Die Tochter des Granden. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783849609559
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beseelten, vor einem Kranken gestanden. Dieser Mann war der Vater der von ihm so heiß und hoffnungslos Geliebten; unwillkürlich drängten sich seine Gefühle in einem lauten und tiefen Atemzug nach oben. Der Graf vernahm denselben und fragte:

      »Hegen Sie Sorge, Señor?«

      »Nein, Erlaucht«, klang die Antwort. »Was Sie hörten, war nicht ein Seufzer der Schwäche, sondern ein Gebet zu Gott dem Allmächtigen und Allgütigen, daß er es mir gelingen lassen möge, die Erwartungen der Condesa Rosa zu erfüllen. Meine Erfahrung ist reich, und meine Hand ist sicher; aber ich erflehe mir immer auch Gottes Segen bei jedem Werk, das ich unternehme, einem Menschen das verlorene Glück zurückzugeben.«

      Da streckte ihm der Graf beide Hände entgegen und sagte: »Señor, ich danke Ihnen. Diese Ihre Worte sind ganz danach angetan, mein Vertrauen zu Ihnen zu verzehnfachen. Wer trotz seiner Geschicklichkeit auch auf den Beistand Gottes rechnet, der wird leisten, was dem menschlichen Können nur möglich ist. Beginnen Sie!«

      Sternau erkundigte sich nun in vielen und eingehenden Fragen nach allem, was das Übel betraf; dann mußte sich der Graf auf der Tafel ausstrecken, um auf das allersorgfältigste untersucht zu werden. Die Gewandtheit, mit der dies geschah, ließ die drei spanischen Ärzte zu der Erkenntnis kommen, daß sie es hier mit einem ihnen weit überlegenen Geist zu tun hatten.

      Endlich durfte sich der Patient wieder erheben; er fragte den Deutschen nach dem Ergebnis der Untersuchung, aber statt die erwartete Antwort zu geben, sagte dieser:

      »Erlaucht, Sie sind blind. Darf ich mir auch in Beziehung hierauf eine Erkundigung gestatten?« – »Fragen Sie getrost, Señor.«

      Auch hier waren eine große Menge von Fragen zu beantworten; dann brachte Sternau verschiedene Instrumente hervor, mit denen er die Augen beleuchtete, berührte, bewegte und untersuchte. Endlich war er auch damit fertig und wandte sich an seine Kollegen:

      »Señores, Doktor Francas aus Madrid hat vorhin erklärt, daß er keine fremde Einmischung dulden werde; ich muß also auf eine diskrete und kollegialische Konferenz Verzicht leisten und sehe mich gezwungen, meine Überzeugung mit aller Aufrichtigkeit auszusprechen, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen. Erlaucht, auf welche Weise sollte Ihnen der Stein entfernt werden?« – »Durch einen operativen Eingriff in das Mittelfleisch«, antwortete der Gefragte.

      Sternau erschrak auf das heftigste.

      »Das ist nicht möglich, Erlaucht«, rief er. »Entweder hat man Sie zu täuschen versucht, oder Sie haben falsch gehört! Aber zu einer Täuschung kann ich allerdings keine Veranlassung erkennen.« – »Es ist so, wie ich sagte«, erklärte der Graf. »Fragen Sie diese Señores!«

      Sternau warf einen Blick auf die Ärzte, von denen nur Francas sich zu einer Erwiderung verstand und in trotzigem Ton erklärte:

      »Wir halten die Rettung allerdings nur auf diese Weise für möglich.« – »Aber Señores«, meinte Sternau ganz erregt, »haben Sie den Stein gefühlt? Kennen Sie seine Größe und Lage? Halten Sie den Körper eines Mannes für denjenigen eines Weibes? Mein Gott, ich begreife das nicht! Hier ist ein jeder Schnitt höchst lebensgefährlich, ein Eingriff, wie Sie ihn beabsichtigten, aber absolut tödlich! Meine Herren, ich erkläre einen jeden Arzt, der auf diese Weise zum Messer greift, für einen Mörder, und nicht etwa für einen fahrlässigen Totschläger, sondern für einen Menschen, der mit aller Kaltblütigkeit und Vorüberlegung einen Mord begeht!« – »Señor!« drohte da der Madrider Operateur. – »Señor!« rief jedoch Sternau ihm mit blitzenden Augen zu: »Graf Rodriganda ist kein Arzt; er konnte nicht wissen, was mit ihm vorgenommen werden sollte. Aber ein jeder Anfänger, ein jeder chirurgische Dummkopf wußte, ja, mußte hier wissen, daß der Patient die Operation unmöglich überleben konnte. Meine Herren, was hat man Ihnen für den Mord an dem Grafen Rodriganda geboten?«

      Die Wirkung dieser Frage war eine fürchterliche. Der Graf sank erschrocken in einen Sessel; Francas aber ergriff eines der Messer, um auf Sternau einzudringen, die anderen beiden machten Miene, ihn zu unterstützen.

