Schillers Gesundheit besserte sich langsam; eine mit der Gattin unternommene Reise in die schwäbische Heimat (vom August 1793 bis Mai 1794) tat ihm wohl, erfreute ihn durch das Wiedersehen mit den geliebten Eltern und brachte ihm die für die Folge wertvolle geschäftliche Verbindung mit dem Buchhändler Cotta. Mit ihm einigte er sich über die Herausgabe der Monatsschrift »Die Horen« (1795–97) und des »Musenalmanachs« (1795–1800), und die Sorge für jene Zeitschrift veranlaßte ihn, auch Goethe als Mitarbeiter zu werben und damit eine Verbindung anzuknüpfen, die für seine geistige Entwickelung noch bedeutsamer wurde als das Studium der Kantschen Philosophie. Goethe sagte seine Beteiligung zu, und S. gewann den größten Mann der Zeit durch den an ihn gerichteten, von tiefstem Verständnis zeugenden Brief vom 23. Aug. 1794 sowie durch die bei einem längern Besuch in Goethes Haus im September ausgetauschten Gespräche zum innigst teilnehmenden Freunde. Es stellte sich bei der jetzigen Entwickelung von Schillers Geistesleben eine weitgehende Übereinstimmung der Grundanschauungen der beiden Dichter heraus. Der Segen dieses Bundes war unermeßbar: Goethes stockende Produktion wurde durch Schillers anfeuernde Teilnahme zu reichster Betätigung angeregt, S. fand in dem anschaulichen Denken und der rastlosen Vielseitigkeit des neuen Freundes ein immer aufs neue tief von ihm bewundertes Vorbild. So erblühte denn beiden ein neuer Lenz des Lebens und der Dichtung. Bald sich abwendend von den abstrakten Begriffsgespinsten der Philosophie, eröffnete S. gemeinschaftlich mit Goethe in den scharfgeschliffenen Epigrammen der »Xenien«, die im »Musenalmanach« für 1797 erschienen (beste Ausg. von Erich Schmidt und Suphan, Weim. 1893), ein glänzendes Strafgericht gegen die charakterlose Minderjährigkeit der meisten Führer der zeitgenössischen Poesie und Wissenschaft, und im nächsten Bande des Almanachs bot S. (ebenso wie Goethe) einen großen Teil jener eindrucksvollen Balladen dar, die seine Beliebtheit beim Publikum steigerten und befestigten (vgl. Elster im »Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts«, 1904): durch geistvolle Behandlung des Schicksalsproblems, sittliche Hoheit, bewegt dramatisches Leben und eine weitgehende Deutlichkeit der Darstellung schuf S. hier einen ganz neuen Typus dieser poetischen Gattung. Vor allem aber betrat er nach jahrelangem Zögern jetzt als ein völlig Veränderter wiederum das Gebiet der dramatischen Dichtung: nachdem er den schon 1791 entworfenen Plan des »Wallenstein« 1796 gänzlich umgearbeitet hatte, führte er das Werk 1799 zu glorreichem Abschluß. Bereichert durch die Ideen von Realismus und Idealismus, die er in der Abhandlung »Über naive und sentimentalische Dichtung« ausgeführt hatte, seine geistvollen Gedanken über das Problem des Schicksals mannigfach verwertend und allein mit der reinen Liebe des Künstlers, ohne einseitige Parteinahme für die Gestalten seiner Dichtung schaffend, entwarf er ein dramatisches Charaktergemälde von tiefgreifender tragischer Gewalt, das alle seine bisherigen Leistungen in den Schatten stellte (vgl. Kühnemann, Die Kantischen Studien Schillers und die Komposition des »Wallenstein«, Marb. 1889). In dem nächsten Drama, »Maria Stuart« (1800), erweiterte er die historische Überlieferung durch glückliche Erfindungen, wählte unter Anlehnung an den »König Ödipus« des Sophokles einen eigenartigen, an die analytische Technik sich anlehnenden Bau und zeichnete namentlich in dem packenden dritten und dem hoheitsvollen fünften Akte das zu Herzen greifende Bild einer durch die Schläge des Schicksals geläuterten liebenswerten Sünderin. Auch in dem nächsten Werke, der »Jungfrau von Orleans« (1801), wich er in der Gestaltung der von vielen Dichtern behandelten Geschichte der Jeanne d'Arc in wesentlichen Zügen von der Überlieferung ab, hob aber den Kern der romantisch wunderreichen Vorgänge in stimmungsvollster Poesie eindrucksvoll heraus, wenn auch die Fülle der an sich sehr gelungenen lyrischen Einlagen, die Kampfszenen und der große Aufzug etwas opernhaft erscheinen und die tragische Schuld der plötzlich von Liebe zum Feinde des Vaterlandes ergriffenen Heldin nicht überzeugend herausgearbeitet ist. Vollends in der an Leisewitz' »Julius von Tarent« und an einzelne antike Motive (Herodot, Hygin) angelehnten »Braut von Messina« (1803) geht S. in kühner Neubelebung der antiken Schicksalsauffassung und des Chors der griechischen Tragödie in der Nichtachtung der Norm des zeitgemäßen Lebensgehaltes recht weit und verstößt auch öfters gegen die Gesetze der Wahrscheinlichkeit; aber die Tragik dieses Werkes ist erschütternd, und die Sprache, namentlich in den Chorgesängen, von hinreißendem Zauber. Von allen ästhetischen Experimenten frei hielt er sich bei der Behandlung des von Goethe ihm überlassenen Stoffes des »Wilhelm Tell« (1804). Unter engem Anschluß an die poetisch brauchbare Überlieferung (namentlich Tschudi), erschloß er in dem durch köstliche Milieuschilderung ausgezeichneten Werke die gewaltige Freiheitsbewegung des nationalen Gesamtbewußtseins, machte, pedantischen Regeln zum Trotz, das ganze Volk der Eidgenossen zum Helden des Dramas, isolierte (Goethes Winken folgend) die Person des Tell in einer bedeutsamen Parallelhandlung und erfüllte das durch glänzende Einzelheiten hervorragende Drama mit dem hinreißenden Pathos seiner großen und liebenswerten Seele. Auch in den Fragmenten seines »Demetrius« (beste Ausg. von Kettner, Weim. 1894), in denen er einen dem lange gehegten Plan des »Warbeck« nahe verwandten Gegenstand behandelte, bewährte er in der psychologischen Vertiefung des Hauptproblems (Demetrius erfährt erst im Verlauf der Handlung, daß er nicht der berechtigte Erbe des Thrones ist, und spielt gleichwohl seine Rolle weiter), in der glänzenden Bühnenszene des polnischen Reichstags, dem Monolog der Marfa etc. die höchste Vollendung seiner Kunst.
Neben diesen Meisterdramen