zu einzelnen Gegenständen und lauschten Irinas Erklärungen aufmerksam. Und vor allem: Sie waren, nach anfänglichen Schwierigkeiten, mit Begeisterung bei der Sache, sobald es ums Lernen ging.

      Das lag, wie Irina wohl wusste, auch an ihrem pädagogischen Geschick. Sie freute sich darüber, dass sie offenbar nichts verlernt hatte und dass es ihr noch immer gelang, ihre Schüler für den zu vermittelnden Stoff zu begeistern – so, wie es damals auch gewesen war, als sie noch jeden Tag unterrichtet hatte. Zum anderen aber waren diese drei jüngeren Geschwister von Lili gerade ausgehungert nach Wissen. Sie steckten voller Neugier auf die Welt und waren offenkundig froh, dass sich endlich jemand die Zeit nahm, ihnen alles so zu erklären, dass sie es auch verstanden.

      Die Klügste war Sandra, das war offensichtlich – und sie war auch die Fleißigste, weil sie ein Ziel hatte, das bisher unerreichbar fern gewesen war, doch jetzt mit einem Mal nicht mehr ganz so utopisch zu sein schien. Wenn eine Frau wie Irina Mahler sich bereit erklärte, sie zu unterrichten – was eigentlich ganz und gar unwahrscheinlich war – warum sollte dann nicht auch Sandras Traum, Tierärztin zu werden, sich erfüllen können?

      Oliver konnte schlecht rechnen und schreiben. Das lag vor allem daran, dass er langsam war und den Erklärungen des Lehrers häufig nicht schnell genug folgen konnte. Nun aber, da sich Irina auf seine Geschwindigkeit einstellte, machte er so rasante Fortschritte, dass selbst Irina nur staunen konnte.

      Patrick war klug, aber er ließ sich leicht ablenken, seine Gedanken sprangen hierhin und dorthin. Irina hatte mit ihm die meiste Mühe, aber auch er zeigte nach einigen Tagen eine deutlich erhöhte Bereitschaft, sich zu konzentrieren, sah er doch, dass seine schlechten schulischen Leistungen keineswegs auf einem Naturgesetz beruhten, sondern dass es in seiner Macht lag, daran etwas zu ändern.

      Auch mit den Eltern hatte Irina in der Zwischenzeit gesprochen: Beide waren jünger als sie selbst, sahen aber älter aus. Der Vater müde und abgekämpft, mit Anflügen von Verzweiflung in den Augen, die Mutter blass und schmal, mit einem Gesicht, in das die Sorgen vorzeitig tiefe Furchen gegraben hatten. Sie waren verlegen gewesen, dankbar, aber auch unsicher, was sie von dieser eleganten Frau halten sollten, die ihnen da so plötzlich half, ohne dass es einen greifbaren Grund dafür zu geben schien.

      »Es ist ganz einfach«, hatte Irina irgendwann gesagt. »Ihre Lili ist das Beste, was mir überhaupt passieren konnte. Sie macht mir das Leben so angenehm, dass ich das mit Geld überhaupt nicht bezahlen kann. Also habe ich das Bedürfnis, ihr Leben auch ein wenig zu verbessern. Außerdem bin ich nicht arm, ich muss nicht einmal arbeiten, um gut leben zu können. Und da Lilis Leben unter anderem dadurch erschwert wird, dass Ihr kleines Haus zerfällt, wenn nichts daran gemacht wird, möchte ich Ihnen gern das Dach decken lassen.«

      Die beiden hatten erschrocken abgewehrt. »Wir stehen ohnehin schon in Ihrer Schuld, das geht nicht, Frau Mahler …«

      Aber Irina hatte nicht nachgegeben. »Sie schulden mir gar nichts, Frau Ganghofer, Herr Ganghofer. Aber Ihrer Lili schulden Sie eine Zukunft – und Ihren anderen Kindern auch. So weit ich dazu beitragen kann, möchte ich das tun. Und ich hoffe sehr, dass der Tag kommt, an dem Sie beide weniger arbeiten müssen als jetzt.«