      »Bube! Schurke!« brüllte Francas. »Du willst uns Mörder nennen?« – »Ja, feige, ehrlose, gedungene Meuchelmörder!« antwortete der Deutsche furchtlos. »Wenigstens einer von euch ist es; dann aber sind die anderen beiden leichtsinnige Dummköpfe, die nicht wußten, was sie taten. Legen Sie das Messer weg, Señor, ich bin Ihnen überlegen! Wenn ich Sie anzeige und den Fall untersuchen lasse, werden Sie wegen versuchten Totschlags zur Verantwortung gezogen.«

      Trotz dieser Drohung gelang es Francas, sich zu beherrschen.

      »Ah«, schnarrte er voller Hohn, »Sie, ein Fremder, wollen uns drohen? Beim heiligen Pedrillo, das ist lächerlich! Dieser Mann spielt Theater, um vielleicht Leibarzt des Grafen zu werden; aber Seine Alteza – Hoheit – kennen uns. Unsere Namen sind rein von allem Makel und in der Wissenschaft hoch geachtet. Hören wir doch einmal, wie der Schwärmer den Stein entfernen will!« – »Das sollen Sie hören!« entgegnete Sternau gelassen. »Er ist nur durch Lithotripsie zu entfernen, und zwar vollständig gefahrlos.« – »Lithotripsie?« fragte der Arzt aus Manresa. »Was ist das? Was soll das sein?«

      Sternau horchte erstaunt auf.

      »Erlaucht, hören Sie, welchen Leuten Sie Ihr Leben und das Glück Ihres Kindes anvertrauten?« wandte er sich zu dem Grafen. »Dieser Mann hat noch nichts von Lithotripsie gehört, von der Zermalmung und Entfernung des Steins durch den Katheterbohrer! Wahrhaftig, ich beginne zu glauben, daß diese Ignoranten Ihnen nicht aus Vorbedacht, sondern aus Unwissenheit das Leben genommen hätten!«

      Francas stieß ein verächtliches Lachen aus und antwortete:

      »Sie irren, Señor! Das Märchen von der Katheterzange kannten wir bereits vor Ihnen, aber es ist eben ein Märchen, an welches nur ein vollständig Unfähiger zu glauben vermag. Mit einem Unfähigen aber streitet man sich nicht. Der Graf mag entscheiden, wer dieses Zimmer augenblicklich zu verlassen hat, er oder wir.« – »So lange ich zu handeln vermag, werde ich mich nur der Entscheidung meines Gewissens fügen«, meinte Sternau. »ich bemerkte bereits, daß Seine Erlaucht kein Arzt sind. Vielleicht entscheidet er sich für den Weg, der ihm das Leben kostet, und das werde ich nicht dulden, selbst wenn ich für meine Überzeugung mein eigenes Leben einsetzen müßte!«

      Da erhob sich der Graf, winkte gebieterisch mit der Hand und sprach:

      »Señores, es ist hier nicht der Ort zu einem solchen Streit; Sie können sich also entfernen, um später meine Entscheidung zu vernehmen. Ihre Ansichten kenne ich; ich habe nun auch noch diejenige von Señor Sternau zu prüfen. Er wird also hierbleiben, um mir dieselben darzulegen. Gehen Sie jetzt, Sie werden das weitere bald erfahren.« – »Das heißt, wir sind verabschiedet?« grollte Francas zornig. »Wir sind entlassen? Gut, wir gehen, aber dieser Fremde wird uns Genugtuung geben, und Sie, Erlaucht, bitten wir, sich vorher sehr zu bedenken, ehe Sie sich entscheiden.«

      Sie packten ihre Instrumente zusammen und verließen das Zimmer. Sofort trat Rosa ein, warf sich ungestüm an den Hals des Grafen und jubelte:

      »Gerettet! Mein Vater, ich danke dir!«

      Er wehrte sie leise von sich ab, doch ohne sie ganz aus den Armen zu lassen, und meinte:

      »Nicht so sanguinisch, mein Kind! Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Ich habe erst noch die Ansicht von Señor Sternau zu prüfen.« – »Oh, sie wird die einzig richtige sein!« rief sie.»Du darfst ihm all dein Vertrauen schenken.«

      Ihre Augen strahlte dem Deutschen so voll und warm entgegen, daß ihm dieser Blick wie Sonnenlicht bis tief ins Herz drang und er mit bewegter Stimme bat:

      »Erlaucht, haben Sie Vertrauen zu mir! Gott weiß es, wie wahr und ehrlich ich es mit Ihnen meine. Verzeihen Sie aber zugleich auch die Härte, mit der ich zu diesen Männern sprach. Ich war vollständig empört über den Leichtsinn, der Ihr teures Leben gefährdete. Wäre die Operation wirklich vorgenommen worden, so lebten Sie nicht mehr, das schwöre ich Ihnen bei Gott dem Allwissenden zu.«

      Jetzt öffnete sich die Tür, und Graf Alfonzo kam hereingestürmt. Er hatte bis jetzt draußen mit den