      »Das Dach«, hatte Lilis Vater zaghaft erwidert, »also, der Kalli Runold, der würde uns das gern machen, zusammen mit ein paar Kollegen, er hat es uns schon mehrmals angeboten – wir müssten nur das Material bezahlen, Lohn wollte er nicht haben, aber wir mussten trotzdem ablehnen. Wenn Sie uns wirklich helfen wollen, Frau Mahler, dann rede ich noch einmal mit ihm. Vielleicht …«

      »Warum will er Ihnen das Dach denn umsonst machen? Gibt es einen Grund dafür? Sind Sie mit ihm befreundet?«

      Ein rascher Blick zwischen den Eheleuten, dann die leise Antwort: »Er ist in Lili verliebt, glauben wir – aber wir wissen nicht, wie Lili dazu steht, sie redet nicht über solche Dinge, und fragen wollen wir sie nicht.«

      »Überlassen Sie die Angelegenheit mir, ich kümmere mich darum.«

      Beide hatten beim Abschied Tränen in den Augen gehabt.

      »Wieso haben Sie eigentlich so viel Geld, Frau Mahler?«, fragte der vorlaute Patrick in Irinas Gedanken hinein.

      »Meine Familie ist reich«, erklärte Irina mit ernstem Gesicht. »Ich habe das Geld geerbt.«

      »Das ist ungerecht, dass Sie so viel haben und wir so wenig«, fand der Junge.

      Sie konnte ihm nur zustimmen.

      Als sich die drei von ihr verabschiedeten, sagte Sandra schüchtern: »Es ist schön bei Ihnen, Frau Mahler. Und wir sind froh, dass wir kommen dürfen.«

      Die Jungen nickten eifrig, und Irina breitete die Arme aus, um alle drei an sich zu drücken. Dann drehte sie sich um und ging rasch zurück ins Haus, bevor sie ihre Tränen sahen.

      Wenig später verließ sie das Haus und suchte jenen Kalli Ru­nold auf, von dem Herr Ganghofer gesprochen hatte. Der junge Mann gefiel ihr auf Anhieb, und es war nicht schwer zu erkennen, wie gern er Lili hatte. »Eigentlich müsste der Dachstuhl erneuert werden«, sagte Kalli. »Aber das würde ja vom Material her noch viel teurer, deshalb habe ich vorgeschlagen, wenigstens die nötigsten Reparaturarbeiten zu übernehmen, damit es nicht ständig hineinregnet.«

      Nach dieser Bemerkung sprach Irina mit seinem Chef und erteilte ihm ganz förmlich einen Auftrag. Kalli strahlte über das ganze Gesicht, als sie sich wenig später verabschiedete. »Die Lili hat schon immer gesagt, dass Sie ’ne ganz tolle Frau sind, Frau Mahler, aber ich habe es ehrlich gesagt bisher nicht so richtig glauben können. Dabei hätte ich wissen müssen, dass die Lili weiß, was sie sagt.«

      »Muss ich noch einmal Druck machen bei Ihrem Chef?«

      »Keine Sorge, das übernehme ich!«

      Noch lange, nachdem Irina wieder zu Hause war, hatte sie das glückstrahlende Gesicht des jungen Mannes noch vor Augen.

      *

      Johannes blieb erstaunt vor dem Antiquitätengeschäft stehen, in dessen Innerem er die schöne Dunkelhaarige sah, die auf der Auktion das gleiche Bild wie Leonid hatte ersteigern wollen. Clara von Bethmann, jetzt erinnerte er sich auch wieder an ihren Namen. Sie verhandelte gerade mit einem Kunden, so dass er nicht befürchten musste, von ihr entdeckt zu werden – falls sie sich überhaupt an ihn erinnerte, auf der Auktion waren ja sehr viele Leute gewesen. Hatte sie das Porträt der Unbekannten in diesem Laden verkaufen wollen? Wohl kaum – er besah sich die Auslagen und stellte fest, dass ihr Angebot ausgesprochen